Darf's ein bisschen mehr sein?

Die Sperma-Investitionen des Gallus Gallus erfolgen nach einem ausgeklügelten Konzept

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Gallus gallus, der gemeine Haushahn, wird gern als eitler Gockel verlacht, wenn er mit stolz geschwellter Brust um seine Hühnerdamen herumsteigt. Doch im Licht aktuellster wissenschaftlicher Forschungsergebnisse rückt dieses Vorurteil in einen völlig neuen Blickwinkel. Ein schwedisches Forscherteam hat nämlich herausgefunden, dass das, was so selbstgefällig auf Hühnerhöfen herumstelzt, seine Männlichkeit recht effizient einsetzt. Der gemeine Haushahn vergeudet seinen Lendensaft nicht in irgendwelchen Besenkammern, er investiert ihn clever: Denn obzwar er Abwechslung durchaus schätzt, ist er in der Auswahl seiner Gespielinnen unbedingt qualitätsbewusst - wo der Einsatz keinen Erfolg verspricht, hält er sich dezent zurück.

Da Hennen nicht monogam und auf einen Partner fixiert sind, müssen die Hähne sehen, dass sie zum Zuge kommen. Die Devise lautet: erfolgreich Nachkommen zeugen, damit die Gene weitergegeben werden. Da könnte viel Sperma viel helfen, und in der Tat ist es so, dass diejenigen Männchen bei der Paarung am erfolgreichsten sind, die am meisten davon abgeben können. Weil aber selbst der potenteste Hahn nicht endlos Höchstmengen an Sperma produzieren kann, muss es noch andere Strategien geben. Tommasio Pizzari von der Abteilung für Tier und Gesundheit der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften hat zusammen mit Forschern der Universität Sheffield Haushühner sowie deren wilde Vorfahren, die Bankivahühner, beobachtet. Wie das Team im aktuellen Nature berichtet, stellten sie dabei fest, dass Hähne ein ausgeklügeltes System entwickelt haben, um in diesem Sperma-Wettbewerb mit ihrem begrenzten Gut zu bestehen.

Eine große Rolle spielte einmal der soziale Status eines Tieres: Während dominante Hähne mit großer Spermamenge das Rennen machten, zogen sich rangniedrigere Gockel bei zu viel Konkurrenz zurück. Was wie ein ängstliches Zurückstecken vor dem stärkeren Mitbewerber aussieht, deuteten die Forscher als äußerst ökonomisch: Keine Investition, wo der Aufwand nicht lohnt! Die zurückhaltenden Gockel sparten ihr kostbares Gut für günstigere Gelegenheiten, um dann zum Erfolg zu gelangen.

Besonders empfänglich zeigten sich die Hähne bei der Partnerwahl für bestimmte äußere Reize. Sie bevorzugten eindeutig Hennen mit üppigem Kopfschmuck. Ein Hinweis, wie Pizzari feststellte, auf deren Fruchtbarkeit. Ein ausgeprägter fleischiger Hautkamm auf dem Kopf korrespondierte nämlich mit großen Eiern mit entsprechend großem Dotter und damit optimalen Nahrungsverhältnissen für den Nachwuchs.

Die Wissenschaftler machten aber noch eine weitere Entdeckung. Gockel gewöhnen sich an ihre Weibchen. Je öfter ein Hahn sich mit einer bestimmten Henne paarte, um so weniger Sperma fiel schließlich für sie ab. Auch der vorübergehende Entzug des Weibchens half da nichts, denn offensichtlich erkennen Hähne ihre Weibchen an äußeren Merkmalen. Erst eine neue Henne ließ den Lendensaft wieder sprudeln. Dieser so genannte Coolidge-Effekt wurde bislang einzig als Wiederbelebung des Paarungsinteresses gedeutet. Die schwedischen Wissenschaftler konnten darüber hinaus mit ihren Versuchen belegen, dass mit dem Interesse auch die Spermaproduktion wieder angeregt wird.