Bill Gates auf dem Weg zur Herrschaft über das Internet

US-Marktforscher analysieren Wandel vom Software- zum Internetkonzern.

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"Microsoft, weltweit größter Softwarehersteller und gemessen am Börsenwert das wertvollste Unternehmen überhaupt, will das Internet total beherrschen". Diese Erkenntnis ist für Beobachter und Kritiker des Konzerns keine Überraschung. Die Diskussion in den Medien drehte sich allerdings bislang hauptsächlich um die Koppelung von Microsofts Betriebssystem mit Microsofts Browsersoftware sowie das rüde Marketinggebaren. Die jüngsten Aufkauf- und Beteiligungsstrategien des Softwareriesen wurden jedoch meist nicht beachtet. Sie zeigen nach Ansicht der US-amerikanischen Marktforschungs- und Beratungsgesellschaft Giga Information Group Microsofts Wandel vom Softwarekonzern hin zum Internetkonzern.

Giga-Analyst Rob Enderle ist überzeugt, daß die Ambitionen von Microsoft "weit über den Wettbewerb mit anderen Internet-Firmen" hinausgehen. Der Konzern aus Redmond strebe jetzt "die totale Kontrolle der Basisinfrastruktur des Internet an". Allein in den USA habe sich das Unternehmen mit rund fünf Milliarden Dollar zum größten Einzelaktionär des Telekommunikationsriesen AT&T aufgeschwungen und sich damit die dominierende Position im US-amerikanischen Kabelnetz gesichert. Durch die Aufkäufe der Telekommunikationsgesellschaften MediaOne und TCI, zugleich Hauptanteilseigner beim Hochgeschwindigkeits-Internetanbieter @Home Network, avanciert AT&T zum größten Kabelnetzbetreiber in den USA. Die Konsequenz laut Rob Enderle ist:

"Im Netz wird künftig Windows CE eingesetzt und Microsoft wird die Basissoftware im US-Kabelmarkt ebenso dominieren wie heute den PC-Softwaremarkt."

Neben dem Kabelzugang setze Microsoft auf den Bandbreitenausbau des herkömmlichen Telefonnetzes mit DSL-Technologie (Digital Subscriber Line). Die jüngsten Investments in die DSL-Anbieter NorthPoint und Rhythmn Netconnections nennt Giga "Puzzlesteine in einem großen Mosaik, in dem Microsoft die weltweite Internet-Infrastruktur beherrscht." Nach Einschätzung Enderles wird sich DSL ab dem Jahr 2000 als eine Schlüsseltechnologie entpuppen, um Privathaushalten einen schnellen Zugang zum Internet zu verschaffen. Auch bei Funknetzen für die Internet-Nutzung über Handy, PDA und andere Mobilgeräte überschlage sich Microsoft mit Investitionen in Technologieanbieter und Betreibergesellschaften. Ab 2003 wird zudem voraussichtlich das globale Satellitennetz Teledesic in Betrieb gehen, das den drahtlosen Internet-Zugang an jedem Punkt der Erde ermöglichen soll. Bill Gates ist einer der Hauptinvestoren von Teledesic.

Engagement in Europa

Daß Microsofts Totalitätsanspruch an den Grenzen Nordamerikas nicht halt macht, zeigt laut Giga auch das jüngste Engagement in Europa. Die Gates-Company will für eine Beteiligung von bis zu 30 Prozent an der britischen Telekommunikationsgesellschaft Cable & Wireless rund vier Milliarden Dollar auf den Tisch blättern. Auch in Deutschland strebt Microsoft erklärtermaßen die Vorherrschaft im Kabelnetz an, wie Microsoft-Chef Bill Gates beim letzten Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder offen verlauten ließ. Jüngsten Gerüchten zufolge will Gates hierzu bei der Deutschen Telekom mit rund einer Milliarde Dollar einsteigen. In Frankreich hat sich das reichste Unternehmen der Welt mit einem Anteil von 7,5 Prozent an Thomson Multimedia (Markenname RCA) maßgeblichen Einfluß gesichert.

"Microsoft wird sich in den nächsten 18 Monaten bei allen Unternehmen einkaufen, die in den Plan zur Beherrschung der Internet-Infrastruktur passen", prognostiziert Rob Enderle. Der Softwarehersteller müsse nicht nur aus Marktgründen zügig handeln, sondern vor allem auch, um die Deals durchzuboxen, bevor die Kartellaufsicht diese Aktivitäten im Telekommunikationsmarkt unter die Lupe nähme, meint Enderle. Die finanziellen Ressourcen für den Kaufrausch hat der Softwareriese mit einem Börsenwert von rund 500 Milliarden Dollar und einem Bargeldpolster, das sich jedes Quartal um mindestens zwei Milliarden erhöht. Zudem erwäge Gates die Überführung der Internet-Aktivitäten in eine eigene Gesellschaft, die dann an die Börse gebracht werden könnte, wodurch Kapital für Firmenaufkäufe per Aktientausch in noch nie dagewesener Dimension geschaffen würde. Damit werde, so Giga, der Börsenwert der neuen Microsoft-Gruppe den heutigen Wert des Unternehmens um ein Vielfaches übersteigen.