CSU lässt unterfränkischen Uhl fallen

Statt Norbert Geis kandidiert im Wahlkreis Aschaffenburg 2013 eine Scheidungsanwältin

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In der Telepolis-Umfrage, welche Politiker man (analog zum Bad-Bank-Modell) in eine "Bad Party" ausgliedern sollte, liegt Norbert Geis derzeit auf Platz elf. Jetzt hat die CSU, die aktuelle politische Heimat des 73-jährigen Abgeordneten, für die nächste Bundestagswahl statt seiner die Rechtsanwältin Andrea Lindholz als Direktkandidatin für den Wahlkreis Aschaffenburg nominiert. Für den exponierten Katholiken besonders bitter: Die 42-Jährige hat sich auf Scheidungsfälle spezialisiert.

Im ersten Wahlgang waren sogar drei Bewerber angetreten, die eine erneute Kandidatur des Feindstrafrecht-Fans verhindern wollten. Lindholz setzte sich schließlich in einer Stichwahl mit 87 zu 71 Delegiertenstimmen gegen ihn durch. Der Bundestagswahlkreis Aschaffenburg gilt als sichere CSU-Domäne: 2009 erhielt sie dort mit 42,8 Prozent die relative Erststimmenmehrheit. Die Direktkandidaten von SPD und Grünen kamen damals auf 19,1 und 17,2 Prozent. Dass Geis über die CSU-Liste in den Bundestag einzieht, ist insofern sehr unwahrscheinlich, als die Partei regelmäßig mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach Zweitstimmen zustehen.

Norbert Geis. Foto: Uli Schwab. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

In Teilen der Union freut man sich bemerkenswert offen darüber, dass die seiner Partei offenbar peinlich gewordene Altlast zukünftig nicht mehr im Bundestag und im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sitzen wird. Der homosexuelle CDU-Politiker Ronny Pohle kommentierte das Wahlergebnis beispielsweise mit der Facebook-Meldung: "Ein Hetzer weniger im Bundestag". Geis hatte vor zehn Jahren auf seiner Bundestags-Website verkündet, Homosexualität sei eine "Perversion" und die staatliche Förderung von homosexueller Monogamie widerspreche den "Prinzipien der drei großen Religionen".

Durch solche Ansichten fand sich der Junge-Freiheit-Kolumnist in der von Horst Seehofer modernisierten CSU immer stärker in einer Minderheitenposition wieder. Dies zeigte sich beispielsweise Anfang des Jahres, als Geis den von der CSU mit nominierten und in ständigem Ehebruch lebenden Bundespräsidenten Joachim Gauck öffentlich aufforderte, vor einem Amtsantritt seine "Verhältnisse zu ordnen". Mit dem Bundesverfassungsgericht war er bereits 2002 über Kreuz geraten, als die Karlsruher Richter feststellten, dass eine Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben nicht gegen das Grundgesetz verstößt.

Im Mai dieses Jahres handelte sich der gelernte Jurist zwei Strafanzeigen ein, als er in einer Fernsehtalkshow die Verantwortung für die großen Staatsverbrechen des 20. Jahrhunderts den "Gottlosen" zuschob und Atheisten als "Tätervolk" bezeichnete. Auch die Tatsache, dass der Kreationismus-Unterricht-Unterstützer "aus Versehen" seinen Präsidentenposten in einer Opus Dei nahestehenden Stiftung nicht als Nebentätigkeit meldete, trug nicht zur Verbesserung seiner Position bei.

Angesichts der immer stärker zutage tretenden Kritik diagnostizierte Geis in den letzten Jahren ein zunehmend redefreiheitsfeindliches Klima. Dass diese Klage bei Freunden der freien Meinungsäußerung auf wenig Widerhall stieß, lag möglicherweise auch daran, dass er sich in seinem Vierteljahrhundert im Bundestag als einer der eifrigsten Zensurforderer profiliert hatte, der unter anderem Madonna-Konzerte verbieten wollte.

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