Das Ende einer Legende

Das Internet Underground Music Archive schließt seine Pforten

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Einst eine Legende, heute nur noch ein negativer Bilanzposten: Die traditionsreiche Website des Internet Underground Music Archives - IUMA muss dicht machen. Die IUMA-Schließung soll den angeschlagenen MP3-Händler Emusic.com sanieren.

Die traurige Nachricht erreichte die Musiker des Servers gestern per Email: Wegen fehlender Finanzmittel wird die IUMA-Website geordnet stillgelegt. Ab sofort werden keine neuen Musiker mehr aufgenommen. Außerdem werden alle Angebote eingestellt, die "menschliche Interaktion erfordern", wie es in der Email heißt. Interagieren kann bei IUMA.com nämlich niemand mehr, alle Angestellten wurden soeben entlassen.

Mit diesem Schritt liegt man ganz im Trend, der immer mehr Musik-Startups zu Fucked Companies werden läßt. Treffend heißt es dazu in der Abschiedsmail:

"Dies ist eine harte Zeit für Internet Music Companies, da sich die für unser Geschäft maßgeblichen Regeln täglich ändern. Viele unserer Wettbewerber gehen entweder Pleite, oder sie haben sich mit unzähligen Prozessen auseinanderzusetzen, die gegen sie geführt werden. Niemand scheint diese Zeit unbeschadet zu überstehen, nicht einmal IUMA."

Pioniere der Online-Promotion

Mit IUMA.com schließt eine der ältesten und profiliertesten Online-Musiksites ihre Pforten. 1993 wurde die Site von Jeff Patterson gegründet, um seine eigene Band zu promoten. Berühmt geworden sind die "Ugly Mugs" dadurch nicht, doch die Site wurde schnell zum Promotion-Geheimtipp vieler Indie-Musiker. Anfangs bot man noch Songs noch als WAV-Dateien zum Download an, dann wurde IUMA eine der ersten legalen MP3-Sites. Mitte der Neunziger war sie geradezu Inbegriff der Möglichkeiten, die das Netz Musikern ohne Plattenvertrag bot.

Dann kamen nach und nach die MP3.coms, Besonics und Vitaminics dieser Welt und sprangen auf den Zug auf. IUMA war nur noch eine Site unter vielen, besonders MP3.com erntete durch die clever gewählte Domain weit mehr Aufmerksamkeit. Heute hostet MP3.com mehr als 100 000 Musiker, IUMA dagegen nur rund 20 000. Mitte 1999 kaufte der MP3-Händler Emusic die Site auf, um sie in sein Netzwerk zu integrieren.

Emusic spart sich IUMA

Bis Ende 2000 war die Finanzierung damals zugesichert worden, doch statt diese zu verlängern, dreht Emusic nun den Geldhahn zu. Der MP3-Händler steckt selbst in einer tiefen Krise und hat mit einem extrem schwachen Aktienkurs zu kämpfen. Zu wenig Kunden konnten in den Zeiten von Napster & Co. dafür gewonnen werden, für einzelne MP3-Downloads rund einen Dollar auszugeben. Auch das Angebot einer "Music Flatrate“ - unbegrenzte Downloads für 10 Dollar pro Monat - setzte sich bisher nicht durch. Angeblich hat Emusic dafür bis heute nicht viel mehr als 3000-4000 Abonnenten gewinnen können.

Dies wirkt sich auch auf die gestern veröffentlichte Bilanz für das vierte Quartal des letzten Jahres aus. Zwar konnte der Umsatz auf knapp 5 Millionen Dollar für diesen Zeitraum gesteigert werden, auch der Verlust liegt mit 8,7 Millionen Dollar nur wenig höher als im letzten Jahr. Der größte Teil des Umsatz sind jedoch Webeeinnahmen, die wiederum hauptsächlich mit der zugkräftigen Site Rollingstone.com gewonnen wurden.

Anlässlich der Bilanzvorstellung kündigte Emusic nun an, dieses Jahr durch Umstrukturierungsmaßnahmen rund 16 Millionen Dollar einsparen zu wollen. Künftig will man sich auf den MP3-Verkauf durch Emusic.com und die Werbeeinnahmen der Site Rollingstone.com konzentrieren. Erstes Opfer dieser Politik ist offenbar IUMA. Unklar ist allerdings bisher, was die Zukunft für die anderen Websites des Emusic-Networks bringen wird. Zu möglichen weiteren Schließungskandidaten gehören neben Tunes.com und Downbeat.com auch die Open-Source-Projekte Freeamp sowie Musicbrainz, deren Hauptsponsor Emusic ist.

IUMA lebt weiter - als Windelverbraucher

IUMA verspricht zwar, sich intensiv um neue Investoren zu bemühren, doch in diesen Zeiten dürfte das Vorhaben wohl zum Scheitern verurteilt sein. Zum Glück sorgten die IUMA-Verantwortlichen letztes Jahr dafür, dass man ihre Site auch nach einer Schließung nicht ganz vergessen wird. In einer schlagzeilenträchtigen Werbeaktion versprachen sie schwangeren Paaren 5000 Dollar dafür, dass diese ihr Kind nach der Site nennen. Ganze zehn Iumas hat diese Aktion der Welt beschert, alle zwischen drei und sechs Monate alt. Hoffen wir nur, dass sie nie nach der Bedeutung ihres Namens fragen. Ihre Eltern dürften mit der Erklärung bald einige Schwierigkeiten haben.