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Billigfleisch: Wie EU-Agrarhilfen die Klimakrise verschärfen und USA, China nutzen

Betriebe mit Tierhaltung werden überproportional in der EU gefördert

Betriebe mit Tierhaltung werden überproportional in der EU gefördert. Bild: mapman, Shutterstock.com

Subventionen sind schädlich, forcieren Treibhausgase. Fleischproduktion wird künstlich billiger. Warum davon Nicht-EU-Länder profitieren. Gastbeitrag

Die überwiegende Mehrheit der EU-Agrarsubventionen unterstützt die Fleisch- und Milchwirtschaft und nicht nachhaltige pflanzliche Alternativen.

Das ist das wichtigste Ergebnis unserer neuen, in Nature Food veröffentlichten Studie [1], in der wir zum ersten Mal in der Lage waren, Nutzpflanzen und andere Pflanzen, die zur Fütterung von Tieren angebaut werden, vollständig zu berücksichtigen.

Mehr als 80 Prozent für tierische Produkte

Die Subventionen werden im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) gewährt. Diese spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Landwirtschaft in ganz Europa, ist aber seit Jahren Gegenstand heftiger Kritik.

Kritiker sagen, dass sie Großgrundbesitzer gegenüber kleineren Landwirten begünstigt [2], die Umweltzahlungen nur einen kleinen Teil [3] des Budgets ausmachen und sie anfällig [4] für Korruption [5] ist.

Einige EU-Politiker wollen die GAP durch die Aufnahme von mehr Umweltbestimmungen nachhaltiger gestalten, stoßen dabei aber auf den Widerstand von Lobbygruppen und Proteste der Landwirte [6]. Unsere Arbeit zeigt jedoch, dass diese ökologischen Verbesserungen dringend notwendig sind, da mehr als 80 Prozent der GAP-Mittel für tierische Erzeugnisse verwendet werden.

Diese Produkte sind die Hauptursache für die lebensmittelbedingten Treibhausgasemissionen in der EU, den Verlust der biologischen Vielfalt, den Wasserverbrauch, die Luftverschmutzung, die Wasserverschmutzung und vieles mehr.

Fleisch ist billiger, als es auf einem faireren Markt sein würde

Die GAP ist die größte Einzelausgabe der EU und macht etwa 38 Prozent der Gesamtausgaben aus. Wir haben herausgefunden, dass von den 57 Milliarden Euro des jährlichen GAP-Budgets 46 Milliarden Euro für tierische Erzeugnisse verwendet werden, hauptsächlich für Lebensmittel wie Rindfleisch, Schweinefleisch, Hühnerfleisch, Milchprodukte und Eier.

Diese Schätzungen stammen aus dem Jahr 2013 – dem aktuellsten Jahr für das von uns verwendete Modell der Lebensmittelversorgung –, aber der Anteil der Subventionen hat sich seitdem kaum verändert. Unsere Schätzungen sind höher als bisher angenommen, weil wir jetzt ein vollständigeres Bild der Subventionen haben, die auch für Tierfutter verwendet werden.

So erhält beispielsweise ein französischer Landwirt, der Weizen für Schweine- oder Hühnerfutter anbaut, eine Subvention für diesen Weizen zusätzlich zu der Subvention, die ein Viehzüchter in Dänemark erhält, der dieses Futter importiert.

Agrarsubventionen verzerren Märkte unfair

Auf dieser Grundlage zeigen wir, dass sich die GAP-Subventionen für tierische Lebensmittel ungefähr verdoppeln. So steigen beispielsweise die GAP-Subventionen für Rindfleisch von 0,71 Euro auf 1,42 Euro pro Kilo, wenn Futtermittel einbezogen werden.

Das wirkt sich nicht direkt auf den Preis in den Regalen aus, da es im derzeitigen Lebensmittelsystem viele andere Verzerrungen gibt. Aber es vermittelt ein Gefühl für den relativen Unterschied zwischen tierischen und pflanzlichen Erzeugnissen.

Das Ergebnis ist ein Set von ungleichem, unfairen Voraussetzungen, in dem tierische Produkte dank der zusätzlichen Subventionen billiger sind als sie es sonst wären. Dadurch erscheinen Obst, Gemüse und Nüsse relativ teurer als Fleisch oder Milchprodukte, was den Bemühungen zuwiderläuft, die Umweltschäden des Lebensmittelsystems der EU zu verringern und eine gesündere Ernährung zu fördern.

Agrarwende für Klimaschutz

Das globale Lebensmittelsystem allein reicht aus, um die Klimaziele von 1,5 Grad und sogar zwei Grad Celsius [7] Erderwärmung zu verfehlen. Wir müssen drastische Maßnahmen ergreifen, um schnell genug umzusteigen, damit wir nicht nur die Umweltauswirkungen reduzieren, sondern auch gegen die durch den Klimawandel verursachten extremen Wetterereignisse gewappnet sind.

Die Wissenschaft ist sich inzwischen einig, dass eine Umstellung auf eine überwiegend pflanzliche Ernährung die größte Chance ist, diese ernährungsbedingten Umweltauswirkungen zu verringern, insbesondere in Ländern mit hohem Einkommen [8].

Eine solche Umstellung könnte sogar zu ländlichen Bodenentlastungen [9] führen, um die Klimaziele zu erreichen und die Ernährungssicherheit [10] zu verbessern. Doch die GAP-Subventionen erhalten das bestehende System aufrecht und tragen nicht zur Umstellung des Systems bei.

Subventionierte Lebensmittel in die USA exportiert

Der Einsatz öffentlicher Mittel im Rahmen der GAP soll das Ziel haben, eine gesunde und sichere Lebensmittelproduktion in der EU zu gewährleisten. Aber diese Subventionen beeinflussen auch die Produktion und den Verbrauch in anderen Ländern, die Lebensmittel aus der EU importieren.

Wir stellen fest, dass zwölf Prozent des GAP-Haushalts zur Subventionierung der Preise für Ausfuhren in Nicht-EU-Länder verwendet werden. Es mag überraschen, dass ein großer Teil dieser Exporte in Länder mit höherem Einkommen geht.

Tatsächlich haben die USA im Jahr 2013 mehr GAP-Gelder über Lebensmittelimporte aus der EU importiert als alle GAP-Gelder, die nach Dänemark gingen.

Auch China profitiert

Das Gleiche gilt für China, das mehr importiert als jene Summen, die in die Niederlande gehen. Das erschwert letztlich die Annäherung an eine gesunde und nachhaltige Ernährungsweise auf globaler Ebene.

Generell stehen die Landwirte im Zuge von Problemen wie klimabedingte Wetterextreme und steigende Produktionskosten bei Inflation unter großem Druck. Wir wissen jedoch, dass ohne umfassende ökologische Reformen – einschließlich der Reform der GAP – die steigenden Kosten für Umweltschäden die Situation in Zukunft noch verschlimmern werden.

Um ein nachhaltigeres, widerstandsfähigeres und für die öffentliche Gesundheit besseres Lebensmittelsystem aufzubauen, müssen die Agrarsubventionen reformiert werden. Die jüngste Verwässerung [11] der grünen EU-Politik ist ein Rückschritt und kann auf lange Sicht nur ein Akt der Selbstbeschädigung sein.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit The Conversation. Das englische Original finden Sie hier [12]. Übersetzung: David Goeßmann [13].

Anniek Kortleve ist Doktorandin, Abteilung für Industrieökologie, Universität Leiden.

Helen Harwatt ist Stipendiatin für Lebensmittel- und Klimapolitik, Harvard University.

José Manuel Mogollón ist Assistenzprofessor, Institut für Umweltwissenschaften (CML), Universität Leiden.

Paul Behrens ist Professor für Energie und Umweltveränderungen, Universität Leiden.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9689680

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.nature.com/articles/s43016-024-00949-4
[2] https://corporateeurope.org/en/2020/10/cap-vs-farm-fork
[3] https://www.carbonbrief.org/qa-will-eu-common-agricultural-policy-reforms-help-tackle-climate-change/
[4] https://www.euractiv.com/section/agriculture-food/news/systemic-misuse-of-eu-agri-grants-in-central-eastern-europe-report-finds/
[5] https://www.politico.eu/article/italian-mafia-arrests-lay-bare-the-scale-of-eu-farm-fund-subsidies-abuse/
[6] https://theconversation.com/european-farmers-are-angry-addressing-root-causes-would-overcome-polarisation-222949
[7] https://www.nature.com/articles/s41558-023-01605-8
[8] https://www.science.org/doi/10.1126/science.aba7357
[9] https://www.nature.com/articles/s43016-021-00431-5
[10] https://www.nature.com/articles/s43016-022-00634-4
[11] https://www.euractiv.com/section/agriculture-food/news/commission-unveils-new-package-exempting-small-farms-from-environmental-controls/
[12] https://theconversation.com/over-80-of-the-eus-farming-subsidies-support-emissions-intensive-animal-products-new-study-226853
[13] https://www.telepolis.de/autoren/David-Goessmann-7143590.html