Bin Laden: "Wanted: Dead or Alive"

US-Präsident Bush will angeblich, dass der al-Qaida-Führer vor seinem Amtsende gefasst oder getötet wird, wozu Spezialeinheiten auch Vorstöße nach Pakistan machen sollen

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Nach Informationen der britischen Times hat US-Präsident Bush eine erneute Jagd auf seinen untergetauchten Widersacher Osama Bin Laden angeordnet. Der al-Qaida-Chef, der immer wieder einmal Botschaften über Medien und Internet verbreitet und von der US-Regierung neben Saddam Hussein zum großen Gegenspieler aufgebaut wurde, hat offenbar den nach dem 11.9.2001 von Bush entfesselten Krieg gegen den globalen Terror überstanden. Wie gerade die spektakuläre Befreiung von Hunderten von Taliban-Mitgliedern und anderen Häftlingen aus dem Gefängnis in Kandahar zeigte, sind die Taliban in Afghanistan und al-Qaida nahe Militante in der Region keineswegs besiegt.

Um dem Krieg gegen den Terrorismus, mit dem die Zeit des Kalten Kriegs beendet wurde, ein Gesicht und vor allem eine Dramaturgie zu geben, hat das Weiße Haus von Beginn an einzelne Personen dämonisiert und als direkte Gegenspieler der Supermacht inszeniert. Auge in Auge standen sich so Bush und die Seinen Bin Laden und dann Saddam Hussein gegenüber. Eine wirklich asymmetrische Konstellation, mit der auch die Gefährlichkeit der "Bösen" beschworen werden sollte.

Nun haben sowohl der Sturz als auch die Gefangennahme und Exekution von Saddam Hussein bereits gezeigt, dass ein solcher personalisiert inszenierter Feldzug – man erinnere sich noch an die Spielkarten mit den Regimeführern – auch dann nicht funktionieren muss, wenn er letztendlich weitgehend gelingt. Auch der Irak-Krieg wurde mit Angriffen begonnen, die den Widerstand durch "Enthauptung" von Hussein und der führenden Regimeschicht schnell brechen sollten.

Angeblich soll nun George W. Bush auch die britischen Spezialeinheiten aufgefordert haben, Osama bin Laden zu suchen und zu fangen, bevor Bush das Weiße Haus verlässt. "Wenn er sagen kann", so ein US-Geheimdienstmitarbeiter, "dass er Saddam Hussein getötet und Bin Laden gefangen hat, dann kann er behaupten, die Welt zu einem sichereren Platz gemacht zu haben." Allerdings hatte Bush bereits wenige Tage nach den Anschlägen vom 11.9. das Ziel vorgegeben, dass alle Verantwortlichen gejagt und bestraft werden. Bush hatte nicht nur angekündigt, die Terroristen auszurotten ("We're going to smoke them out."), sondern auch auf die Frage auf der Pressekonferenz vom 17.11.2001, ob er Bin Laden tot sehen will, deutlich gemacht:

I want justice. There's an old poster out west, as I recall, that said, "Wanted: Dead or Alive."

Immer wieder wurde von Bush und den Mitarbeitern des Weißen Hauses der Erfolg bei der Terroristenjagd betont, aber durch Inszenierung von Bin Laden als dem großen Hauptgegner der Supermacht und der von ihr aufrechterhaltenen "Freiheit" rächt sich die Propaganda der Personalisierung des Bösen, wenn dieser trotz eines weltweit geführten Kriegs gegen den Terror mit der best bewaffneten Armee und mit allem Schnickschnack ausgerüsteten Geheimdiensten nicht zu finden ist.

Es heißt, dass Bin Laden ebenso wie Sawahiri aus Vorsicht weder Handy noch Internet benutzen (Fallen der Kommunikation bei der Terroristenjagd). Auch die hohe Kopfgeldprämie hatte bislang zu keinem Erfolg geführt. Seltsamerweise wird Bin Laden als der erste unter den "most wanted terrorists" vom FBI noch immer nicht wegen der Anschläge vom 11.9., sondern wegen der Anschläge auf die afrikanischen US-Botschaften und anderer "Terrorangriffe" gesucht. Es heißt zwar einmal, die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung von Bin Laden führen, sei von 25 auf 59 Millionen US-Dollar heraufgesetzt worden, aber das ist offenbar doch nicht geschehen.

Die Times kam mit der Geschichte anlässlich des Abschiedsbesuchs von Bush in London heraus. Nach den Informationen würden der Special Boat Service (SBS) und das Special Reconnaissance Regiment in Zusammenarbeit mit US-Truppen Bin Laden auch in den pakistanischen Grenzgebieten suchen, wo er von den meisten vermutet wird. Die Jagd, die auch mit Reaper- und bewaffneten Predator-Drohnen durchgeführt wird, sei, so soll ein Mitglied der britischen Spezialeinheiten gesagt haben, "völlig legitim".

Die wiederholten Bombardierungen von mutmaßlichen al Qaida-Verstecken in Pakistan haben allerdings schon des Öfteren zu Problemen geführt, weil vornehmlich "Kollateralschäden" bewirkt wurden, also Zivilisten dabei umkamen. Angeblich soll das al-Qaida-Netzwerk in Pakistan nun vermehrt angegriffen und aufgerieben werden, um so Bin Laden nach Afghanistan zu treiben. Man würde sich auf eine größere Schlacht vorbereiten.

Möglicherweise kam da der Gefängnis-Coup der Taliban gerade recht. Der afghanische Präsident Karsai hat schon einmal gedroht, Truppen über die Grenze nach Pakistan zu schicken, um dort die Taliban zu jagen. Falls dies nicht nur eine Drohgebärde sein sollte, müsste Karsai für eine solche militärische Intervention zumindest von den USA und Großbritannien gedeckt werden. Damit ließe sich vermeiden, dass US-Truppen nach Pakistan vordringen, was schnell die Stimmung in Pakistan aufheizen dürfte. Pakistan will hingegen mit den Taliban und den Stämmen im Grenzgebiet verhandeln, weist jede Drohung auf Einmischung zurück und warnt vor Angriffen. Innenpolitisch ist Pakistan weiterhin instabil, solange der von den USA lange gestützte Präsident Musharraf nicht zurücktritt.