CSU-Bildungskalkül: G8 plus G9?

Bayern: Ein Volksentscheid mit möglicher Mehrheit gegen das achtährige Gymnasium droht. Laut Medienberichten plant die Staatsregierung eine rechtzeitige Wende ihrer Bildungspolitik

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Rudert die bayerische Staatsregierung zurück, können Gymnasiasten im Freistaat wieder darauf zählen, dass sie, wenn sie dies wollen, neun Jahre lang Zeit haben bis zur Abiturprüfung, dass die Stundenpläne entzerrt werden?

Sicher ist, dass die Gegner des G8 großes politisches Gewicht bekommen haben. Der bayerische Ministerpräsident Seehofer, stets darauf bedacht, keinen unpopulären Kurs zu fahren ("Koalition mit der Bevölkerung"), hält seine Nase im Wind. Ins Innenministerium sind die erforderlichen 25.000 Unterschriften für ein Volksbegehren zur Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 geflattert. Die Klagen der Eltern und Schüler und Lehrer sind unüberhörbar, sie werden seit längerer Zeit viel publiziert, die Kritik am G8 überwiegt in der öffentlichen Meinung.

Die Frage, die sich 2010 stellte, als der damalige Ministerpräsident Stoiber, nach Auffassung vieler, ein übereiltes Konzept durchsetzte - "Acht Jahre Gymnasium - wie geht das?" wird mittlerweile tendenziell mit "gar nicht" oder "jedenfalls nicht so" beantwortet. 62 Prozent würden laut Umfrage das von ihnen initiierte Volksbegehren unterstützen, verkünden die Freien Wähler auf der Website zum Volksbegehren und behaupten, dass "eine Mehrheit für die Wahlfreiheit zwischen G9 und G8 ist".

Wird Seehofers Regierung wieder rechtzeitig die Seiten wechseln?

Wird Seehofers Regierung dem drohenden Volksentscheid mit einer Mehrheit gegen ihr bisher proklamiertes Festhalten am G9 zuvorkommen und - wie im Fall des Entscheids über die Studiengebühren - rechtzeitig die Seiten wechseln? Stimmen die Informationen der Süddeutschen Zeitung, so sind hinter den Kulissen Überlegungen der Regierung zu hören, "wie sich das Turbo-Abi wieder abschaffen lässt".

Konkret wird eine ungenannte Quellen aus dem Kabinett mit der Aussage zitiert, wonach die Debatte über das Volksbegehren "nicht juristisch" geführt werde", was darauf hindeutet, dass derzeit nicht erwogen wird, die Sache vor den bayerischen Verfassungsgerichtshof zu bringen, womit man im Fall des Volksbegehrens gegen die Studiengebühren keinen Erfolg hatte. Übersetzt wird die o.g. Aussage von der SZ damit, dass die Regierung keine Möglichkeit sehe, "das Volksbegehren zu stoppen". Zum anderen zitiert die Zeitung die vage Aussage aus dem Kabinett, dass "alle Szenarien möglich" seien.

Spaenle: "Alles Spekulation", aber: "Acht Jahre und neun Jahre für alle sind pädagogisch überholt"

Dazu im bayerischen Rundfunk befragt bezeichnete Kultusminister Ludwig Spaenle den Zeitungsbericht erwartungsgemäß als reine "Spekulation", an der er sich nicht beteiligen wolle, gab aber trotzdem zu verstehen, dass er sowohl die Festlegung auf acht Jahre Gymnasium für alle wie auch auf neun Jahre für alle für "pädadagogisch überholt" halte. Gegen diese "ideologischen Festlegungen" habe man ja bereits Möglichkeiten geschaffen. Gemeint ist das Flexijahr (siehe Individuelle Lernzeit). Das ist jedoch nicht sonderlich beliebt).

Der Verweis auf das Flexijahr ist sehr wahrscheinlich nicht das letzte Wort der Regierung. Man stellt sich als offen dar, so die Taktik. Der Druck auf die Regierung wird auch dadurch größer, dass sich nun Seiten langsam zusammenfinden, die bislang getrennte Wege gegangen sind, die Parteien, die Freien Wähler, SPD und Grüne und der mächtige baeyrische Philologenverband, dessen Vorsitzender Max Schmidt betont, dass der Verband "eine längere Reifezeit für Schülerinnen und Schüler als wichtig erachtet". Das ist eine Basis, auf der sich die Gegner des G8 treffen.

Opposition einigt sich

Der Lehrerverband soll angeblich bereits an einem Konzept für ein modernes G 9 arbeiten, hieß es Ende Januar. Die Opposition würde eine Zusammenarbeit begrüßen, berichtet die SZ heute in ihrem Artikel über die Wende der bayerischen Bildungspolitik.

Auf dem Pausenhof eines Gymnasiums im Süden war heute auch Skepsis zu hören. Ein völliges Zurück zum G9 hält man für unwahrscheinlich allein wegen der Kosten und welches Gymnasium könne es sich leisten, beide Schulwege, G8 plus G9, in größerem Stil, als es das Flexijahr vorsieht, anzubieten? Ein neuer Fall von Seehofers Maoam-Politik? Will er G9? Nein. Will er G8? Nein. Will er alles so lassen? Wenn das Volksbegehren gefährlich wird, auf keinen Fall, nein. Was will er dann? Die Frage bleibt offen.

Update: "Ich sag nix", sagte Seehofer heute mittag auf die G9-Frage. Es gebe überhaupt nichts Neues.