Bloß keine perfekten Roboter

Menschen bevorzugen Maschinen, die ihre eigenen Schwächen nachahmen - aber das doch bitte möglichst perfekt

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Wenn dem ein oder anderen Roboterforscher bei seinem Vortrag auf der diesjährigen Konferenz zur Mensch-Roboter-Interaktion in Amsterdam mal ein Verlegenheitslaut entfleuchte, wenn, je nach Herkunft des Wissenschaftlers, ein „Etto“, „Well“ oder gar ein Stoibersches „Äh“ aus seiner Kehle kam, dann musste er sich dafür überhaupt nicht schämen. Denn er hatte zu einem der Konferenz-Topics beigetragen, der sich mit dem erwünschten Antwortverhalten von Robotern im Gespräch mit Menschen befasste. Eine dort vorgestellte Studie eines japanischen Forscherteams kam nämlich zu dem Schluss, dass uns Menschen gar zu prompte Antworten unserer maschinellen Diener nicht behagen - eine kurze Denkpause von einer Sekunde macht uns die Roboter sympathischer

Das ist für die Ingenieure eine gute Nachricht: Haben sie doch mehr Rechenzeit zur Verfügung, um die Antwort vom Robohirn formulieren zu lassen. Fällt jedoch die nötige Reaktionszeit gar zu lange aus, sollten die Maschinen besser unserer Gewohnheit folgen und die peinliche Pause mit Verlegenheitslauten füllen. Die Forscher ließen ihren Testkandidaten Robovie II dabei das japanische Wörtchen „etto“ ausstoßen, das "Sowohl" wie „Äh“ heißt. Dabei störte es die menschlichen Zuhörer auch nicht, wenn der Apparat den Verlegenheitslaut wiederholte. Mit aktiverem Pausenprogramm, das statt nur „Äh“ zum Beispiel „Moment, ich muss Ihre Frage prüfen“ verwendet, so meinen die Forscher, könnte man die überbrückbaren Pausen noch verlängern.

Robovie II

Doch warum soll uns die Maschine eigentlich sympathisch sein? Damit wir über ihre Unzulänglichkeiten hinwegsehen. Forscher haben bereits gezeigt, dass Besitzer von Haushaltsrobotern mit der Zeit eine Beziehung zu der Maschine entwickeln. Vier US-Wissenschaftler stellten in Amsterdam eine Studie vor, die ähnliche Erkenntnisse enthält. Familien mit Kindern zeigten sich mit ihrem Roomba-Staubsaugeroboter zum Beispiel am zufriedensten - aber nicht wegen der Reinigungsleistung, sondern wegen der sonstigen Fähigkeiten des Roomba, der etwa Babys als Vorkrabbler dient oder Haustiere in der Wohnung herumfährt.

Dazu passt, dass die meisten Anwender zwar seit dem Roboterkauf öfter als zuvor staubsaugen - dass sie aber zum großen Teil auch noch selbst zum guten alten Staubsauger greifen. Viele der Roomba-Besitzer passten sogar ihre Wohnung der Maschine an, fast 40 Prozent schrieben ihr ein Geschlecht zu, ein Viertel gab ihr einen Namen und ein Achtel sprach sogar mit ihr.

„Robot-Pull“ ist überlegen

Womit sollen sich Roboter überhaupt beschäftigen, abgesehen vom Staubsaugen? Befragt man unsereins, wie es Leila Takayama, Wendy Ju und Clifford Nass von der Stanford University getan haben, dann sollen sie sich bloß nicht als Künstler versuchen. Sehr gut vorstellen können sich die 250 Befragten Roboter in Jobs, die ein hervorragendes Gedächtnis, gute Beobachtungsfähigkeiten und Service-Orientierung voraussetzen. Fachkraft beim Burger-Brater etwa, Spielt es denn eine Rolle, wo der Mann von der Straße einen Roboter gern arbeiten sähe?

Die Forscher meinen: ja, weil Technologien einfacher nutzbar sind, wenn sie die Erwartungen der Menschen einbeziehen. Zudem war bei den Antworten entscheidend, ob der fiktive Robotereinsatz Menschen ersetzen oder ergänzen sollte: Austauschen lassen wir uns eben doch nicht gern. Interessantes Detail am Rande: für ihre Forschungsarbeit nutzten die Wissenschaftler Amazons "Mechanical Turk" - das Wissen über Roboter wurde also mit Hilfe einer computergesteuerten Menschen-Kompanie ausgebaut. Eine schlechte Nachricht für Telepolis-Autoren erbrachte die Studie ebenfalls: Aufgaben, für die naturwissenschaftliches Wissen erforderlich ist, lassen die Menschen lieber von Robotern erledigen als von ihresgleichen.

Ob sie auf Dauer damit durchkommen - die Science Fiction malt nicht umsonst andere Szenarien aus. Doch auch die Roboterforscher betrachten Menschen bereits als Ressourcen der Roboter. Tobias Kaupp und Alexei Makarenko von der University of Sydney zeigten in ihrem Vortrag, welche Vorteile dies mit sich bringt. Sie verglichen die Leistung eines rein vom Menschen ferngesteuerten Systems mit der eines autonomen Roboters, der die nötigen Informationen von seiner menschlichen Ressource abfragt. Natürlich erwies sich „Robot-Pull“ als überlegen.