Corona-Wellen in China – globale Gefahr durch neue Varianten?

Halbjährlich Hunderte Millionen Infektionen. Forschende betonen, dass aktuelle Impfstoffe gut vor schweren Verläufen und Tod schützen. Warum trotzdem neue Vakzine entwickelt werden.

In China könnten Covid-19-Wellen im Sechs-Monats-Zyklus "zuschlagen" und Hunderte Millionen Menschen infizieren – davon jedenfalls gehen Forschende aus. Die Fallzahlen in dem bevölkerungsreichen Land nähmen wieder zu, da die Immunität durch Impfungen oder vorangegangene Infektionen nachlasse, heißt es in einem Artikel, den das Magazin Nature am Mittwoch veröffentlichte. Es sei aber unwahrscheinlich, dass der jüngste Anstieg das Gesundheitssystem des Landes zusammenbrechen lasse.

Gewarnt wird jedoch vor der Entstehung neuer Varianten durch fortlaufende Infektionswellen: "Leider ist eine neue Realität bei diesem Virus, dass wir wiederholte Infektionen haben werden", sagt Ali Mokdad, Epidemiologe am Institute for Health Metrics and Evaluation an der University of Washington in Seattle.

Der jüngste Anstieg der Covid-19-Fälle in China kam aus wissenschaftlicher Sicht nicht überraschend. Die Forschenden gehen davon aus, dass es in China alle sechs Monate zu einem Infektionszyklus kommen wird, nachdem alle Covid-19-Beschränkungen aufgehoben wurden und hochinfektiöse Varianten vorherrschen.

"Die Befürchtung ist, dass dieses Virus eine neue Variante hervorbringen wird, die mit den aktuellen konkurrieren kann und schwerwiegender ist." Der aktuelle Anstieg wird hauptsächlich durch eine hochinfektiöse Untervariante von Omikron, XBB.1.5 verursacht, die erstmals im vergangenen August in Indien identifiziert wurde.

Bis zu 65 Millionen Infektionen pro Woche

Laut Nanshan Zhong, einem bekannten chinesischen Atemwegsmediziner, könnten bis Ende dieses Monats bis zu 65 Millionen Menschen pro Woche infiziert werden. Dies ist die erste große Reinfektionswelle, die China erlebt hat, seit die Zentralregierung im Dezember auf Proteste reagiert und Freiheitsbeschränkungen zur Bekämpfung des Coronavirus aufgehoben hat. Die Folge war zunächst ein großflächiger Ausbruch der Omikron-Variante, die leichter übertragbar ist, aber seltener zu schweren Verläufen oder zum Tod führen soll als frühere Virusvarianten.

Allerdings sind in China auch mehr als 90 Prozent der Bevölkerung geimpft – und der Ausbruch im Dezember soll laut Zhong mindestens 85 Prozent der Bevölkerung, erfasst haben. Aber die Immunität lässt nach - und XBB kann sich dem Schutz durch Impfungen und frühere Infektionen entziehen.

Die Variante habe zwar keinen größeren Anstieg der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle verursacht, die schiere Zahl der Infektionen könne jedoch Druck auf das chinesische Gesundheitssystem ausüben, sagt Mokdad. Auch in anderen Teilen der Welt, etwa in Singapur und den USA, sorgt XBB für kleinere Wellen. "Das sehen wir überall, aber bei einer großen Bevölkerung wie China ist es deutlicher", so Mokdad.

Frühere Covid-19-Wellen in anderen Ländern hätten gezeigt, dass XBB übertragbarer sei als frühere Formen, sagt Kayoko Shioda, Epidemiologin an der Boston University in Massachusetts.

Da China seine Covid-19-Fallzahlen nicht mehr veröffentlicht, ist unklar, wie viele Menschen sich in der jüngsten Welle infizierten. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Beijing hat sich die Zahl der in der Hauptstadt gemeldeten Covid-19-Fälle jedoch zwischen Ende März und Mitte April vervierfacht. China entwickle aber neue Impfstoffe gegen XBB, so Zhong.

Aktuelle Impfstoffe böten zwar einen guten Schutz vor schweren Erkrankungen und Todesfällen, jedoch keinen sehr guten dauerhaften Schutz vor Infektionen. "Aber das bedeutet nicht, dass wir einfach aufgeben sollten", sagt der Immunologe Yunlong Cao von der Universität Beijing.

"Wiederholte Infektionen, selbst mit einem milden Virus wie XBB, können dennoch zu gesundheitlichen Problemen wie Long Covid führen. Bei gefährdeten Menschen wie älteren Erwachsenen besteht immer noch das Risiko, schwer zu erkranken."