Das Delirium Subventionorum - Gruselgeschichten aus dem Irrenhaus

Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr - Teil 21

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In Deutschland und Europa gibt es für die irrsinnigsten Projekte üppige Subventionen. Viele sind so aberwitzig, dass der unbefangene Betrachter nicht wissen kann, was die Politiker ritt, als sie die Gelder verstreuten: Schamlosigkeit beim Umgang mit Steuergeldern oder nackte Blödheit. Viele Subventionen sind so absurd, dass man sich entgeistert fragt, ob man nicht doch im Kabarett oder gar im Gruselkabinett sitzt. Doch der Irrsinn hat Methode.

Im Laufe der Jahrzehnte sind ganze Wirtschaftszweige unter die Fuchtel der Subventionsbürokratien gefallen. Am dramatischsten ist das bei der Landwirtschaft. Sie ist so gut wie vollständig in der Hand der Agrarbürokratien. Kein Wirtschaftszweig wird so stark subventioniert und muss zugleich so viele bürokratische Auflagen erfüllen. Bürokratenherrschaft und Klientelepolitik wirken zusammen, um ein politisches Irrenhaus zu unterhalten.

Die Landwirtschaft ist in Deutschland und Europa komplett durchsubventioniert und bis ins letzte Detail durchbürokratisiert. Es handelt sich um eine faktische Form der Verstaatlichung, die sich zu totaler Misswirtschaft und zu einer bizarren Bürokratenherrschaft ausgewachsen hat - mit verheerenden Folgen; denn nun kämpfen zu allem Überfluss auch noch tausende von Agrarbürokraten um die Erhaltung ihrer Jobs, indem sie das krakenhafte Subventionsnetzwerk verteidigen.

Jahr für Jahr verteilen die Staaten der Europäischen Union (EU) Subventionen in Höhe von 100 Milliarden Euro an die Landwirtschaft, davon 60 Milliarden direkt über Brüssel. Gut ein Drittel aller EU-Ausgaben fließt in die Agrarsubventionen.

Das führt dazu, dass mit der Landwirtschaft eine Branche in einer Größe künstlich am Leben erhalten wird, die am Markt keine Überlebenschance hätte. Aus ökonomischer Sicht müssten diese Subventionen eingestellt werden. Aber die EU ist einer der größten Subventionszahler überhaupt und wird sich den riesengroßen Geldtopf mit Sicherheit nie aus den Händen reißen lassen - und zwar schon deshalb nicht, weil dann auch viele tausend Agrarbürokraten ihren Job verlören. Das werden die zu verhindern wissen.

Dabei hatte das alles mal so richtig vernünftig und eher hausbacken angefangen. Als 1957 die Römischen Verträge abgeschlossen wurden und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) entstand, war es unter dem Eindruck der Nahrungsmittelknappheit in Kriegs- und Nachkriegszeiten ihr Hauptziel, die Ernährung der Bevölkerung zu sichern. Es sollte sichergestellt sein, dass niemand mehr Hunger leiden muss und immer genügend Nahrungsmittel zur Verfügung stehen - auch wenn mal eine Ernte nicht so ergiebig ausfällt. Damals war das ja noch längst keine Selbstverständlichkeit. Da gab es noch Hungerwinter. Die Subventionierung hatte da noch einen wirklich vernünftigen ökonomischen Sinn.

Die Landwirtschaft ist nun einmal von natürlichen Faktoren wie Klima und Boden abhängig. Dadurch ist sie gegenüber anderen Wirtschaftszweigen benachteiligt - mit der Folge, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln starken Schwankungen unterworfen ist. Um sicherzustellen, dass die Bevölkerung immer gut versorgt ist, wurde die Landwirtschaft subventioniert. Nahrungsmittel sollten nie mehr knapp werden.

Doch was ist aus diesen bescheidenen Anfängen geworden? Ein bürokratischer Wasserkopf-Zyklop in Brüssel, der Jahr für Jahr Milliardenbeträge um sich schleudert und alles daran setzt, diese Summen jedes Jahr noch weiter erhöht zu bekommen. Dabei sind die Kosten für den Betrieb der Brüsseler Bürokratie wahrscheinlich um ein Vielfaches höher als die Agrarsubventionen selbst.

Denn das ist der Fluch demokratischer Entscheidungsprozesse: Wenn erst einmal bürokratische Apparate eingerichtet wurden, können sie nicht einfach wieder abgeschafft werden. Politiker würden das nicht wagen. Die mögen keine unpopulären Maßnahmen. Also bleibt im schlimmsten Fall der bürokratische Wasserkopf selbst dann bestehen, wenn die Subvention wegfallen sollte. Wahrscheinlich aber wachsen beide: die Bürokratie und die Subventionen.

Die Entartung der Subventionen vom Ausgleich von Versorgungsengpässen zur Aufblähung einer gigantischen Agrarbürokratie ist ein Paradebeispiel dafür, wie politisch am Anfang vielleicht einmal sinnvolle Projekte sich verselbstständigen und zur Hydra auswachsen: Sollte es tatsächlich einmal gelingen, einen ihrer Köpfe abzuschlagen, so wachsen gleich zwei neue nach.

Inzwischen ist das vielköpfige Ungeheuer zum Monster geworden. Man kennt das vom einstigen Britischen Kolonialministerium: Obwohl das britische Empire nach Ende des Zweiten Weltkriegs erheblich geschrumpft war und am Ende überhaupt keine Kolonien mehr hatte, wuchs die Anzahl seiner Beamten zwischen 1935 und 1957 auf mehr als das Sechsfache an.

Die Faustformel für die Verteilung der Agrarsubventionen ist vor allem der Umfang der bewirtschafteten Fläche. Ein Aberwitz. So werden nicht einmal dem Anschein nach Kleinbetriebe gefördert, die es noch am ehesten brauchen könnten, sondern Großunternehmen und Großkonzerne, denen es auf Grund von Skaleneffekten ("economies of scale") sowieso besser geht.

Ein Landwirt in Deutschland erhält im Durchschnitt 340 Euro pro Hektar (ha), den er bewirtschaftet. Wenn er also 10 ha bewirtschaftet, bekommt er 3.400 Euro. Hat er hingegen einen großen Ackerbaubetrieb von 500 ha, erhält er jedes Jahr 170.000 Euro. In anderen Ländern - speziell in den neuen Mitgliedsstaaten - ist der Betrag pro Hektar deutlich geringer.

Tatsächlich dient nur ein verschwindend geringer Teil der Subventionen der nachhaltigen Landschaftspflege. Mit fast 40 Milliarden Euro stützt der Staat durch die pauschale Direktzahlung pro Hektar vor allem die Massentierhaltung.

20 Prozent der Betriebe erwirtschaften 80 Prozent der gesamten Produktion. Sie bekommen auch ungefähr 80 Prozent der Direktzahlungen. Die 20 Prozent drücken wegen ihrer Größenvorteile in der Produktion die Preise. Das ist eines der Grundprobleme der Subventionspolitik.

In Deutschland profitieren die Empfänger von Zuwendungen in Höhe von über 7 Milliarden Euro. Spitzenreiter beim Einstreichen des Geldsegens aus den Agrartöpfen sind Frankreich (10 Milliarden) und Spanien (7,5 Milliarden). Dafür zahlt jeder Bürger und jede Bürgerin in der EU pro Jahr etwa 100 Euro in den Agrarhaushalt der Gemeinschaft.

In Deutschland kassiert nur ein Prozent der Großbetriebe 30 Prozent der EU-Agrarmittel, die nach Deutschland fließen. 75 Prozent der kleinen Landwirte müssen sich mit 30 Prozent zufrieden geben. Dabei kommt es schon mal vor, dass für riesige Flächen, die überhaupt nicht bewirtschaftet werden, hohe Summen ausgezahlt werden. Die Subventionsbezieher müssen nämlich keinerlei Leistungsnachweis dafür erbringen, was sie mit den Direktzahlungen machen.

So ist einer der größten Bezieher von Agrarsubventionen der Essener Energiekonzern RWE, der mit Schaufelradbaggern Braunkohle fördert und die Flächen danach wieder begrünt. Mit 10.000 ha, die nach Abbau der Bodenschätze zu Landwirtschaftsfläche mutiert sind, zählt RWE zu den größten Bauern Deutschlands (Jahresgewinn 6,8 Milliarden Euro). Die EU-Zahlungen summierten sich von 2002 bis 2006 auf über 2,1 Millionen Euro.

Noch kurioser sind Fördergelder für globale Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé, dessen Betriebsgewinn 2013 bei 6,5 Milliarden Euro lag: Er bezieht dennoch mehrere Millionen Euro von der EU, weil der Konzern von EU-Bauern Zucker und Milch kauft. Die Logik des Konzerns, die ein Sprecher von Nestlé in einem ARD-Interview äußerte:

Wir kriegen Geld von der EU, damit wir auch weiterhin europäische Milch, europäischen Zucker kaufen können. Diese beiden Produkte sind auf dem Weltmarkt entschieden billiger. Und wenn die europäischen Bauern, deren Verarbeiter wir sind, diese Produkte weiter verkaufen wollen, dann muss jemand dafür sorgen, dass wir einen Rohstoff einkaufen können, der auf irgendeine Art verbilligt wird.