Da geht der Punk ab

Neonazis: Heil und Segen und eine vereinigte Rechtspartei ausgerechnet durch das Internet?

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"Kommt doch mal zu 'dol2day' - da geht der 'Punk' ab! Auf meiner Linkliste findet ihr die entsprechenden Links (natürlich ist alles kostenlos)!" - schreibt ein gewisser Joschi im Online-Gästebuch der Dresdner NPD-Filiale. Wer sich danach neugierig auf Joschis Homepage klickt, findet all das versammelt und penibel aufgelistet, was an rechtsradikalem Gedankengut derzeit durchs Internet spukt. Und mittendrin in diesem braunem Sumpf bietet der offensichtlich noch recht junge Homepage-Besitzer seinen Besuchern unter Stichwort "Erotik" einen prallen Mädchenpo an und sogar einen Link zu der Wiener Aktion "tits gainst racism".

Nackter Po, Titten gegen Rassismus plus neonazistisches Gedankengut ergeben schon eine seltsam-krude Mischung. Wesentlich eindeutiger ist dagegen das von Joschi angesprochene Thema "dol2day". Auf diese sogenannte "Politik-Community", die ihre gut 5300 Mitglieder zum 1. September zur Wahl eines "Internet-Kanzlers" aufruft, fokussiert sich derzeit nämlich das Interesse der rechtsradikalen Szene im Netz.

So schreibt der Bundesvorsitzende der Republikaner, Rolf Schlierer, auf seiner Homepage:

"Liebe Freunde, unter http://www.dol2day.de gibt es eine 'Internetdemokratie', bei der folgende Frage gestellt wird: Welchen deutschen Exponenten/Parteiführer des ,rechten Lagers' würden Sie am ehesten unterstützen? Wir können das nicht einfach ignorieren. Bitte meldet Euch als 'Staatsbürger' an und gebt Eure Stimme ab. (...) Auch an den Diskussionen solltet Ihr Euch beteiligen, weil es alle unseren Parteien entsprechende Internetparteien gibt, nur keine Republikaner."

Doch letzteres scheint sich gerade zu ändern - durch die Gründung der virtuellen Partei FUN ("Freiheitlich Unabhängig National"), die bei der kommenden Online-Kanzler-Wahl antreten möchte. Ein Thema natürlich auch für die Republikaner, die allerdings befürchten, dass der Einfluss der NPD auf FUN zu stark werden könnte. Bezeichnend für diese Mischung aus Hoffnung auf eine einheitliche Rechtspartei zumindest im Internet und der Sorge wegen der zu großen NPD-Nähe ist eine Stellungnahme von "Jürgen" im Republikaner-Forum:

"Unter der Adresse http://members.tripod.de/dummquatsch/partei.htm sind Entwürfe für eine rechte Internetpartei im Rahmen von dol2day zu finden. Manche sind eindeutig zu radikal und stark NPD-beeinflußt (z.B. 'Nationaldemokratische Internetpartei'), andere finde ich in den Ansätzen durchaus akzeptabel. Das bei dol2day eine rechtsgerichtete Partei gegründet werden muß, ist klar, aber: Sollten wir REP-Mitglieder/ Anhänger nun eine eigene, republikanische Internetpartei gründen, oder sollte man versuchen, zumindest im Rahmen von dol2day parteiübergreifend zu agieren? (...) Einerseits könnte die zukünftige Internet-Rechte dadurch einflußreicher werden, aber andererseits müssten wir als REPs fürchten, daß irgendein NPD-Glatzkopf durch hitzköpfiges revolutionäres Gefasel unseren Argumenten den Rücken fällt und damit ein schlechtes Licht auf uns alle wirft."

Doch davon lassen sich seine Mitdiskutanten nicht beirren:

"Wenn wir Patrioten noch nicht einmal im Internet (also in dol2day) in der Lage sind, eine EINHEITLICHE Partei zu gründen, können wir gleich einpacken und Deutschland den Multikulturalisten und den von ihnen herbeigeholten Einwanderern aus aller Herren Länder überlassen."

Dass nun ausgerechnet das Internet den Rechten Heil und Segen und eine vereinigte Rechtspartei bringen soll, klingt zwar wie ein schlechter Scherz, hat aber dennoch Methode, weil die derzeit gerade schwer gebeutelte Neonazi-Szene sich durch einen Erfolg bei dieser Kanzler-Wahl wohl nicht ganz zu Unrecht enorme mediale Aufmerksamkeit verspricht. Das meint dann auch im Gästebuch der stramm nationalen Freiheitlichen Deutschen Volkspartei ein gewisser Treuherz:

"Auf der Seite www.dol2day.com findet ein Planspiel statt. Hier kann man nicht nur in vielen Foren seine Meinung äußern (=hervorragende Übungsmöglichkeit) sondern auch Internet- Parteien beitreten oder solche Gründen. Ein Erfolg einer rechten Internet- Partei könnte durchaus Furore machen; schaut mal rein !"

Solche Aufrufe zeigen inzwischen Wirkung. Am heutigen Montag unterstützen bereits 154 Mitglieder von dol2day die Gründung von FUN. Und wer sich das Profil dieser Unterstützer anschaut, stößt nicht nur auf tiefbraune Droh-Rhetorik wie "Die Fahne hoch die Reihen fest geschlossen! Jetzt sind wir an der Reihe", sondern auf Selbstdarstellungen wie die von "MJÖLNIR":

"Ich bin ein 22-jähriger überzeugter Patriot für Doitschland! Zur Zeit bin ich Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr! Seit frühester Kindheit interessiere ich mich für die Politik! Dabei geht es mir in erster Linie um die Wahrung doitscher Interessen! Die FUN finde ich sehr symphatisch, und ich hoffe, sie wird noch vieles erreichen! Wieso brauner Unterton? Was ist an nationalen Gedanken denn braun? Ich freue mich sehr über eine rechts-konservative Partei und werde auf jeden Fall Mitglied. Mit doitschen Grüßen..."

Die Betreiber von "dol2day", fünf Studenten aus Aachen, haben also ein Problem: Eigentlich angetreten, um mit ihrem Politikspiel und ihrer Netzgemeinschaft etwas gegen die vermeintlich Politikverdrossenheit der Jugend zu tun, werden sie nun von Rechts gleichsam überrollt. Und auch die in der jüngsten Vergangenheit bereits erfolgte Sperre einiger Teilnehmer wegen neonazistischer Propaganda hat offenbar nicht verhindern können, dass in dieser Community gerade der Nazi-Punk abgeht. Fragt sich bloß, wie lange noch?