Boom und Hunger

Grafik: US-National Snow and Ice Data Center

Die Energie- und Klimawochenschau: Während die Solarindustrie noch ein wenig mault und in Bonn über internationalen Klimaschutz verhandelt wird, fordert die Deutsche Bank zur Spekulation mit Lebensmitteln auf

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Die Kuh ist, wie berichtet, vom Eis: Die vom Wirtschaftsflügel der CDU angestrebte drastische Kürzung der Vergütung für Solarstrom wird es nicht geben. SPD und Union einigten sich auf eine jährliche Abnahme der Förderung, die zu verkraften sein müsste, da die Fotovoltaikanlagen immer billiger werden. Am Wochenende wird die neue Regelung im Bundestag verabschiedet.

Der Bundesverband der Solarindustrie bezeichnete den Kompromiss als "zwiespältig". Die Unternehmen würden unter harten Innovationsdruck gesetzt. Kritisiert wurde vor allem, dass Großanlagen auf Hallendächern oder ähnlichem künftig deutlich schlechter gestellt und damit "voraussichtlich nicht mehr rentabel zu betreiben" seien.

Die Vergütungssätze liegen für in diesem Jahr errichtete Anlagen je nach Größe und Standort zwischen 35,49 und 46,75 Cent pro Kilowattstunde und sind für 20 Jahre garantiert. Diese Sätze wurden bisher jährlich – relevant ist jeweils das Jahr der Inbetriebnahme – um fünf Prozent reduziert, nun sollen sie um acht bis zehn Prozent abgeschmolzen werden. Letzterer Betrag gilt für Großanlagen.

Die Zeitschrift Photon berichtet hingegen davon, dass der norwegische Solarkonzern REC ASA 2012 Solarzellen anbieten will, die Strom für fünf bis acht Cent pro Kilowattstunde erzeugen können. 2007 sei man bereits in der Lage gewesen, Solarstrom zu 15 Cent pro Kilowattstunde zu produzieren. Photon: "Die Rechnung (für 2012) gilt für einen Standort mit 1.800 Sonnenstunden im Jahr wie beispielsweise Südspanien, eine Kraftwerksgröße von einem Megawatt, eine Finanzierung über 25 Jahre mit konstant fünf Prozent Zinsen und eine Betriebsdauer von ebenfalls 25 Jahren."

Da fragt sich schon, ob nicht auch von Seiten der Solar-Lobby in den letzten Monaten etwas viel Geschrei gemacht wurde. Von dem Verlust von 30.000 Arbeitsplätzen war Anfang der letzten Woche die Rede. Das propagandistische Spiel mit dem Arbeitsplatz-Reflex der Gesellschaft ist also inzwischen kein Monopol der traditionellen Großindustrie mehr.

Die Diskussion um die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist allerdings noch nicht ganz abgeschlossen. Am Mittwoch wird es zusammen mit dem Kraft-Wärme-Kopplung-Gesetz und dem so genannten Wärme-EEG abschließend in den Bundestagsausschüssen beraten. Am Freitag wird dann im Bundestag abgestimmt, heißt es bei der Linksfraktion. Dort hat man vor allem Kritik am Wärme-EEG, mit dem die Förderung der Solarthermie festgeschrieben wird. Nach dem jetzigen Stand werde es fast ausschließlich eine Regelung für Neubauten geben, und das sei viel zu wenig.

Auch mit der Förderung für Fotovoltaik-Kleinstanlagen bis fünf Kilowatt Leistung ist man bei den Linken unzufrieden. Da die kleinen Solaranlagen im Förderrahmen unattraktiv geworden seien, meint ein Mitarbeiter der Linksfraktion gegenüber Telepolis, gehe ihr Anteil zurück. Damit sei auch die Beschäftigung im lokalen Handwerk in diesem Bereich deutlich rückläufig. Großanlagen würden sich eher rechnen, meinen die Linken im Gegensatz zum Solar-Lobbyverband.

Banger Blick gen Norden

Das scheint sich auch die die juwi-Gruppe gedacht zu haben. Nach einem Bericht des Bundesverbandes Solarenergie begann letzte Woche auf einem ehemaligen Flugplatz in Köthen, Sachsen-Anhalt, der Bau eines neuen Solarparks. Auf einer Fläche von 55 Hektar sollen Dünnschicht-Solarmodule der Firma First Solar mit einer Gesamtleistung von rund 15 Megawatt installiert werden. Die Bauherren rechnen mit einem Ertrag von über 13 Millionen Kilowattstunden oder 13.000 Megawattstunden (MWh). Das entspricht rund 240 MWh pro Hektar und Jahr, was das Sechsfache des maximal möglichen Ertrags von Agrarkraftstoffen wäre.

Der Lieferant der Solarzellen, First Solar, hatte nach eigenen Angaben mit 1,19 US-Dollar pro Watt (etwa 78 Euro-Cent pro Watt) im vierten Quartal 2007 die günstigsten Produktionskosten. Derzeit plant man die Verdoppelung der Fertigungskapazitäten auf ein Gigawatt pro Jahr. juwi baut im sächsischen Brandis bereits seit letztem Jahr an einer noch größeren Freilandanlage, wo nach Fertigstellung der letzten Ausbaustufe 2009 40 MW installiert sein sollen.

In der Arktis zieht sich derweil – der Jahreszeit entsprechend – das Meereis zurück. Die große Frage ist, ob in diesem Jahr eventuell der extreme Rückgang des Sommers 2007 wieder erreicht oder sogar unterboten wird. Seinerzeit waren erstmalig die Nord-West-Passage sowie weite Gebiete der Zentralarktis eisfrei gewesen. Wie berichtet (Auf dünnem Eis) machen sich Polarforscher Sorgen, weil ein großer Teil des Meereises nur noch aus dünnem einjährigen Eis besteht. Wie unten stehende Grafik zeigt, ist der Bedeckungsgrad inzwischen auf dem letztjährigen Niveau angekommen, während er im Winter meist darüber, wenn auch unterhalb des langjährigen Mittelwerts, gelegen hat.

Grafik: US-National Snow and Ice Data Center

Klimaverhandlungen

In Bonn, am Sitz der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC, hat eine 14-tägige Sitzung verschiedener hochkarätiger Arbeitsgruppen begonnen, die an einem Nachfolger für das Kyoto-Protokoll feilen. Etwa 1500 Journalisten sowie Delegierte der mehr als 160 Vertragsstaaten, Beobachter und Nichtregierungsorganisationen bevölkern noch bis Ende nächster Woche die Konferenzsäle in der alten Bundeshauptstadt. Im Dezember letzten Jahres hatte man sich auf der indonesischen Insel Bali auf einen Verhandlungsfahrplan geeinigt. In eineinhalb Jahren soll das neue Vertragswerk bereits auf einer UNFCCC-Konferenz verabschiedet werden. Tagungsort wird die dänische Hauptstadt Kopenhagen sein. Das Kyoto-Protokoll läuft 2012 aus.

NFCCC

Da nicht alle Staaten das Protokoll ratifiziert haben, wird in zwei unterschiedlichen Strängen verhandelt: Zum einen unter den Mitgliedern des Protokolls, zum anderen zwischen den Vertragsstaaten der Konvention. Ziel ist es, die Verhandlungen zusammenzuführen. Auf Bali war bereits beschlossen worden, dass für die Industriestaaten über eine Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen um 25 bis 40 Prozent gegenüber dem 1990er Niveau verhandelt werden soll. Als neues Zieljahr gilt 2020.

Ausreichen, um das Klima zu stabilisieren, wird das jedoch noch nicht. Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Fragen des Klimawandels (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) hatte erst letztes Jahr erneut festgestellt) (PDF), dass die globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 um insgesamt 50 Prozent reduziert werden müssen. Dafür müssten der Ausstoß in den meisten Industriestaaten aber um 80 bis 90 Prozent gesenkt werden. Außerdem muss der weitere Anstieg der Emissionen spätestens im nächsten Jahrzehnt angehalten und der globale Trend umgekehrt werden. Dazu wäre auch in den Entwicklungsländern ein rascher Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig. Einige wie Indien und China haben damit bereits begonnen.

Neben den Reduktionszielen wird es in Bonn auch um Fragen des Technologietransfers, des internationalen Emissionshandels und der so genannten Clean Development Mechanisms gehen. Hinter letzteren verbirgt sich eine Regelung, wonach Investoren aus den Industriestaaten in abgasvermindernde Technologien in Entwicklungsländern investieren können, um sich die vermiedenen Treibhausgase gutschreiben zu lassen. Diese Regelung ist wie auch der internationale Handel mit Verschmutzungsrechten höchst umstritten, weil ihr Beitrag zum Klimaschutz zweifelhaft ist.

Genauso umstritten sind Kraftstoffe aus Mais, Kartoffeln, Weizen und Zucker (Ethanol) sowie aus Raps, Sojabohnen, Jatropha und Palmöl (Diesel), die von vielen Staaten gefördert und von einigen als Mittel gegen den Treibhauseffekt gepriesen werden. Zumindest einige der Ausgangsstoffe sind allerdings für höhere Treibhausgasemissionen verantwortlich, als sie bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstünden. Zudem wird der Agrarsprit-Boom auch für die jüngste Krise in der Welternährung verantwortlich gemacht.

Geschäfte mit dem Hunger

Diese Frage wird mit Sicherheit auch auf einer hochrangigen Konferenz über die Sicherheit der Welternährung eine Rolle spielen, die vom heutigen Dienstag bis Donnerstag am Sitz der UN-Agrarorganisation FAO in Rom tagt. 850 Millionen Menschen, so schätzt die FAO, leiden an Hunger. 820 Millionen davon würden in Entwicklungsländern leben, und zwar in den gleichen Staaten, die auch vom Klimawandel am härtesten betroffen würden. Die FAO ist insbesondere alarmiert wegen des starken Anstiegs der Preise für die meisten Grundnahrungsmittel (siehe Grafik).

Monatlicher Preisindex für Grundnahrungsmittel (Grafik groß ). Der Durchschnitt der Jahre 1998 bis 2000 entspricht 100. Die Nahrungsmittel im einzelnen (von links nach rechts): Fleisch, Milchprodukte, Getreide, Speiseöle, Zucker. Grafik: FAO

Die FAO spricht in einem Dokument zur Vorbereitung der Konferenz davon, dass die Märkte zwar in den meisten Fällen sehr kurzfristig auf die erhöhte Nachfrage reagiert hätten und das Angebot ausgeweitet wurde. Mehr Mais und Zucker habe bereits zu einem Rückgang der Preise geführt. Die Getreideproduktion werde in diesem Jahr voraussichtlich um 2,6 Prozent wachsen und sich damit mit 2,164 Milliarden Tonnen auf Rekordniveau bewegen. (Das wären für jeden Erdenbürger pro Tag etwa 900 Gramm, was zeigt, dass das Problem nicht unbedingt der Mangel, sondern die Verteilung ist.)

Dennoch geht die FAO davon aus, dass das Preisniveau unter anderem wegen leergefegter Lager auch in den nächsten Jahren hoch bleiben wird. Weitere scharfe Preisanstiege aufgrund unvorhergesehener Ereignisse seien nicht auszuschließen.

Die Deutsche Bank haben diese Aussichten Ende Mai dazu verleitet, öffentlich für die Spekulation mit "Agrarrohstoffen" zu werben, wie die globalisierungskritische Organisation ATTAC berichtet. Um Sparer für die Zeichnung des "Agriculture Euro Fonds" zu gewinnen, heißt es in einem Werbefaltblatt der Bank unter anderem:

Folgende Faktoren sprechen für eine Wertsteigerung der Agrarrohstoffe:

- Signifikant steigende Weltbevölkerung (...)

- Veränderung der Ernährungsgewohnheiten in den "Erging Markets" (...)

- Weltweit erhöhte Nachfrage nach Agrarrohstoffen bei der Produktion von Treibstoffen: Erhöhung der Bioethanolproduktion in den USA in den nächsten drei Jahren um 50% (...)

- Begrenztes Angebot der landwirtschaftlichen Nutzflächen und derene Ertrags (...)

- Historisch niedrige Lagerbestände (...).

Deutsche-Bank-Fondswerbung

Keinerlei Zweifel daran, dass hier tatsächlich mit dem Hunger spekuliert werden soll, lässt die Zusammensetzung des Fonds: Mais, Zucker, Weizen und Sojabohnen machen bisher je 20 Prozent der Gewichtung aus. Der Rest verteilt sich auf Baumwolle, Kakao und Kaffee (je 6,6 Prozent). Mit der Tatsache, dass diese "Investitionen" die Preise weiter in die Höhe treiben werden, scheint bei der Bank niemand Probleme zu haben.

Agrarfondswerbung der Deutschen Bank (groß )

Brötchentüten in Frankfurt/Main mit Bank-Werbung für den "Agriculture Euro Fonds". Nach dem ATTAC auf diese anrüchige PR-Aktion aufmerksam gemacht hatte, wurden die Tüten eiligst eingezogen. Soviel Werbung war den Bankern dann offensichtlich doch nicht geheuer.