Chinesische Regierung verbietet den Empfang ausländischer Fernsehsender

Nervosität vor dem 10. Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz?

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Ein Mann stellte sich den Panzern am 4. Juni auf dem Tiananmen-Platz entgegen

Eigentlich ist in China der Empfang von ausländischen Fernsehsendern über Satelliten noch immer verboten. Ein dementsprechendes Gesetz trat schon 1993 in Kraft, wurde aber lange Zeit nicht beachtet. Doch ebenso wie die chinesische Regierung beim Internet versucht, die vorwiegend natürlich wirtschaftlich motivierte Öffnung zur Welt durch Filter oder Strafen unter Kontrolle zu halten, scheint zumindest jetzt auch das Fernsehen wieder in das Zensurauge gefallen zu sein, nachdem viele Kabelanbieter bislang ohne Probleme Programme von ausländischen Sendern wie ESPN (Disney), MTV (Viacom) oder Phoenix Chinese Channel (News Corporation), der angeblich von 45 Millionen Haushalten empfangen wird, eingespeist hatten und die Menschen über Schüsseln Satellitenprogramme sehen konnten.

In Zeitungen wurde vor kurzem nicht nur wieder das Gesetz von 1993 veröffentlicht, das Kabelanbietern verbietet, Programme von ausländischen Satellitensendern einzuspeisen, sondern letzte Woche beschlagnahmte die Polizei auch gleich Satellitenschüsseln und Decoder. Werbewirksam und abschreckend wurde dies auch gleich im staatlichen Fernsehen gezeigt, während eine Hotline eingerichtet wurde, mit der die Bürger verbotene Übertragungen von Sendungen melden sollen. Zuwiderhandlungen können mit Geld-, aber auch mit Gefängnisstrafen geahndet werden. Nur in Hotels ab drei Sternen oder Wohnanlagen von Ausländern dürfen die "gefährlichen" Programme noch gesehen werden.

Anscheinend wird die chinesische Regierung mit dem nahenden symbolischen Datum des 4. Juni, als vor 10 Jahren die Proteste auf dem Tiananmen-Platz blutig niedergeschlagen wurden, immer nervöser. Streitkräfte und Sondereinheiten werden in Peking stationiert. In Hong Kong wird an jedem Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Opfer gedacht, und chinesische Oppositionelle wollen nicht nur eine Kundgebung durchführen und haben im Web eine Petition an die chinesische Regierung veröffentlicht, sondern wollen auch ins Festland einreisen.

Vielleicht also ist die Abschottung nur vorübergehend, um die Bürger daran zu hindern, unliebsame Nachrichten über die Proteste vor 10 Jahren und die möglicherweise kommenden Konflikte zu erhalten. Möglicherweise aber gerät das chinesische Fernsehen selbst unter Druck durch die ausländischen Programme. Phoenix beispielsweise, das mit zum Medienimperium News Corporation von Rubert Murdoch gehört, der am Sender einen Anteil von 45 Prozent hält, bietet nicht nur Nachrichten in Mandarin an, sondern auch westliche Unterhaltungssendungen, die wahrscheinlich attraktiver als die zumeist langweiligen und patriotischen Angebote des staatlichen Fernsehens sind. Andere Spekulationen gehen dahin, daß die chinesische Regierung der Empfang von taiwanesischen Satellitenprogrammen stört.

Um die Menschen zu beeindrucken, hat man möglicherweise gleich noch eine Nachricht über die Gefahren des Fernsehens nachgeschoben. Zumindest hat China Daily am 8.5. termingerecht einen Artikel über die Gefahren der Umweltbelastung durch die wachsende Menge an elektromagnetischen Wellen veröffentlicht, die auch von Radio und Fernsehen ausgehen. Nach einem Bericht der staatlichen Umweltbehörde (Sepa) habe die schnelle Zunahme von drahtloser Kommunikation, Hochspannungsleitungen und elektronischen Produkten die Menschen einer so großen Menge an elektromagnetischen Wellen ausgesetzt, daß gesetzliche Vorschriften nötig seien, um mögliche Gesundheitsschäden zu vermeiden: "Der Gebrauch von elektronischen Geräten wie Mikrowellenöfen, PCs und Mobiltelefonen verbreitet sich im ganzen Land, während in ganz in China mehr und mehr Fernseh- und Radiostationen sowie Hochspannungsleitungen errichtet werden." Gegenwärtig gebe es in China 10235 Radio- und Fernsehsender, und es würden in den Städten als "Symbol des Fortschritts" immer höhere Fernsehtürme gebaut, deren elektromagnetischen Wellen sich in ihrer Umgebung auswirken würden.