Das Internet ist eine Mode von gestern

... und wer ständig elektrische Gitarre spielt, behält sein Haupthaar - der 80er-Jahre-Rockstar Prince gewährt dem Daily Mirror Einblick in seine Welt

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Ende der 1970er Jahre mischte der amerikanische Musiker Prince Rogers Nelson ein bisschen Little Richard mit ein wenig Sly Stone, Funk und Synthesizern. Damit blieb er relativ erfolglos - bis MTV die Stücke Controversy, 1999 und Little Red Corvette (ein Preislied auf eine Vagina) rauf und runter spielte und ihn damit zum Star machte. Was danach kam, war musikalisch weniger interessant, ließ den Musiker aber zu einer der kommerziell erfolgreichsten Mainstream-Rockgrößen der 1980er Jahre werden.

1993 zerstritt er sich mit seinem Rechteinhaber Warner und musste deshalb die nächsten sieben Jahre lang auf seinen ersten Vornamen verzichten, weshalb er seinen Ausstoß in dieser Zeit nur mit einem Symbol kennzeichnete und sich von der Presse als "The Artist Formerly Known As Prince" titulieren ließ.

Nun gab Prince dem Daily Mirror ein Interview mit bemerkenswertem Inhalt. Es ist Teil einer Kooperation mit der englischen Tageszeitung, die das neue Album 20TEN ihrer nächsten Samstagsausgabe auf CD beilegt. Auch anderswo erscheint es als kostenlose Zeitungsbeigabe: In Schottland bei der Daily-Mirror-Schwester Daily Record, in Frankreich beim Courrier International, in Belgien beim Nieuwsblad und in Deutschland beim hiesigen Rolling Stone. Bereits 2007 hatte Prince sein Album Planet Earth mit der Wochenzeitung Mail on Sunday unters Volk gebracht.

Offenbar sollen die Deals mit den Zeitungen, die auch Interviews und Ticketverlosungen beinhalten, für Konzerte werben, mit denen der Musiker in der jüngeren Vergangenheit viel Geld verdiente: Seine Musicology-Tour spielte 2004 87,4 Millionen US-Dollar ein und in London kam er 2007 mit nur drei Auftritten in der O2-Arena auf stolze 22 Millionen US-Dollar.

Prince Rogers Nelson. Foto: Nicolas Genin. Lizenz: CC-BY-SA.

Allerdings schildert die Home Story, für die der Zeitungsjournalist Peter Willis weder eine Kamera noch ein Aufnahmegerät oder ein Mobiltelefon mitbringen durfte, eher eine Audienz als einem Interview: Willis wird von einer Backgrundsängerin vom Flughafen in das Paisley-Park-Anwesen chauffiert, wo ihm der ganz in Seide gekleidete Musiker das neue (insgesamt 27.) Album vorspielt, was in dem "eingebetteten" Journalisten den Werbetexter weckt:

Alle Ängste, dass es [das Album] uninspirierend sein könnte, verschwinden, als sich meine Beine zu bewegen anfangen. Es steckt sofort an. Verblüffend. Dankenswerterweise ist es eine Rückkehr zu seiner früheren glänzenden Form, die Millionen von Fans auf der ganzen Welt fesselte - und ich liebe es.

Fragen nach seinem Leben und nach Michael Jackson beantwortet Prince nicht, erzählt aber dafür mit um so größeren Eifer von seiner Religion, dem Kult der Zeugen Jehovas, der ihn auch bei der Namensgebung seines neuen Albums inspirierte. In diesem Zusammenhang bemängelt Prince die mangelnde Gottesfurcht der Menschheit im allgemeinen und der Jugend im Speziellen und zeigt Willis sein "Wissenszimmer" - eine Bibliothek mit Büchern religiösen Inhalts. Auch in der privaten Disco des Veganers gibt es neben tanzenden Background-Sängerinnen, Obst, ungekochtem Gemüse und stillem Mineralwasser eine große Bibel.

Religionsartig wirkt auch eine Erklärung des Musikers, dass er ernsthaft daran glaube, beim Spielen einer elektrischen Gitarre fließe Strom durch seinen Körper, der dafür sorgt, dass ihm die Haare nicht ausfallen. Ähnlich exotisch sind seine Thesen zum Internet, das seiner Ansicht nach "wie MTV" ist - nämlich einst hip und jetzt "veraltet". Zudem, so Prince, seien Computer und digitale Gadgets allgemein "nutzlos", weshalb er sich solchen Vertriebswegen verweigern würde.

1998 hatte der damals in einer Auseinandersetzung mit der Musikindustrie befindliche Musiker eine limitierte 5-CD-Box ausschließlich über eine Website vertrieben. Von 2001 bis 2004 versuchte er den kompletten Musikverkauf über den Online-Club NPG Music laufen zu lassen, dessen Nutzer sich für 25 Dollar "lebenslang" registrieren lassen konnten. Nachfolger des 2006 eingestellten Angebots wurde 2009 Lotusflow3r.com - ein Portal, bei dem die Mitgliedschaft 77 Dollar kostete und das Prince schon nach einem Jahr wieder zumachte. Allerdings erschienen auch 2010 mit Purple and Gold, Cause and Effect und Hot Summer noch drei seiner Stücke exklusiv online.

Ebenfalls seit Ende der 1990er Jahre machte der möglicherweise durch die Ansprüche des Warner-Konzerns markenrechtlich traumatisierte Musiker damit auf sich aufmerksam, dass er mittels Anwälten Fan-Websites bedrohte, denen er unter anderem die Abbildung seines Symbols vorwarf. Aufsehen erregte dabei unter anderem ein Fall aus dem Jahr 2007, der ein 29 Sekunden langes YouTube-Video eines "tanzenden" Babys" betraf, in dem ein kaum erkennbares Prince-Stück im Hintergrund lief.