Chinas Automobilindustrie erobert den Export

Nach der Absatzexplosion bei E-Mobilen in China folgt jetzt die Markteroberung in Südostasien und Europa. Deutsche Zulieferer profitieren vom Fertigungsboom in Asien.

Die Stärke der chinesischen Automobilhersteller könnte das Ende ihrer europäischen Konkurrenten sein. Carlos Tavares, Vorstandsvorsitzender des aus Steuergründen in den Niederlanden angesiedelten Automobilkonzerns Stellantis, strahlt da wenig Zuversicht aus.

Im Automobil-Darwinismus überleben: "Mehr arbeiten!"

Stellantis mit den Marken Peugeot, Citroën, Fiat, Opel und Chrysler zählt zu den größten europäischen Automobilkonzernen. Beim Car Symposium in Bochum sprach Tavares vom anstehenden Darwinismus in der Automobilindustrie und forderte die Beschäftigten auf, mehr zu arbeiten.

Die Produktivität auch bei Opel müsse dringend gesteigert werden. Zölle seien keine Lösung zum Schutz vor den innovativen chinesischen Konzernen, weil dadurch die Preise nur noch weiter steigen würden. Dies würde die Inflation weiter anheizen und letztlich in Europa zu sozialen Unruhen führen.

Es bestehe das große Risiko, dass die Bedeutung der Industrieproduktion für Europas Wirtschaftsleistung weiter abnehme und dem Kontinent nur noch die Rolle als Tourismusziel bliebe. "In zehn Jahren werden wir chinesische und amerikanische Touristen in Europa mit Kaffee bedienen", prognostiziert Tavares.

Die deutsche und europäische Automobilindustrie hat das Tempo der technischen Entwicklung hin zur Elektromobilität in der Volksrepublik China offensichtlich völlig falsch eingeschätzt. Das kann man auch den Worten von Markus Duesmann, dem Chef des Automobilherstellers Audi und Mitglied des Volkswagen-Konzernvorstands entnehmen, den Die Welt mit den Worten zitiert:

Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass uns China bei dem Thema nicht überholt. China bewegt sich mit größter Geschwindigkeit und hat auch Nachhaltigkeit für sich entdeckt. Wir haben immer gedacht, dass die Entwicklung der Elektromobilität in China langsam verlaufen würde. Jetzt werden aber möglicherweise bereits 2025 über 50 Prozent der neu verkauften Pkw in den kleineren Fahrzeugsegmenten vollelektrisch sein und 2026 im Premiumsegment.

China hat seine Wirtschaft konsequent aufgebaut

Wie konsequent China Märkte entwickelt und dann auch besetzt, hat man hierzulande lange Zeit nicht sehen wollen. Smartphones, PV-Anlagen, aber auch Medikamentengrundstoffe sind inzwischen fest in chinesischer Hand und jetzt steht die Automobilbranche vor der Übernahme. China hat konsequent auf die Entwicklung des Binnenmarktes gesetzt und geht jetzt in den Export, ohne davon abhängig zu sein.

Während die Anfänge der chinesischen Industrialisierung stark exportgetrieben waren und man sich als sogenannte verlängerte Werkbank bei niedrigen Lohnkosten am westlichen Vorbild in modernen Fertigungstechniken ausprobieren konnte, ist inzwischen der chinesische Binnenmarkt der Haupttreiber.

Die Abhängigkeit der chinesischen Wirtschaft vom Export beträgt noch 20 Prozent, während Deutschland zu 40 Prozent exportabhängig ist. Aufbauend auf einer starken Binnennachfrage einer Bevölkerung, die sich vom Fahrrad emanzipiert hat und getriggert von einer gewaltigen Luftverschmutzung hat China die Elektromobilität vorangetrieben.

Inzwischen erhofft man sich nicht zuletzt durch die Adaption europäischen Fahrzeugdesigns auch Erfolge im Export nach Europa und der Fertigung in Südostasien. Im indischen Markt hat man bisher keinen Erfolg und reiht sich damit in eine Folge von Misserfolgen praktisch aller ausländischen Hersteller in diesem durch Zahl der potenziellen Kunden so vielversprechenden Markt.

In Thailand und Singapur, wo die Wirtschaft maßgeblich in der Hand von chinesischen Zuwanderern der zweiten und dritten Generation ist, sieht man inzwischen bessere Expansionschancen. Wobei Thailand hauptsächlich als Fertigungsstandort genutzt wird und Singapur als Schiene, die auch dann für eine Vermarktung genutzt werden kann, wenn der westliche Druck auf China steigt.

So arbeitet die chinesische Black Sesame Technologies inzwischen mit einem Stützpunkt in Singapur an der Vermarktung ihrer Technik für autonome Fahrzeuge. Die Technik von Black Sesame Technologies hat zuletzt dem Automobilzulieferer Bosch so viel Respekt abgenötigt, dass sich der schwäbische Konzern über seine Tochter Boyuan Capital bei den chinesischen Chipentwicklern engagierte.

Bei der Elektronik, die bislang oft von Konzernen unter US-amerikanischem Einfluss bezogen wurden, welchen die Lieferungen von den US-Regierungen inzwischen untersagt wurden, wird China immer selbstständiger. Das sieht man aktuell in der Automobilindustrie.

Mit dem Funky Cat kam Anfang des Jahres ein mit Elektronik und selbstlernender Spracherkennung vollgestopfter elektrischer Lifestyle-Kleinwagen der jungen chinesischen Marke Ora auf den europäischen Markt.

Ora Funky Cat. Bild: Alexander-93 / CC-BY-SA-4.0

Der Kleinwagen gehört zum in Deutschland noch weitestgehend unbekannten chinesischen Automobilhersteller Great Wall Motors (GWM). Dass das knuffige Fahrzeug durchaus Anmutungen hat, die je nach Blickwinkel an den urdeutschen Käfer erinnern, dürfte hierzulande kein Nachteil sein.

Mit dem kompakten Funky Cat besetzt die Marke Ora einen Markt, den deutsche Hersteller wie Mercedes gerade aufgeben wollen. Den Vorsprung von GWM hat sich inzwischen auch BMW gesichert, deren elektrischer Mini der nächsten Generation auf der Bodengruppe des neuen Ora aufbaut.