Bis zum letzten Gericht

Der Rechtsstreit zwischen der Sekte Universelles Leben und dem Tierrechtsmagazin Voice

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Den Oktober 2002 wird Andreas Hochhaus, Herausgeber des Tierrechtsmagazin Voice aus Offenbach, so schnell nicht wieder vergessen. Nach monatelangen Recherchen über Universelles Leben (UL) veröffentlichte der 27-Jährige einen 23-seitigen Artikel über die Sekte. Die Kritik lautete darin, die "mit totalitären Zügen ausgestattete Gemeinschaft" wolle seit den 1990er Jahren die Tierschutzbewegung unterwandern, für ihre politischen und wirtschaftlichen Zwecke instrumentalisieren und vertrete in Einzelfällen rechtslastige bis antisemitische Lehren. Seitdem trafen sich die Justiziare des Non-Profit-Magazins und UL regelmäßig vor Gericht.

"Die Anwalts- und Gerichtskosten belaufen sich schon auf über 20.000 Euro", sagt Hochhaus. Dabei stört ihn, dass das UL seiner Meinung nach kaum konkret gegen die Kritik vorgeht und sich den Vorwürfen stellt, sondern die Gerichtsstreitigkeiten sich weitestgehend um das Titelblatt des damaligen Heftes drehen. Das nennt der 27-Jährige eine "pointierte Collage" dessen, was der Artikel dokumentiert. Gezeigt wird ein mit dem Sektenlogo bedrucktes Sweatshirt, dessen Reißverschluss leicht geöffnet ist. Dahinter kommt ein Hakenkreuz und der blutige Kopf eines Kalbes zum Vorschein. Zudem wird gefragt: "Was steckt wirklich hinter dem Universellen Leben?"

Für Christian Sailer, Justiziar und Pressesprecher von UL, hat Voice damit und mit späteren Pressemitteilungen "offenbar die Meinungsfreiheit mit Verleumdungsfreiheit verwechselt". UL erwirkte am 14. November 2002 eine einstweilige Verfügung, wonach dem Heft die Verbreitung des Titelblatts verboten ist. Ebenso gerichtlich untersagt wurde später, bestimmte Passagen und Inhalte einer Voice-Pressemitteilung vom 28. Oktober 2003 weiter zu verbreiten. Hochhaus nannte darin Namen und Anknüpfungspunkte aus der rechtsextremen, antisemitischen Szene, die seinen Recherchen zufolge mit UL in Kontakt gestanden haben sollen. Den Stein des Anstoßes, der 23-seitige Artikel, darf Voice nach eigenen Angaben indes bis heute mit zwei minimalen Schwärzungen sowohl im Erstdruck wie als pdf.file verbreiten. UL-Rechtsanwalt Sailer begründet das damit, dass der Beitrag voller "Interpretationen" stecke und somit unter die freie Meinungsäußerung falle.

Das UL nannte sich ursprünglich "Heimholungswerk Jesu Christi", gegründet in den 1970er Jahren. Ihren Hauptsitz hat die an die Apokalypse glaubende Sekte in Würzburg. Sie gibt an, in Deutschland etwa 40.000 sowie weltweit rund 100.000 Anhänger zu haben. Kritiker wie die Evangelisch-Lutherische Pfarrei Michelrieth schätzen diese Angaben des "kirchenfeindlichen UL" als zu hoch ein. Kritisiert wird ferner, dass das UL an verschiedenen Vereinen, Initiativen, Unternehmen, Kindergärten, Schulen, Alten- sowie Wohnheimen und Publikationen beteiligt sei, oft aber von eigenständigen Organisationen oder Firmen seiner Einzelanhänger spreche. Kritiker werten das als Besitzverschleierung, denn laut der 1996er Ausgabe des "Handbuch Deutscher Rechtsextremismus" sollen UL-Anhänger selbst "in physischer, geistiger und materieller Abhängigkeit gehalten" werden. "Ihr Hass auf die christlichen Kirchen und ihr Antisemitismus (lieferten zudem) Bezugselemente zum Rechtsextremismus," so die harsche Kritik seinerzeit.

Laut Katholisches Bibelwerk der Diözese Linz setze sich die UL-Lehre "zusammen aus einem eigenartigen Gemisch verschiedenster esoterischer, (neu-)gnostischer, hinduistisch-buddhistischer (...) und alternativer Elemente." Die Sektengründerin Gabriele Wittek sehe sich selbst als "Prophetin" und "Posaune Gottes", durch die Jesus Christus spreche, weswegen jede Kritik an ihr und der Organisation unangebracht sei. Weltliche Kritiker müssten daher mit "maßlosen Angriffen" rechnen, heißt es dazu im Sekteninfo der Schweizer katholischen Kirche. Durch "ständige Prozesse" werde versucht, Kritiker "zum Verstummen zu bringen". Denn Kritik müsse "verworfen werden, weil das Wort der 'Prophetin' (...) als alles überbietende Offenbarung in allen Einzelheiten stimmt," kritisierte Wolfram Mirbach in "Berliner Dialog". UL-Justiziar Sailer widerspricht dem und sagt, seine "Religionsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes habe nichts gegen die freie Meinungsäußerung." Indes gehe man gegen jede Form von "Rufmord" vor.

Ähnlich wie Voice gehört auch die Tierrechtsorganisation Maqi zu den vehementen UL-Kritikern. Seinerzeit hatte man ein kritisches Papier online unter der URL www.universelles-leben.tk ins Internet eingestellt. Das UL setzte den eigenen Anspruch auf die Webadresse durch, der Reader selbst ist indes weiterhin online einsehbar. Hochhaus nennt das eine "gezielte Strategie", um Gegner einzuschüchtern. Sie würden rechtlich belangt, aber selten stehe die Kritik zur Debatte. So wolle "die finanzkräftige Sekte mit wirtschaftlichem Background Gegnern einen Maulkorb verpassen," mutmaßt der 27-Jährige. Und berichtet auch davon, dass im Vorfeld eines Voice-Benefiz-Konzertes "die Sekte den Versuch unternommen hat, es zu stören." Bands seien von UL in Briefen aufgefordert worden, den Auftritt abzusagen. Beeindrucken ließen sich indes weder die Musikgruppen, noch Hochhaus. Er will das UL nun "im Hauptsacheverfahren mit einer Vielzahl an Belegen" für die Voice-Recherchen "konfrontieren, die an der Rechtmäßigkeit des Titelblattes keinen Zweifel lassen werden".

Für UL-Rechtsanwalt Sailer will sich Hochhaus dabei nur "als Märtyrer aufspielen". Da er sich mehrfach mit "Lügenpropaganda" in die Öffentlichkeit gewagt habe, trage der 27-Jährige überdies selbst schuld an den hohen Prozesskosten. "Die Leute halten sich nicht an die Rechtsordnung und beklagen sich dann, dass sie Geld verlieren," sagt Sailer. Überdies wolle das UL Hochhaus nicht "mundtot machen". Er, Sailer, habe gehofft, die Sache finde endlich ein Ende. Nun aber unterstütze sogar Günter Wallraff das Voice-Magazin. Justiziar Sailer sagt, dass er den Autor "eigentlich sehr schätzt", es aber bedaure, dass er sich nun "vor den Karren des Herrn Hochhaus spannen" lasse. Der UL-Pressesprecher vermutet, Wallraff kenne die wahren Sachverhalte nicht und will ihm nun persönlich schreiben.

Der Autor und Journalist Wallraff hatte sich anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit zu Wort gemeldet: "Seit 18 Monaten", so der 61-Jährige, "wird ein kleines Magazin von einer Glaubensgemeinschaft mit Prozessen überzogen." Aber "anstatt sich nun der erforderlichen öffentlichen Diskussion zu stellen oder gar Selbstkritik zu üben, versucht die Sekte offenbar, das Magazin über kostenintensive Gerichtsverfahren mundtot zu machen." Der Kölner Autor ist einer der jüngsten Unterstützer der am 30. März gestarteten Kampagne Freedom of Speech, die sich dem Fall um das Voice-Magazin angenommen hat und Öffentlichkeit herstellen will.