Boko Haram in der Defensive

Truppen aus Nigeria, dem Tschad und dem Niger nehmen der Terrorgruppe Gebiete ab

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Seit ihr Anführer Abubakar Shekau am 7. März den Anschluss an das Kalifat der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) verkündete, befindet sich die nigerianischen Anti-Bildungs-Sekte Boko Haram in der Defensive. Die ersten Rückeroberungen von Ortschaften wurden von den nigerianischen Behörden noch am selben Tag gemeldet, was darauf hindeutet dass der Anschluss möglicherweise auch deshalb erfolgt sein könnte, weil die afrikanischen Salafisten militärisch ins Hintertreffen gerieten. Am 17. März verlor die Terrorgruppe die Stadt Bama und am 21. März Damasak, das an der Grenze zum Niger liegt. Inzwischen sollen Boko Haram alle Gebiete außerhalb des Kanuri-Bundesstaates Borno entrissen worden sein. Vorher hatte die Gruppe auch größere Areale in den Bundesstaaten Yobe und Adamawa gehalten.

Der Grund für die Entwicklung liegt offenbar nicht zuletzt darin, dass sich nun in großem Maßstab Truppen aus dem Tschad und dem Niger an den Kämpfen in Nordnigeria beteiligen, die wesentlich kampfstärker zu sein scheinen als die 100.000 Mann starke und mit jährlich zwei Milliarden Euro finanzierte nigerianische Armee, deren Soldaten häufig flohen, wenn Boko Haram anrückte. Damasak befreiten die Soldaten aus dem Tschad und dem Niger im Alleingang - die versprochenen nigerianischen Truppen kamen nicht. Dass die Truppen aus dem Tschad und dem Niger mittlerweile so direkt in Nigeria eingreifen, liegt auch daran, dass Boko Haram im Februar auch dort Ortschaften verwüstete.

Nigerianische Bundesstaaten. Karte: Domenico-de-ga aus der deutschsprachigen Wikipedia. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

In Damasak fanden die Soldaten aus dem Tschad nach der Befreiung unter einer Brücke etwa 100 Leichen - darunter die des Imams der Ortschaft. Sie waren von der Brücke geworfen worden. Einen Teil hatte man den Kopf ab-, einem anderen die Kehlen durchgeschnitten. Da die Leichen teilweise bereits ausgetrocknet waren, wird angenommen, dass die Opfer schon kurz nach der Einnahme der Stadt durch Boko Haram am 24. November 2014 geschlachtet wurden. In Bama richteten die Salafisten kurz vor der Befreiung noch etwa 70 Frauen hin, die sie während ihrer Herrschaft zwangsvereiratet hatten.

Dass das gesamte von Boko Haram beherrschte Gebiet vor den nigerianischen Wahlen am nächsten Wochenende zurückerobert wird, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Selbst Staatspräsident Goodluck Jonathan spricht gegenüber der BBC lediglich von einer Befreiung innerhalb eines Monats - und auch diese Ankündigung ist angesichts zahlreicher ähnlicher Versprechungen in der Vergangenheit mit großer Vorsicht zu genießen.

Ein Grund dafür ist, dass bei den Rückeroberungen bisher nur jeweils weniger Hundert Boko-Haram-Dschihadisten dauerhaft ausgeschaltet werden konnten. Die meisten flohen in das Restkalifat oder in den Busch - oder sie verstecken sich in der Zivilbevölkerung und warten möglicherweise nur darauf, erneut zuzuschlagen, wenn die Soldaten aus dem Tschad und dem Niger weitermarschiert sind.

Ob die nigerianische Armee alleine Boko Haram dauerhaft unter Kontrolle halten kann, hängt auch davon ab, wer das Land führt. Muhammadu Buhari, der moslemische Herausforderer des christlichen Präsidenten Goodluck Jonathan, hat am 28. März den Nachteil, dass ein beträchtlicher Teil der Gebiete, in denen er aus religiösen Gründen die Mehrheit bekäme, wegen der Kontrolle durch Boko Haram nicht gewählt werden kann. Das versucht der ehemalige Militärherrscher dadurch wettzumachen, dass er im Kampf gegen den Terror ein deutlich härteres Durchgreifen verspricht als Jonathan. Möglich ist ihm das, weil man dem moslemischen Fulbe nicht vorwerfen kann, er würde als Christ mit unangemessener Härte in den moslemischen Bundesstaaten des Nordens agieren.

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