Chinas Demütigung und sein Aufstieg

Die Decke der "Großen Halle des Volkes" in Beijing. Foto: Forezt / CC BY-SA 2.5

Wer die Aktivitäten der chinesischen Regierung verstehen will, muss auf zwei Jahrhunderte zurückblicken. Das Land hat für den Stolz der Kaiserzeit einen hohen Preis bezahlt.

Bis heute resultiert aus den Erfahrungen Chinas mit dem Westen, einschließlich des westlichen Vorpostens Japan, eine gehörige Portion Zorn und der unbändige Wille, nie mehr in eine vergleichbare Situation zu kommen.

Objektiv gesehen lag eine der Ursachen der damaligen Schwäche in einer Fehleinschätzung der mit der aufkommenden Industrialisierung verbundenen technischen Innovationen. Das Reich der Mitte glänzte durch zahlreiche Erfindungen. Porzellan heißt im Englischen bis heute Bone China.

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hatte China unter der mandschurischen Qing-Dynastie seinen Rang als erste Großmacht Asiens behaupten können. Nach dem Tod von Kaiser Qianlong im Jahre 1799 häuften sich jedoch die Probleme. Mit seinen Feldzügen hatte er die Finanzen des Reichs erschöpft. Die massive Ausweitung der landwirtschaftlich genutzten Fläche, um die wachsende Bevölkerung ernähren zu können, führte zu ökologischem Raubbau.

Überschwemmungskatastrophen auf der einen Seite und Dürren auf der anderen führten zu Hungersnöten, welche die Beamtenschaft überforderten. Da traf es sich, dass die britische East India Company einen Absatzmarkt für ihr wichtigstes Produkt aus Indien suchte: Opium. Ohne Aussicht auf eine Besserung ihrer Lage bot Opium der chinesischen Bevölkerung zumindest vordergründig eine Lösung.

Das chinesische Kaiserreich war der Flut des in den 1830er-Jahren aus Britisch-Indien angelandeten Opiums nicht gewachsen. Millionen wurden süchtig und jeder Versuch, das Opium vom Lande fernzuhalten, wurde von der Royal Navy gebrochen.

Als der Kaiser in Peking den Handel mit der Droge verbat, weil sie das Volk in die Sucht stürzte, begann im Jahr 1839 der erste Opiumkrieg, der mit einer krachenden Niederlage für den Kaiser endete. Die britische Marine öffnet mit militärischer Gewalt das Kaiserreich für westliche Investoren und diktierte ihm einen demütigenden Vertrag, der Chinas Weltbild und die Gesundheit seiner Bewohner nachhaltig erschütterte.

Die Demütigung durch den Westen prägt China bis heute

Nachdem China den Übergang zum Industriekapitalismus verpasst hatte, stand das Land ab dem 19. Jahrhundert unter dem Joch der europäischen Seemächte. Viele Jahre der Opium-Kriege und die Konflikte mit Japan brachten nichts als Demütigungen. Diese Geschichte ist es, die China nicht wiederholen will. Das nachweislich größte Verbrechen der westlichen Kolonialmächte war die rachedurstige Niederschlagung des Boxer-Aufstands im Jahr 1900.

Als koloniale Stützpunkte, auch als Konzessionen bezeichnet, gründeten die Briten Hongkong, die Franzosen Shanghai, die Deutschen Qingdao und die Russen Dalian. Dort waren die Chinesen nur Bürger zweiter Klasse in dem Land, das zuvor ihr eigenes war.

Die erzwungenen Pachtverträge hatte nach deutschem Vorbild eine Laufzeit von 99 Jahre. Nur die Briten konnten sich bis zum Ende der von der Volksrepublik China nicht anerkannten Verträge in Hongkong halten.

Auch wenn heute gern über die britische Zeit berichtet wird, als wäre Hongkong vor der Rückgabe an China ein Hort der Demokratie gewesen, gab es erste Schritte Richtung Demokratie erst, als der damalige britische Gouverneur Chris Patten die Rückgabe der Kronkolonie im Jahre 1997 an China vorbereitete.

Japanische Gewaltorgie in China

Das japanische Inselreich, das sogar seine Schrift vom großen Nachbarn gelernt hatte und über lange Zeit dem Reich der Mitte gegenüber tributpflichtig war, suchte im Streit um Korea 1894 die militärische Auseinandersetzung mit China. Japan gewann nicht zuletzt aufgrund seiner modernen Flotte den sogenannten Ersten japanisch-chinesischen Krieg.

Von 1937 bis 1945 folgte dann der im Westen weitgehend vergessene Zweite japanisch-chinesische Krieg. Nach der Invasion Japans in Nordostchina im Jahr 1931 bricht der Krieg im Jahr 1937 mit voller Wucht zwischen Japans Armee auf der einen Seite sowie den chinesischen Nationalisten und den Kommunisten auf der anderen Seite aus. Vier Jahre lang kämpft China allein gegen eine moderne Armee, der es gelungen war, in nur drei Monaten das rivalisierende Reich zu erobern.

Die von den japanischen Besatzern nach der Eroberung der damaligen chinesischen Hauptstadt Nangking am 13. Dezember 1937 verübten Massaker, sind im Bewusstsein Chinas bis heute in böser Erinnerung. Zwischen Dezember 1937 und Januar 1938 schlachteten die Japaner 300.000 Menschen ab, vergewaltigten 20.000 Frauen. Auf politischer Ebene wird zwischen China und Japan bis heute um die Zahl der Opfer gestritten.

Chinas Adaption der westlichen Industrialisierung

Alle Versuche der chinesischen Regierung, die Entwicklung des Landes aus eigener Kraft sicher sicherzustellen, waren in den 1960er-Jahren ziemlich offensichtlich gescheitert. Die Versorgung der Bevölkerung mit Getreide scheiterte am Hunger der Sperlinge und die Ausrottung der Vögel führte zur Vermehrung der Heuschrecken, die ebenfalls die Felder leer fraßen.

Erste Versuche, mit dem Westen wieder Kontakt aufzunehmen, liefen beispielsweise über Thailand. Mit dem südostasiatischen Königreich, das im Indochinakrieg nicht besetzt worden war und als Ressort für US-Soldaten diente, entwickelte China diplomatische Beziehungen, welche im Westen weitgehend unbekannt blieben.

Sang Phathanothai, ein Berater des damaligen thailändischen Premierministers Plaek Phibunsongkram, schickte seine Tochter Sirin und ihren Bruder nach Beijing, wo sie im Haushalt des damaligen Premiers Zhou Enlai als ″menschliche Brücke″ oder als Geiseln für ein Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Regierungen sorgten. In ihrer Autobiografie ″The Dragon's Pearl″ hat Sirin Phathanothai diese Zeit eindrücklich beschrieben.

Aus ersten vorsichtigen Kontakten der chinesischen Regierung folgte in den 1970er-Jahren eine begrenzte wirtschaftliche Öffnung des damals im Westen noch als Rotchina bezeichneten Landes.

Egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse.

Dieser dem am 19. Februar 1997 verstorbenen Deng Xiaoping zugeschriebene Satz erläutert den Wandel der chinesischen Politik wohl am besten. Mit einer ausgeprägten Lernfähigkeit hat inzwischen wieder an die früheren Erfolge der chinesischen Kultur anknüpft und bislang gleichzeitig Auswüchse verhindert, die anderenorts für schwerere Verwerfungen gesorgt haben. China will bis heute vom Westen lernen, ohne die eigene Identität aufzugeben.

Zudem will man keinesfalls wieder in eine Situation kommen, wo man so angreifbar wird wie zu Ende des Kaiserreichs. Aus der verlängerten Werkbank des Westens wurde ein erfolgreicher Part der Globalisierung. Jeder Versuch des Westens, China wirtschaftlich und politisch einzudämmen, ist vor dem Hintergrund der jüngeren chinesischen Geschichte zum Scheitern verurteilt.

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