Creatio Ex Machina

"Create" von Electronic Arts für PS3, Wii, XBox 360, Mac OS X und Windows

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Create will mehr sein als ein normales Videospiel. Das Kernelement sind Physik-Puzzles in der Tradition von Sierras The Incredible Machine. Der schöpferische Freiraum darüber hinaus ist eingeschränkter als der Name suggeriert.

Eine Maschine, die beim Drücken der Türklinke einen Korb mit Würsten direkt ans Bett liefert – das war die Knackwurstbringanlage aus Paul Maars fantasievollem Kinderbuch Eine Woche voller Samstage. Das Bauen von Nonsens-Maschinen fasziniert von jeher unterschiedliche Generationen. Die Cartoonisten William Heath Robinson und Rube Goldberg waren bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt für ihre Zeichnungen der witzigen Apparate, die in ihren Heimatländern England beziehungsweise Amerika gerne nach ihnen benannt werden.

Den Reiz dieser Gerätschaften entdeckte auch die Videospielindustrie. 1993 brachte Sierra Entertainment das von der Tochtergesellschaft Dynamix entwickelte DOS-Spiel The Incredible Machine heraus, dem in den folgenden Jahren weitere Teile folgten. Dasselbe spielerische Konzept verfolgen die Crazy-Machines-Titel der deutschen Firma FAKT Software, die auch für iOS, DS und Wii verfügbar sind.

Create von Electronic Arts will mehr sein als ein weiteres Maschinen-Puzzle. Daher auch der Name, der allerdings mehr schöpferische Möglichkeiten suggeriert, als tatsächlich im Spiel steckt. Im Kern geht es vor allem um das Lösen der typischen Aufgaben, die bereits The Incredible Machine ausmachten. Der Spieler muss beispielsweise ein Auto vom linken Bildschirmrand über Abgründe und Hindernisse ins Ziel auf der rechten Seite fahren. Für den Lösungsweg lässt Create reichlich Spielraum: Ob das Auto einen Abgrund via Katapult oder an einem Ballon hängend überquert, macht keinen Unterschied. Nur das Ergebnis zählt. Anfangs ist die Anzahl der unterschiedlichen Hilfsobjekte und damit die Komplexität allerdings deutlich limitiert.

Eingebettet sind die Herausforderungen in verschiedene Welten, die jeweils den optischen und thematischen Rahmen bilden. Die Umgebung besteht zunächst aus nackten, farblosen Formen. Der zweite Aspekt von Create neben dem Maschinenbasteln ist die Gestaltung der Landschaft. Dies geschieht ähnlich wie in Sims 3 oder Sonys Little Big Planet mit der Hilfe von vorgegebenen Texturen und Objekten. Die beiden Bereiche sind nur optisch miteinander verbunden. So haben beispielsweise Wettereffekte in der Landschaft keine Auswirkung auf die Physik-Puzzles. Umgekehrt sind deren Elemente nur jeweils während einer Herausforderung sichtbar, schon damit sich die jeweils zehn Aufgaben pro Welt nicht gegenseitig im Weg stehen.

Für jede gelöste Aufgabe erhält der Spieler sogenannte Create-Funken. Mit ihnen schaltet er neue Welten und Herausforderungen frei. Zudem bekommt er regelmäßig neues Spielzeug in Form von Figuren, Texturen und anderer Objekte, die jeweils thematisch der jeweiligen Welt entsprechen, aber beliebig genutzt werden können.

Auch die Gestaltung der Landschaft selbst belohnt Create mit Funken. Dabei schränken die Vorgaben den Spieler jedoch in seiner schöpferischen Freiheit ein. Mit der Zeit tut sich zudem eine Schere zwischen dem gestalterischen Teil und den Herausforderungen auf. Ersterer ist anfangs noch ganz spaßig, kann auf Dauer aber eher zur Pflichtveranstaltung werden. In der Simplizität und dem im Vergleich zu beispielsweise Little Big Planet (vgl. Link auf 29106) oder auch Sims 3 (vgl. Link auf 30436) eingeschränktem Handlungsraum, spricht es eher jüngere Kinder an. Die dürften aber zumindest mit den späteren Puzzles überfordert sein.

Der eigentlich Sandbox-Aspekt öffnet sich nach ein paar gemeisterten Herausforderungen in Form der Create-frei-Funktion. Mit ihr erstellt der Spieler eigene Aufgaben auf einer weißen Leinwand, die er komplett selbst gestaltet. Die Ergebnisse darf er – ein kostenloses EA-Konto vorausgesetzt – anderen Spielern zur Verfügung stellen. Ebenso kann er originelle Lösungsansätze für die Herausforderungen aus dem Spiel mit anderen teilen. Dieser Community-Aspekt hat unter anderem den besonderen Reiz von Little Big Planet ausgemacht. Wie sich der Online-Inhalt für Create entwickelt, wird sich über die nächsten Wochen zeigen.

Die getestete PS3-Version lässt sich mit Playstation-Move sehr gut steuern. Freilich funktioniert das Spiel auch mit dem herkömmlichen DualShock-3-Gamepad, ist damit aber deutlich weniger komfortabel. Die Grafik ist bunt, wirkt aber oft steril. Die Soundeffekte sind gut, die auf die jeweilige Welt angepasste Hintergrundmusik auf Dauerschleife stört dagegen mehr als sie unterhält.

Das größte atmosphärische Problem ist der Mangel an Lebendigkeit, der im krassen Widerspruch zum fantasievollen Ansatz steht. Der Spieler darf Tiere und andere Wesen als Dekoration verwenden, auch andere Objekte wie Karussells bewegen sich im Hintergrund. Figuren, die beispielsweise anfeuernd auf die gebauten Maschinen reagieren oder einen roten Faden bilden, fehlen jedoch. Selbst die Motorräder in den Puzzles kommen ohne Fahrer, die beispielsweise panisch oder euphorisch auf einen Salto reagieren könnten, aus.

Das Kreativitätspaket, das der Titel und vor allem Untertitel „Deine Fantasie ist der Schlüssel zu einer Welt voller Spaß“ verspricht, ist Create nicht. Der gestalterische Aspekt ist deutlich limitierender als bei Little Big Planet.

Betrachtet man Create doch eher als normales Spiel, als Sammlung anspruchsvoller Physik-Puzzles, dann macht es richtig Spaß. Gut 100 Herausforderungen bringt es von Haus aus mit. Dank des Community-Ansatzes gibt es potenziell unzählige Neue. Anfangs sind die Aufgaben noch sehr einfach, werden aber bald recht anspruchsvoll. Dennoch gibt es nie die eine richtige Lösung, sondern viele Wege zum Ziel, die zum Experimentieren und Vorzeigen origineller Ideen einladen. Besonders jene Herausforderungen, die neben dem erfolgreichen Abschluss auch noch den Weg dorthin durch Punkte belohnen, machen Spaß. Wer The Incredible Machine mochte, ist bei Create richtig. Wer ein Sandbox-Spiel mit gestalterischer Freiheit sucht, sollte seine Hoffnung lieber auf das für Januar angekündigte Little Big Planet 2 setzen.

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