Das Fort-Da-Spiel von Saddam Hussein

Während Hussein oder das Regime durch Fernsehauftritte beweisen will, dass der Dikator noch am Leben ist, erweist sich eine angebliche Fatwa des höchsten schiitischen Geistlichen im Irak, nicht zu kämpfen, vermutlich als Ente

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Von amerikanischer Seite wurde schon gehofft, dass Saddam möglicherweise doch zu Beginn des Kriegs getötet worden sei. Jetzt lief er - oder einer seiner Doubles, die es aber laut BND nicht geben soll - im Fernsehen auf Bagdads Straßen, während die US-Armee möglicherweise noch überlegt, wie sie vorgehen soll. Und auch der schiitische Hoffnungsträger der Alliierten, der irakische Ajatollah Sayyid Ali al-Sistani, hat widerrufen, eine Fatwa ausgegeben zu haben, nicht zu kämpfen und Zuhause zu bleiben.

Welche Strategie das in die Enge getriebene Regime eigentlich wirklich verfolgt, lässt sich nicht erkennen. Der irakische Informationsminister kündigte einen Überraschungsangriff gegen die alliierten Truppen um Bagdad an, während diese offenbar ohne allzu großen Widerstand den Flugplatz einnehmen konnten.

Vermutlich setzt das Hussein-Regime auf den Häuserkampf und will die alliierten Truppen in die Falle von Bagdad locken, nachdem das Konzept, nicht das Land, sondern Städte zu verteidigen, zumindest einige Erfolge gebracht hat (über die Zahl derjenigen irakischen Soldaten, die für das Regime ihr Leben freiwillig oder gezwungenermaßen lassen mussten, gibt es bestenfalls Mutmaßungen, aber überhaupt keine wirklichen Anhaltspunkte). Um den Gerüchten entgegenzutreten, die von der US-Regierung bekräftigt wurden, dass Saddam Hussein bereits tot sei (Das Phantom von Bagdad), zeigte sich nun der Diktator für das Fernsehen in Bagdad und besichtigte Bombenkrater. Saddam tauchte in dem Film, der am Freitag ausgestrahlt wurde (und wahrscheinlich wegen des Stromausfalls von nicht vielen Menschen in Bagdad gesehen werden konnte, sodass er vielleicht über arabische Sender vermittelt eher an die Weltöffentlichkeit gerichtet war), in die Menge ein, die ihn - natürlich - bejubelte. Die leibhafte Wiederauferstehung könnte notwendig geworden sein, um den bröckelnden Widerstand oder auch nur die Angst vor der Rache des Regimes zu stärken.

Schon zuvor hatte er in einer Ansprache, in der er die Menschen zum Kampf aufforderte, auch verbal zu erkennen, dass die Aufnahme nach dem "Enthauptungs"-Angriff in der ersten Nacht gemacht worden sein müsste. Er lobte den Bauern, der mit seinem Gewehr am 24. März einen Apache-Hubschrauber abgeschossen haben soll. Das war zumindest immer die Version des irakischen Staatsfernsehens. Ob die Fernsehbilder nun beweisen, dass Saddam noch lebt, ist weiterhin fraglich. Für den BND müsste eigentlich damit klar sein, dass er nicht tot ist, wenn es sich nicht um eine perfide Bildmanipulation handelt. Für andere könnte es sich um einen der Doubles gehandelt haben. Aber auch deren Auftritt würde nicht für die eine oder andere Version sprechen.

Ungelegen dürfte den Alliierten aber auch ein anderer Medienflop werden. Am 3. April ging durch viele Medien die Nachricht, dass Ajatollah Sayyid Ali al-Sistani, der höchste schiitische Geistliche des Landes, in einer Fatwa die Menschen dazu aufgerufen hat, nicht gegen die Amerikaner und Briten zu kämpfen. General Vincent Brooks vom US-Hauptkommando in Katar zeigte sich über diese Nachricht höchst erfreut: "Wir glauben, das dies ein sehr wichtiger Wendepunkt und ein weiteres Indiz dafür ist, dass sich das irakische Regime seinem Ende nähert."

Tatsächlich wäre dies eine wichtige Veränderung, weil viele muslimische Geistliche sich gegen den Krieg und für den Dschihad gegen die Invasoren ausgesprochen haben (Tödlicher Staub). Der 73-jährige Ajatollah ist nicht nur der höchste Geistliche, sondern auch ein Symbol des Widerstands für die Schiiten. Er stand 10 Jahre lang in der Heiligen Stadt Nadschaf unter Arrest des Hussein-Regimes und wurde von Husseins Geheimpolizei bewacht. Mit der Eroberung der Stadt durch alliierten Truppen vor wenigen Tagen sind die Wachen geflohen. Im September des letzten Jahres hatte al-Sastani allerdings noch eine Fatwa ausgesprochen, die zum Kampf gegen die möglichen Invasoren aufrief.

Nach einem Bericht des Senders al-Dschasira, der sich dadurch wahrscheinlich nicht beliebter macht, hat der Ajatollah aber seine angebliche Fatwa widerrufen. Auch Islam Online bestätigt diese Behauptung. Danach sei die Falschmeldung von der in London sitzenden Al-Khoiy Organisation ausgegangen. Es herrscht also erneut Verwirrung im Spiel der Propaganda, die von allen Seiten inszeniert wird und trotz oder vielleicht auch wegen aller Medienpräsenz den "fog of the war" immer dichter werden lässt.