Covid-19-Impfstoffe: Der verhinderte Gamechanger

Seite 4: Angstfaktor ADE bei Corona-Impfstoffen

Die Vielzahl an Epitopen (Antigen-Molekül-Abschnitte, die eine spezifische Immunantwort auslösen) im gesamten Spike-Protein birgt prinzipiell auch Risiken für den Fall einer Ansteckung bei zu geringem oder nachlassendem Immunschutz.

Dann kann es zumindest theoretisch zu einem infektionsverstärkenden Effekt mancher vorhandener Antikörper kommen (ADE), indem diese im Infektionsfall zwar an den Erreger binden, ihn aber nicht neutralisieren können und auf diese Weise sogar den Eintritt in menschliche Zellen erleichtern.

Deswegen wurden alle Epitope aus dem Nuvaxovid-Spike-Protein entfernt, denen ein solches Potential zugeschrieben wird. Indes Ganzvirus-Totimpfstoffe wie bspw. die chinesischen Präparate bergen bis auf weiteres logischerweise noch weit mehr Einfallstore für ADE.

Das Risiko für ADE hängt jedoch noch von anderen Faktoren ab – und einer dieser Faktoren darf aus wissenschaftlicher Sicht immerhin als einer der Gründe gesehen werden, weshalb die großen westlichen Pharmakonzerne gegen Covid-19 nicht auf solche einfachen Peptidimpfstoffe gesetzt haben, wie sie sich nun mit Abdala in Kuba bestens bewährt haben.

Die alleinige Adjuvantierung mit Aluminiumhydroxid provoziert nicht nur die gewünschte Th1-Zellen-Antwort, sondern auch eine ausgeprägte Bildung von Th2-Zellen (Th "T-Helferzellen") - und in der Impfstoffforschung zu Coronaviren hat sich über die Jahrzehnte gezeigt, dass eine starke Th2-Reaktion häufig ADE auslöst. Dass Sars-CoV-2 sich in diesem Punkt anders "verhalten" würde, war nicht von vorneherein absehbar gewesen.

Bekanntermaßen unproblematisch wäre hingegen der im Kontext von Pandemrix zu Unrecht verschriene Wirkverstärker AS03 gewesen, auf den Sanofi für seinen Impfstoff-Nachzügler setzt. Und auch die Corbevax-Entwickler versäumten nicht, dem gefürchteten ADE-Blowback vorzubauen, indem sie nämlich einen zweiten Wirkverstärker einsetzten: CPG 1018 von Dynavax, wie es auch in Valnevas Ganzvirus-Totimpfstoff gegen Covid-19 Verwendung findet, besteht aus DNA-Schnipseln (die nicht in menschliche Zellen eingeschleust werden) und regt einerseits eine im Vergleich zu anderen proteinbasierten Impfstoffen deutlichere Bildung zytotoxischer T-Zellen an.

In Corbevax verhindert die Zugabe dieser Adjuvanz eine Th2-lastige zelluläre Immunantwort, wie sie normalerweise durch das ebenfalls enthaltene Aluminiumhydroxid zustande käme – stattdessen überwiegt hier wie bei vielen anderen Impfstoffen die Th1-Stimulation.

Überstarke T-Zell-Aktivierung durch mRNA-Impfung erfüllt nicht alle Erwartungen

Wie ist es nun aber zu erklären, dass die Immunisierung der Bevölkerung bspw. in Kuba nachhaltiger gelungen zu sein scheint als in reichen Industrieländern?

Prof. Guzmán macht in diesem Zusammenhang auf Erkenntnisse hinsichtlich des Wirkprofils insbesondere von Covid-19-mRNA-Impfungen aufmerksam: Es zeige sich einerseits, dass die Antikörpertiter nach einer solchen Impfung rascher zurückgingen, als dies' bspw. bei früheren proteinbasierten Impfstoffen der Fall sei.

Der Grund hierfür sei vielleicht in einer schwächer ausgeprägten Bildung von B-Gedächtniszellen zu suchen. Ob ein solches Phänomen, unabhängig von neuen Virusvarianten, nur Sars-CoV-2 betreffe, oder mRNA-Vakzin-bedingt sei, müsse noch aufgeklärt werden.

Man habe nicht voraussehen können, dass die infolge mRNA- und Vektor-Impfung besonders starke und langanhaltende T-Zell-Immunantwort gegen das Spike-Protein keinen entscheidenden Faktor für protektive Immunität gegen Covid-19 darstelle. Hiervon unbenommen sei jedoch ein robuster und entscheidender Schutz vor schweren Verläufen.

Einen wirklichen Schutz vor der Infektion im engeren Sinne bietet keiner der bisherigen Covid-19-Impfstoffe – sondern eine etwaige Verringerung der Übertragungsrate bei ausgesprochen frischem Impfschutz ist laut Guzmán lediglich auf eine Art Pseudo-Lokalimmunität zurückzuführen.

Sehr hohe Antikörper-Titer ermöglichen wahrscheinlich eine sofortige Eliminierung von Erregern, die in die Lunge gelangt sind, weil in der Lunge ein Übertritt von Antikörpern aus der Blutbahn erfolgen kann.

Unsere Schleimhautbarrieren hingegen bleiben gegenüber Sars-CoV-2 naiv, solange keine natürliche Infektion stattgefunden hat – oder aber mittelfristig eine mukosale Impfung. Auch Guzmán forscht an zweien solcher immunisierender Nasensprays.

Abdalas nachweislich phänomenale Performance in der Pandemiebekämpfung

Die erzielte Schutzwirkung von intramuskulär verabreichten Proteinimpfstoffen gegen schwere Verläufe und Todesfälle kann allerdings ein mehr als beachtliches Niveau erreichen: Von Mai bis August 2021, als in Havanna die Delta-Variante dominierte, wurde dort im Rahmen einer in The Lancet publizierten Kohortenstudie, die 1.324.205 geimpfte und 31.433 ungeimpfte Erwachsene (bei einer Erwachsenen-Impfrate von 88,04 Prozent in der Stadt zum Ende der Studie) einschloss, von einem Wissenschaftler-Team um Prof. Pedro I. Más-Bermejo, dem Leiter der National Technical Group zur staatlichen Pandemie-Beratung, eine tatsächliche Schutzwirkung des nicht Varianten-spezifischen Abdala-Vakzins gegen schwere Verläufe von 98,2 Prozent für vollständig Geimpfte und immer noch 93,3 Prozent für nur teilweise Geimpfte ermittelt.

Gegen einen tödlichen Ausgang bestand demnach ein 98,7-prozentiger Schutz nach vollständiger Impfung und 94,1-prozentiger nach unvollständiger Impfung. Bemerkenswerterweise hat sich diese enorme Effektivität des simplen RBD-Peptidimpfstoffs gerade auch in den höheren Altersgruppen besonders deutlich abgebildet: 99,1-prozentiger Schutz vor schweren Verläufen bei den Über-80-Jährigen und 98,8-prozentiger Schutz vor tödlichem Ausgang in der Altersgruppe 61 bis 80 sind absolut beispielhaft.

Obgleich all diese Werte auf die gleiche Weise wie die Relative Risikoreduktion (RRR) berechnet worden sind – sie stimmen überein mit der Vorhersage zur Entwicklung von Erkrankungs- und Todesfällen bei einer Impfeffektivität von über 90 Prozent, an welcher Abdala als Impfstoff für den Großteil der Bevölkerung den mit Abstand größten Anteil hat.

Des weiteren spricht es natürlich Bände, dass man zu derart beeindruckenden Ergebnissen gekommen ist, obwohl die Geimpften in der Studie dramatisch in der Überzahl waren – denn je größer die Probandengruppe, desto geringer die Wahrscheinlichkeit zufälliger Abweichungen.