Bringt ein Uni-Examen 2,3 Millionen Euro?

Trügerische Hoffnungen auf die "Bildungsprämie"

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Frohen Mutes können die rund zweieinhalb Millionen Studierende an den Hochschulen der Bundesrepublik in ihre Zukunft schauen: "Ein Uni-Examen bringt 2,3, der Abschluss an einer Fachhochschule 2,0 Millionen Euro" - als Gehaltssumme im Laufe des Berufslebens. So war es in den Zeitungen zu lesen.

Den Berichten liegt eine neue Studie aus dem (der Bundesagentur für Arbeit angeschlossenen) Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zugrunde, unter dem Titel Lebensverdienste nach Qualifikationen. Bildung lohnt sich ein Leben lang. Es handelt sich dabei um die Auswertung einer Stichprobe, mit Daten aus dem Zeitraum 2008 bis 2010, bis dahin laufende Arbeitsbiographien auswertend. Und um Angaben über statistische Durchschnittswerte, was seine Tücken hat.

Immerhin - deutlich wird so, wie eng der Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsniveau und der Einkommenshierarchie im Arbeitsmarkt der Bundesrepublik traditionell ist; Facharbeiter haben durchschnittlich eine Million weniger Lebensverdienst, obwohl sie früher in ihre Jobs einsteigen. Und nach wie vor ist die "Bildungsprämie" beim weiblichen Geschlecht geringer.

Überraschend sind diese Mitteilungen nicht. Verblüffend aber, wie in ihrer medialen Verwertung aus einer historischen Momentaufnahme eine verheißungsvolle Botschaft für die Zukunft wird: "Studieren bringt gutes Einkommen" war der Tenor in der Berichterstattung, zur Besorgnis angesichts der "Akademikerschwemme" bestehe kein Grund. Selbst die F.A.Z. mochte da trotz einiger Bedenken nicht ausscheren - "So reich macht das Studium wirklich" titelte sie. (faz vom 8./9.Februar 2014, Beruf und Chance ).

Die Wissenschaftler im IAB sind nicht schuldlos an der irreführenden Rezeption ihrer Daten, in der Überschrift zu ihrer Studie fehlt das Wörtchen "bisher", und so wird das trügerische Gefühl genährt, die akademisch Ausgebildeten könnten weiterhin und auf lange Sicht mit ihren 2,3 Millionen Euro rechnen. Dagegen sprechen folgende Trends:

  • Der durchschnittlich hohe Lebensverdienst von Arbeitnehmern mit Hochschulabschluss in der Vergangenheit hing nicht zuletzt zusammen mit Dauerbeschäftigung und Vollzeitarbeit; inzwischen breiten sich auch in diesem Sektor des Arbeitsmarktes "prekäre" Beschäftigung, Fristarbeit und Teilzeitarbeit aus.
  • Die Expansion akademischer Abschlüsse erweitert das Angebot an Arbeitskräften mit dieser Qualifikation; das wirkt negativ auf Lohn-oder Gehaltsansprüche.
  • Die Privatisierung früher öffentlicher Aufgaben bricht das Lohngefüge bei solchen Dienstleistungen auf und wirkt zum erheblichen Teil einkommensmindernd.
  • Gerade in wirtschaftlich ergiebigen Branchen wird ständig mehr menschliche Arbeit durch "Maschinen" oder technische Systeme abgelöst - das betrifft auch Arbeitsplätze mit Hochschulqualifikation.

All das bedeutet: Zweifellos bringt akademische Ausbildung in der Regel weiterhin Konkurrenzvorteile im Arbeitsmarkt, aber bei der "Bildungsprämie" bleibt nichts, wie es war. Zynisch formuliert: Wer jetzt eine Hochschule besucht und die Botschaft "So reich macht das Studium" eingelöst haben möchte, sollte sich am besten nach dem Examen die 2,3 Millionen Euro gleich auszahlen lassen.