DOS-Koalition zerfällt endgültig

Die Nachfolger von Milosevic sind am Ende

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Die DOS-Koalition - das einst so vom Westen gefeierte Zweckbündnis zum Sturz Milosevic - ist gescheitert. Die serbische Regierung hat nun vorgezogene Neuwahlen für das serbische Parlament angekündigt. Unterdessen herrscht in Serbien Wahlkampf. Im dritten Anlauf soll nun endlich ein neuer Präsident gewählt werden.

Nach langem Hin und Her hat sich die serbische Regierung unter Zoran Zivkovic zu vorgezogenen Neuwahlen durchgerungen. Noch in diesem Jahr, am 28. Dezember, sollen diese stattfinden. Damit ist die DOS-Koalition ein Jahr vor dem eigentlichen Wahltermin gescheitert. Die politische Landschaft steht in Serbien damit vor dem Umbruch.

Dabei hatten es Milosevic Erben in den letzten drei Jahren nicht leicht. Das jahrelang international isolierte, von einem politischen Einheitsbrei und dem NATO-Krieg überzogene Serbien war ein Pflegefall schwerster Stufe. Kein Marshallplan, nur neue Kredite und neue Forderungen von EU oder USA trafen als "großzügige Spenden" deklariert in Belgrad ein.

Und so häufte sich die Kritik an der Regierung. Die verfehlte Innen- und Wirtschaftspolitik galten als Hauptursachen. Wohl aber auch die nicht enden wollenden Skandale, die weiterhin grassierende Korruption, die ungebrochene Macht der Mafia oder die Unfähigkeit, Reformen durchzusetzen. Seit dem Ausstieg der DSS und den damit ersten Bruch der DOS-Koalition nach der Auslieferung Milosevic nach Den Haag vor zwei Jahren, steht die Politik in Serbien quasi still.

Mit den Privatisierungen, der einzigen und schnellsten Einnahmequelle, begann zudem der Ausverkauf des Landes. Das einst auf die Selbstverwaltung der Betriebe so stolze Land, zahlt nun den Angestellten in den Staatsbetrieben teilweise sogar seit Jahren keinen Lohn mehr. Stattdessen wird das Tafelsilber (Tafelsilber - zwischen den Fronten) verscherbelt und schürt damit soziale Unruhen. Das Ende der Privatisierungen, den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen sind die wichtigsten Forderungen der streikenden Arbeiter, die in den größten Städten Serbiens in diesen Tagen demonstrieren. Die Revolution hat sich für sie nicht gelohnt).

Im Parlament ging nichts mehr

Der Anfang vom Ende begann bereits Mitte Oktober, als die DOS-Koalition zum ersten Mal ihre eigene Mehrheit verlor. Die noch immer unter dem alten Namen regierende Demokratische Opposition Serbiens (DOS) musste nun die Anträge ihrer eigenen Opposition auf die Tagesordnung setzen. Diese hatten die konservative Demokratische Partei Serbiens (DSS) um Vojislav Kostunica und die nationalistische Radikale Partei Serbiens (SRS) mit ihren Anträgen bestimmt. Und die hießen: Misstrauensanträge gegen die Regierung und gegen die Parlamentspräsidentin Natasa Misic, die gleichzeitig Interims-Präsidentin Serbiens ist. So begann die Debatte, die die Regierung eigentlich verhindern wollte.

Live konnten die Wähler das Spektakel in den dann folgenden Wochen am Fernseher beobachten. Das zweite Programm des staatlichen Fernsehens übertrug den Höhepunkt, des seit Jahren schwelenden innenpolitische Chaos in Serbien. Die Parlamentsklingel, die die Abgeordneten zur Ruhe bringen sollte, war pausenlos zu hören. Buhende Opposition, sich langweilende Abgeordnete in den Gängen des Parlamentsgebäudes und sogar der Aufruf zum Sturz der Regierung machten die Sache abwechslungsreich.

Doch das eigentliche Thema kam nur selten zur Sprache. Im Parlament ging nichts mehr, denn die Regierung blockierte wegen ihrer fehlenden Mehrheit jegliche heikle Entscheidung. Seitdem wurde das Parlament immer wieder ohne Begründung hingehalten. Die letzte Debatte wurde zuletzt auf den kommenden Dienstag vertagt und wird wegen der Neuwahlen nun sinnlos.

Zuvor wurde vergeblich um Stimmen und Koalitionsfrieden gefeilscht. Und so nutzten einige Parteien die Gunst der Stunde. Die Sozialdemokratische Partei (SDP) hatte zuvor einen langfristigen Ausstieg aus der DOS angekündigt und wurde nun stark umworben. Als "Zünglein an der Waage" legten die zehn Abgeordneten der Regierung auch einen Forderungskatalog vor. Dem kam die Regierung zumindesten durch die Entlassung der Ministerin für Verkehr und Kommunikation Raseta Vukosavljevic nach. Doch die Sozialdemokraten lehnten nun endgültig eine Unterstützung der Regierung ab und brachten damit die DOS-Koalition zu Fall.

Eine Neuauflage der Koalition ist demnach nicht zu erwarten, sind doch die politischen Realitäten inzwischen verschoben. Nach neuesten Umfragen würde dabei vor allem die derzeit noch stärkste Partei DS des im März ermordeten Premier Zoran Djindjic (Schockzustand in Serbien) Stimmen verlieren. Die neue neoliberale Partei G17 Plus würde auf Anhieb auf 13 Prozent kommen. Um den ersten Platz kämpft Kostunicas DSS, die zur Zeit auf 18 Prozent kommt. Die Demokratische Partei DS würden noch 15 Prozent wählen. Andere Umfragen gehen sogar von bis zu 24 % Prozent für die DSS aus.

Zum dritten mal in diesem Jahr finden Präsidentschaftswahlen statt

Die Entscheidung gerade jetzt die Neuwahlen anzukündigen, wird möglicherweise auch Auswirkungen auf die kommenden Präsidentenwahlen haben. Am kommenden Sonntag werden die Wähler bereits zum dritten Durchgang und damit vierten Mal innerhalb eines Jahres an die Urnen gerufen. Nach jüngsten Umfragen sind die Aussichten für das Erreichen der erforderlichen 50 % Wahlbeteiligung erneut sehr knapp.

Nach Umfragen der Belgrader Agentur Strategic Marketing, die am Tag vor der Entscheidung für Neuwahlen veröffentlicht wurde, wollen 44,8 % der Wähler zu den Wahlen gehen, 22,8 % sind noch unsicher. 13,3% der Wähler wollen die Wahlen boykottieren. Zum Wahlboykott haben auch die Spitzenkandidaten der Wahl vom vergangenen Jahr und derzeitig stärksten Oppositionsführer Kostunica (DSS) und Labus (G 17 Plus) aufgerufen.

Diese beiden hatten sich damals in der Stichwahl einen sehr deutschen Kopf-an-Kopf-Wahlkampf a la Schröder-Stoiber geliefert. In diesem Jahr setzt man jedoch auf die amerikanische Variante. Diese kam vor allem medial inszeniert daher. Wichtigste Merkmale waren dabei gespielte Bürgernähe und imposante Auftritte. Fähnchen und Spruchbänder schwenkend, wurden die Auftritte des Favoriten und DOS-Kandidaten Dragoljub Micunovic in Belgrad und Novi Sad endgültig zur amerikanischen Kopie. Passend dazu gab es die penetrant oft wiederholten Aufrufe auf allen Kanälen am Sonntag wählen zu gehen. Ein Slogan lautete:

Die USA hat Bush, Frankreich Chirac, Russland Putin. Aber in Serbien gibt es noch immer keinen Präsidenten.

Sollten die Wahlen dennoch erfolgreich sein, wird es wohl zu einer Stichwahl zwischen Micunovic und seinem stärksten Gegner, dem ehemaligen stellvertretenden Premier Serbiens Tomislav Nikolic kommen. Dieser ist Spitzenkandidat der nationalen Radikalen Partei Serbiens (SRS) und genießt ebenfalls großen Zulauf. Bei einer Stichwahl ist hingegen keine Wahlbeteiligung von 50 % mehr nötig.

Nach Meinung von Ognjen Pribicevic, Mitarbeiter im Institut für Sozialwissenschaften in Belgrad, ist aber allein der Erfolg des ersten Wahldurchgangs unwahrscheinlich, aber auch ein überraschender Wahlsieg der Radikalen möglich:

Wenn Kostunica, Labus und Seselj es gerade einmal geschafft haben, etwas mehr als 50 % der Wähler zu mobilisieren, dann ist es nicht realistisch von Micunovic und Nikolic ähnliche Ergebnisse unter einer weitaus größeren Apathie und Unzufriedenheit zu erwarten. [...] Obwohl allen Umfragen zufolge der DOS-Kandidat mehr Stimmen als Nikolic erhalten wird, besteht eine gewisse Möglichkeit, dass nicht wenige Bürger für die Serbische Radikale Partei wählen könnten, um auf diese Weise zu protestieren.