DSK als Opfer einer Sexfalle?

Warum in diesem Fall Verschwörungstheorien unnötig sind

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Auch der Autor dieser Zeilen wird automatisch misstrauisch, wenn Prominente in Sexskandale verwickelt sind. Im Fall Dominique Strauss-Kahn ist die Frage "cui bono?" besonders produktiv, denn DSK ist ein mächtiger Mann mit vielen mächtigen Feinden. Hier die offensichtlichsten:

  • er könnte Titelverteidiger Nicolas Sarkozy im bevorstehenden französischen Präsidentschaftswahlkampf ausstechen
  • er hat erheblichen Einfluss bei den kommenden Verhandlungen um Griechenlands Kredite
  • jeder Boss hat zumindest einen Feind, und das ist sein potentieller Nachfolger.

Das Internet ist - wie die Mehrheit der französischen Befragten – der Ansicht, dass Strauss-Kahn Opfer eines Hinterhalts geworden ist, einer Schmierenkomödie, die ihn politisch erledigen soll. Die Motive wären dank der oben aufgelisteten Nutznießer zweifellos einleuchtend und leicht zu begründen. Umgekehrt sind die Motive des angeblichen Lustgreises (Dominique Strauss-Kahn: Ladies' Man or Sexual Predator?) zunächst weit weniger einleuchtend. So blöd wie Strauss-Kahn kann sich doch keiner anstellen, oder? Er musste doch damit rechnen, angezeigt und verhaftet zu werden. Das macht das Erklärungsmodell "Sexualverschwörung" augenscheinlich noch plausibler.

Immerhin hätte sich der geile Banker die eine oder andere Dienstleisterin leisten können, die ihm der Concierge des Sofitel unter Ausschluss der Öffentlichkeit sicher gerne beschafft hätte. Vor diesem Hintergrund wäre das öffentlich geäußerte Unverständnis und das Entsetzen im Freundes- und Kollegenkreis von Strauss-Kahn verständlich (DSK-Kollegen sind geschockt über die Neuigkeiten. Der Moneyshot: "But Mr Strauss-Kahn is in the hands of the American justice system. It makes me deeply, deeply sad." Tja, schon traurig, wenn man in einer ausländischen Jurisdiktion ohne seine gewohnten feudalen Privilegien ist.)

Diesen wohlmeinenden Kommentatoren sowie den Anhängern der These "Dominique Strauss-Kahn wurde reingelegt" sei nun gesagt: Bull. Shit. Zwar gilt im gegenständlichen Fall die Unschuldsvermutung, aber Dominique Strauss-Kahn ist vermutlich ein chronischer Grabscher und Triebtäter. Er wäre deswegen sogar schon vorbestraft, wenn für ihn die übliche Rechtsprechung zur Anwendung gekommen wäre.

Genau darin liegt die Crux dieses Skandals und die Antwort auf die Frage "Wie kann man nur so blöd sein?" Ganz einfach: Weil man bisher immer davongekommen ist und niemals die Konsequenzen seines idiotischen Pennälerverhaltens tragen musste. Strauss-Kahn hätte tatsächlich gute Gründe für die Annahme, dass er über dem Gesetz steht und völlig unbesorgt vor dem Abflug ins Ausland noch schnell ein Zimmermädchen zum Sex zwingen kann.

Der große Verführer

Besonders gleichnishaft und symptomatisch ist der Spitzname, den die französischen Medien dem Mann gegeben haben: "Der große Verführer". Treffender wäre gewesen "Der große Grapscher", "Der große BH-Herunterreißer" oder "Der große Sodimisierer". Wenn es hier eine Verschwörung gibt, dann die der französischen Medien, die vertuschten und verharmlosten, damit ein wildgewordener Boss weiter sein Unwesen treiben konnte, statt sich zuerst vor Gericht und später vor dem großen Verführer zu verantworten.

So kam es, dass Frauen im heiratsfähigen Alter nicht mehr für Strauss-Kahn arbeiten wollen. Das Unverständnis seiner Freunde - auch jener bei der Presse - ist daher reine Heuchelei und Scheinheiligkeit. Besonders aufschlussreich ist der französische Vorwurf an die amerikanische Justiz, Strauss-Kahn "wie einen gewöhnlichen Verdächtigen" zu behandeln. Das ist offenbar im deutlichen Gegensatz zur französischen Handhabe, die zwischen gewöhnlichen und Chef-Verdächtigen unterscheidet. Ein gut dokumentierter Fall im Rahmen einer IMF-Ermittlung führte zur Kündigung seines Opfers und Strauss-Kahn musste sich entschuldigen, allerdings nicht bei ihr, sondern beim IMF. Damit war der Fall erledigt.

Geheimdienste werden gerne überschätzt

Wer hier einwendet, dass Strauss-Kahn eben WEGEN seiner triebgeilen Vergangenheit zum idealen Opfer eines Sexualhinterhalts geworden ist, überschätzt die operativen Möglichkeiten seiner Lieblingsorganisation. Sei es der MOSSAD, seien es die Illuminaten, CIA oder das allmächtige Rundfunkgebühreninkasso - sie alle stehen vor den gleichen Problemen:

  • Sie alle müssten innerhalb kürzester Zeit ein ZUVERLÄSSIGES Zimmermädchen im richtigen Hotel finden, das auch im Kreuzverhör und nach intensiven Nachforschungen diverser Journalisten, Polizisten, Anwälte und Detektive nicht zusammenbricht oder den Hinterhalt offenbart. Für solche Komplizen zu sorgen ist sogar für Geheimdienste extrem schwierig und erfordert jahrelange Aufbauarbeit.
  • Gerade bei Prominenten wie Strauss-Kahn ist es extrem schwierig, durch weisungsgebundene Richter oder Staatsanwälte über die Prozessführung etwas zu tricksen oder den unbequemen Zeitgenossen einfach in irgendeinem Loch verschwinden zu lassen. Strauss-Kahns Verfahren wird sich durch einen picobello DUE PROCESS auszeichnen und unter der Aufsicht der Weltöffentlichkeit stattfinden. Das macht eine zuverlässige Komplizin noch viel wichtiger.
  • Der Plan ist extrem anfällig und fragil. Beispielsweise hätte DSK im Zimmer Gesellschaft (Zeugen) haben und das Zimmermädchen einfach rausschmeißen können. Damit wäre die Geschichte auch schon zu Ende gewesen.

Natürlich werden Strauss-Kahns Gegner den Skandal ausschlachten. Natürlich ist Strauss-Kahn bereits politisch tot, was mehr als einer Organisation enorm gelegen kommt. Natürlich verwenden Geheimdienste und andere Organisationen Honey Pots, um menschliche Schwächen auszunutzen. In diesem Skandal aber ist - bei aller Unschuldsvermutung - viel wahrscheinlicher, dass sich das vermeintliche Verschwörungsopfer selbst und zum wiederholten Male in die Bredouille bugsiert hat oder einfach das Zimmermädchen lügt. Richter und Geschworene werden das entscheiden; Verschwörungstheorien sind ausnahmsweise überflüssig.