Corona-Impfungen: Wirksamkeit vorsichtig bewerten, Zulassungen ausweiten

Was wir schon über Wirksamkeit und Nebenwirkungen der zugelassenen mRNA-Impfstoffe wissen und wie wir den Mangel an Impfstoffen überwinden können

Als Mediziner der älteren Generation habe ich Mitte Dezember in einem Artikel in Telepolis die Frage, ob ich mich gegen das Coronavirus impfen lassen werde, wenn mir eine Impfung angeboten wird, eindeutig bejaht. ("Würdest Du Dich gegen Corona impfen lassen?") Bei meiner Risikoabwägung stützte ich mich unter anderem auf eine Arbeit aus dem November-Heft der pharmakritischen wissenschaftlichen Zeitschrift Der Arzneimittelbrief.

Wirksamkeit und Nebenwirkungen zugelassener mRNA-Impfstoffe

Inzwischen ist in der Januar-Ausgabe dieser Zeitschrift eine umfangreiche Übersichtsarbeit über Wirksamkeit und Nebenwirkungen der beiden ersten in der EU bedingt zugelassenen neuen mRNA-Impfstoffe erschienen, auf die ich aufmerksam machen möchte.

Dort heißt es in der Zusammenfassung, dass für den in Deutschland entwickelten Impfstoff von Biotech und Pfizer, BNT162b2, und das US-amerikanische Vakzin von Moderna, mRNA-1273, nachgewiesen ist, dass sie bei den untersuchten Personengruppen und den im letzten Quartal 2020 prävalenten Virusvarianten über einen Zeitraum von mindestens zwei bis drei Monaten symptomatische Covid-19-Infektionen und schwere Verläufe verhindern können.

Erfreulicherweise wirken sie auch bei den am meisten durch Covid-19 Bedrohten, den älteren Menschen. Wichtige Personengruppen wurden in den Studien jedoch nicht oder nur unzureichend untersucht: Immunsupprimierte, Schwangere, Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen mit einem Mindestalter von 80 Jahren. Die Ergebnisse dürfen also nicht ohne weiteres auf diese Gruppen übertragen werden.

Auch sollten die genannten relativen Zahlen zur Wirksamkeit (95 Prozent bzw. 94,1 Prozent) mit großer Vorsicht bewertet werden, denn sie sind an relativ wenigen Infizierten erhoben worden. Da der Impfschutz nicht vollständig ist, die Nachbeobachtungszeit erst wenige Wochen beträgt und die Antikörperspiegel mit der Zeit sinken, kann die Dauer der protektiven Immunität nicht sicher beurteilt werden.

Weitere offene Fragen zur Wirksamkeit betreffen die Prävention asymptomatischer Infektionen und vor allem die für die Eindämmung der Pandemie sehr wesentliche Erzeugung einer sterilen Immunität, d.h. die Verhinderung einer Übertragung des SARS-CoV-2 durch Geimpfte.

Die Verträglichkeit beider Impfstoffe ist – verglichen mit anderen Impfungen – eher mäßig. Mehr als drei Viertel der Geimpften hat in der Woche nach der Impfung lokale und mehr als die Hälfte systemische unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE). Sie sind nach der zweiten Impfung häufiger als nach der ersten und bei Jüngeren häufiger als bei Älteren.

Unklar sind noch die Häufigkeit und Bedeutung später auftretender UAE. Weil die Pharmakovigilanz in der jetzt begonnenen Impfkampagne besonders wichtig ist, soll bereits der Verdacht von UAE im Zusammenhang mit der Impfung an die zuständigen Institutionen gemeldet werden.

Zudem sollte die Bevölkerung gründlich und evidenzbasiert über Nutzen und Risiken der Impfstoffe aufgeklärt werden. Hierzu gehört auch, dass die Ergebnisse der klinischen Studien allgemeinverständlich dargestellt und Erfahrungen aus den bereits angelaufenen Impfprogrammen zeitnahe kommuniziert werden.

Zum Problem der Allergien bei Corona-Impfungen

In meinem Dezember-Artikel in Telepolis hatte ich darauf hingewiesen, dass in Großbritannien schon am ersten Tag der Impfung mit dem Biontech-Pfizer-Vakzin zwei Fälle von schweren allergischen, anaphylaktischen Reaktionen bei Mitarbeitern des National-Health-Service aufgetreten waren, die deshalb behandelt werden mussten. Beide Personen hatten Autoinjektoren für Adrenalin zur akuten Behandlung von anaphylaktischen Schocks bei sich, was darauf hinweist, dass bei ihnen schon früher schwere allergische Reaktionen vorgekommen waren.

Zum Problem der Allergien heißt es im Arzneimittelbrief:

Die Inzidenz einer anaphylaktischen Reaktion nach einer Impfung wird mit 1 auf 1 Million Impfungen angegeben. Derzeit wird davon ausgegangen, dass die beiden mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 zehnmal häufiger Allergien auslösen als etablierte Impfstoffe. Es wird vermutet, dass dies durch LNP und/oder PEG in der Hülle der mRNA verursacht wird. PEG wird in unterschiedlichen Mengen in der Kosmetik und Pharmazie als Wirkstoffträger verwendet (Gelatinekapseln, Suppositorien, Salbengrundlage, Deodorants etc.). Allergische Reaktionen auf PEG werden nach Einschätzung mehrerer allergologischer Fachgesellschaften zu selten diagnostiziert. Sie empfehlen deshalb unter anderem, bekannte allergische Reaktionen auf Zusatzstoffe, insbesondere PEG, vor der Impfung mit einem der beiden Impfstoffe systematisch abzufragen und in Verdachtsfällen zunächst allergologisch abzuklären (Haut-Pricktest, Labordiagnostik).

Das Akronym LNP bezieht sich auf ein lipidbasiertes "drug-delivery-system" und die Abkürzung PEG bedeutet Polyethylenglycol. Weiter heißt es dort:

In den klinischen Studien mit den mRNA-Vakzinen wurden Personen mit bekannten Allergien gegen einen der Inhaltsstoffe ausgeschlossen. Biontech/Pfizer schloss zudem alle Personen mit bekannten schweren allergischen Reaktionen nach irgendeiner Impfung aus. In der Phase-III-Studie mit BNT162b2 findet sich keine Angabe zu anaphylaktischen Schocks, und in der Studie mit mRNA-1273 jeweils ein Fall in beiden Gruppen, also auch nach Plazebo. Näheres wird nicht mitgeteilt.

Der Arzneimittelbrief 1/2021, S. 6

Am 6.1.2021 berichteten Centers of Disease Control and Prevention (CDC), die US-amerikanische Seuchenkontrollbehörde, über insgesamt 21 gemeldete Fälle von Anaphylaxie nach der ersten Impfung von 1,9 Millionen Personen mit BNT162b2.

Bemerkenswerterweise waren 90 Prozent Frauen. Die Anaphylaxie-Inzidenz wird mit elf pro Million Impfungen angegeben. Innerhalb von 30 Minuten nach der Impfung traten 86 Prozent dieser Reaktionen auf. Eine Allergie in der Vorgeschichte (Wespen-/Bienenstiche, Katzen-/Hundehaare, Lebens-/Arzneimittel) hatten 17 Betroffene. Mit Adrenalin behandelt wurden 19 der 21 Personen, 17 wurden in eine Notaufnahme überwiesen, und keiner ist gestorben.

Das Paul-Ehrlich-Institut, die für die Überwachung von Impfstoffen zuständige Behörde in Deutschland, sieht nach derzeitiger Datenlage (Stand 29.12.2020) bei Personen mit vorbekannten allergischen Erkrankungen kein generell erhöhtes Risiko für schwerwiegende UAE bei einer Impfung mit BNT162b2. Bei bekannter Allergie oder Anaphylaxie müssen nach der Impfung Überwachung (mindestens 15 Minuten) und Notfallbehandlung gewährleistet sein. Ist nach der ersten Impfung eine anaphylaktische Reaktion aufgetreten, soll keine zweite Impfung erfolgen.

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