Birma, Warlords und Aung San Suu Kyi

Ein bislang noch nicht veröffentlichtes Inteview mit der Friedensnobelpreisträgerin lässt die komplizierten Verhältnisse in dem vom Militär beherrschten Land erkennen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wer ist schlimmer: die Zentralregierung Birmas oder die lokalen Warlords? Diese Frage stellte Peter Mühlbauer (Satellit an ... und alle Fragen offen) und damit die gängige Birmaberichterstattung auf den Kopf. Traditionell stellt eine Zentralregierung den besseren Bösewicht für Massenmedien dar als die pittoresken "Befreiungsarmeen.

Doch bereits im Irak hat sich gezeigt, dass mit dem Tod des Diktators Saddam Hussein nicht automatisch Frieden einkehrte. Seit Jahren bekämpfen sich in Birma die Warlords der unterschiedlichen Volksgruppen. Es geht um Opiumanbau und Drogenproduktion, um Macht und Einfluss, um viel Geld, um die Verteilung der nationalen Ressourcen wie Erdgas, Jade und Holz.

Dieser Kampf dürfte bei einem Regimewechsel noch erbitterter werden. Daran wird auch die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi vermutlich nichts ändern. Im Westen gilt sie als Ikone der Freiheit, als Symbol für Mut und Demokratie. Doch welche Politik verfolgt sie wirklich, welchen Preis wäre sie bereit zu zahlen für die Unterstützung durch die wichtigsten Volksgruppen?

Wer Antworten von „der lady“, wie sie ehrfurchtsvoll genannt wird, haben wolle, der müsse sich auf einen gefahrvollen Weg gefasst machen. Schwierig sei es, sie zu treffen, langwierige und klandestine Vorbereitungen seien nötig, schrieb 1998 ein großes deutsches Reportagemagazin. Davon war zumindest 1996 noch keine Spur. Mit einer Journalistengruppe war ich eingereist, fuhr einfach gemeinsam mit einer Kollegin zu ihrem Wohnsitz in Rangoon, gab meinen Wunsch nach einem Interview ab, hinterließ die Adresse meines Hotels, machte die Journalistenreise mit, blieb länger im Land als die Gruppe und erhielt einen Termin.

Doch das Gespräch verlief anders als gedacht. Klare, eindeutige Antworten waren die Ausnahme, wurden bei Nachfragen durch die nächste Antwort schon wieder relativiert. Vor allem aber vermittelte sie nicht den Eindruck, dass sie sich vehement gegen Raubbau durch die Führer der unterschiedlichen Volksgruppen einsetzen würde. Eine Einschätzung, die auf Nachfrage ein Vertreter des Bundesnachrichtendienstes (BND) bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten teilte. Dennoch griff keiner der anwesenden Medienvertreter diese Lagebeurteilung auf. Zu sehr kollidierte sie vermutlich mit dem Heldenimage:

Was halten Sie von ausländischen Investoren? Wir hörten, Ihre Anhänger verlangten, die ausländischen Investoren sollten das Land verlassen?

Aung San Suu Kyi: Darauf kann ich nicht im Detail eingehen. Nur so viel: Wir verlangen nicht, dass ausländische Investoren das Land verlassen sollen.

Ja aber, meinen Sie, Investoren helfen eher oder stabilisieren sie nur das Regime?

Aung San Suu Kyi: Das kommt darauf an, wenn die Investitionen an die Elite gehen, helfen sie nicht der Bevölkerung.

Und wie stehen Sie zum Tourismus?

Aung San Suu Kyi: Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt dagegen, Myanmar zu besuchen. Der ganze Tourismus ist nur auf kurzfristige Politik gerichtet.

Wie bewerten Sie die Unabhängigkeitsbestrebungen der Volksgruppen der Shan oder der Wa?

Aung San Suu Kyi: Was diese Gruppen wollen, ist Autonomie. Wenn sie dies innerhalb der Union (also des Staates Burma) quasi als Bundesländer wollen, denke ich, ist dies richtig. Ich glaube, es ist nur gut, Eigenständigkeit zu fördern. Wie dies zu verwirklichen ist, muss durch Verhandlungen erreicht werden.

Was halten Sie von der Umweltpolitik der gegenwärtigen Regierung?

Aung San Suu Kyi: Hat sie denn eine? Mir ist nicht bewusst, dass es eine kohärente Umweltpolitik gibt.

Was schlagen Sie denn vor?

Aung San Suu Kyi: Wir müssen die Menschen unterrichten. Aber das ist nichts, was die Regierung allein kann, das betrifft jeden.

Wie würden Sie denn gegen den Kahlschlag durch Länder wie China vorgehen?

Aung San Suu Kyi: Wenn sie dies gegen unsere bestehenden Gesetze tun, brauchen wir halt bessere Sicherheitsmaßnahmen. Wie das umzusetzen ist, ist eine andere Sache. Es ist allerdings eine Definitionsfrage, was illegaler Holzeinschlag und was erlaubt ist. Wenn systematisch Bäume gefällt werden über das erlaubte Maß hinaus, dann ist das simpel eine Frage von mehr security.

Ja, aber wenn Sie für einen Regierungswechsel mit den ethnischen Minoritäten/unterschiedlichen Volksgruppen zusammenarbeiten wollen, die dann autonom werden würden, was würden Sie denn unternehmen, wenn die Holzhandel mit den Chinesen oder Thai betreiben würden?

Aung San Suu Kyi: Das gehört zum Lernprozess. Sie sollten lernen, dass es gegen ihre langfristigen Interessen wäre.

Und wie lange würde dieser Lernprozess dauern?

Aung San Suu Kyi: Das kann ich nicht sagen. Unterricht ist ein endloser Prozess, der nie aufhört.

Meinen Sie nicht, dass es dann zu spät ist?

Aung San Suu Kyi: Das kann sein, für manche Wälder ist es dann zu spät, aber nicht notwendigerweise für alle.

Für welche Gebiete?

Aung San Suu Kyi: Die bereits betroffen sind.

Ja, aber welche Gegenden wären Sie denn konkret bereit zu opfern?

Aung San Suu Kyi: Muss ich jetzt nur über Holzeinschlag reden? Dort, wo bereits gefällt wurde, kann es schwierig sein, wiederaufzuforsten. Aber das heißt ja nicht, dass man nicht versuchen könnte, etwas zu retten.