Das Fleisch lockt nicht mehr

Kampagne der CMA. Screenshots: www.milch-ist-meine-staerke.de ||

Karlsruhetourist gewinnt gegen CMA

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Tja, die Milch hat es in diesem Fall nicht gemacht. Die Centrale (sic!) Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH hat in Karlsruhe ein rote Karte für ihre Zwangsabgabe erhalten. Wie geht es jetzt weiter mit der innovativen Werbung für die einheimischen Agrarprodukte?

Die CMA, die sich im Jahr 1970 gründete, ist eine private GmbH. Deren Gesellschafter sind unter anderem:

  • der Deutsche Bauernverband,
  • die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie,
  • der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband und
  • der Zentralverband der deutschen Konsumgenossenschaften

Und die CMA hat gegenüber anderen Marketingagenturen einen riesigen Vorteil: Sie muss nicht um Gelder buhlen, sie bekommt sie einfach. Möglich macht das der Absatzförderungsfonds der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft, kurz Absatzfonds genannt. Der sorgt quasi dafür, dass die CMA sich wie die GEZ der Bauern fühlen darf. Statt auf Empfangsgeräte wird eben auf jedes Agrarprodukt eine Abgabe fällig. Egal ob ein Huhn den Hals umgedreht bekommt, Sonnenblumen oder Raps zu Öl verarbeitet oder Kühe gemolken werden – stets ist wie beim Hase-und-Igel-Spiel schon die CMA da und hält die Hand auf. Für ein Rind werden da ganz lässig einmal über 2 Euro fällig.

Wie ein Rindvieh muss sich auch der Landwirt Georg Heitlinger gefühlt haben. Denn zum einen war die CMA so mit ihren kreativen Werbekampagnen beschäftigt, dass ihr bis 2007 völlig die Zeit fehlte, um Bilanzen oder dergleichen zu veröffentlichen. Zum anderen gab es dann auch noch so ein ärgerliches Urteil des EU-Gerichtshofes. „Markenqualität aus deutschen Landen“, so hieß es im Urteil, dürfe nun nicht mehr als Slogan genutzt werden, das diskriminiere nämlich die Produkte aus den anderen EU-Ländern.

Milchbotschafter Bernhard Hoëcker

Wir brauchen Eier

Während also die CMA munter ihrer Kreativität freien Lauf ließ und mit halbnackten Männern und laszivem Beinkraulen die Slogans „Das Beste aus der Hüfte“, „Ich liebe schöne Schenkel“, „Ich steh auf Männer mit Kohle“ (im Bild war ein neckisch seinen nackten Oberkörper zeigender Mann beim Grillen zu sehen) oder „Das erste Mahl vergisst man nie“ (hier aalten sich die Protagonisten im Heu, durch Bier, Wurst und Radieschen war für das leibliche Wohl gesorgt) untermalte wie die übliche sexistische Werbeagentur auf Speed, fühlte sich Heitlinger entnervt und mutierte zum Karlsruhetouristen (Neudeutsch für Leute, die ihr Recht auf eine Verfassungsbeschwerde wahrnehmen).

Heitlinger, der den Segen der Globalisierung anscheinend genauso wenig verstand wie den Segen der Zwangsabgabe, fühlte sich nämlich als Hühnerzüchter vergackeiert ob der Tatsache, dass er für jedes Ei zahlen sollte und damit ein Gütesiegel finanzierte, das nun auch auf dem ausländischen Konkurrenzprodukt prangte. Da Herr HEItlinger nun im Gegensatz zu diversen anderen Leuten zeigen konnte, dass das Hühnerprodukt bei ihm nicht nur produziert, sondern vielmehr auch bei ihm selbst in der Bekleidung vorhanden ist, ging er David-artig gegen den Goliath CMA vor.

Und der David mit der Eischleuder schaffte es tatsächlich, den Riesen CMA zu Fall zu bringen, der sich nun die Wunden leckt und meint, das Urteil sei ja eigentlich ein Beweis dafür, dass die Arbeit der CMA zu gut gewesen sei. Jetzt muss sich die CMA eben als Consultingunternehmen ansehen und für kurze Zeit den alten Zeiten nachtrauern, in denen innovative Werbung noch möglich war Denn mit dem Herumeiern um die staatlich vorgeschriebene Zwangsabgabe und der Vegetarier-Verlockung „Ich mag am liebsten junges Gemüse“, sowie dem Softporno für Non-Vegetarier „Ewig lockt das Fleisch“, ist jetzt Schluss.

Das Urteil könnte aber auch für andere Zwangsabgaben Symbolcharakter haben. Denn ob jeder wirklich noch von der GEZ-Gebühr profitiert, wenn z.B. diejenigen, die den tendenziösen Berichterstattungen der Privaten etwas entgegensetzen wollen und dafür dann Sendungen erstellen, in denen Opfern eine Stimme gegeben wird - das ist die Frage.