Das Reich der Mitte im Brennpunkt zwischen Krieg und Frieden

Joe Biden und Xi Jinping. Foto (November 2022): Weißes Haus /gemeinfrei

VR China spricht sich in neuem Sicherheitskonzept für UN-Friedensagenda und gegen "Hegemonismus" aus. Außenminister warnt vor nuklearer Eskalation. Ungarn in Beratungen eingebunden.

Während der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf der Münchener Sicherheitskonferenz (MSC) im Namen seines Landes noch einmal klarstellte, dass die Ukraine "diesen Krieg gewinnen muss", mehren sich die Stimmen seiner Landsmänner, die eine Verhandlungslösung der Entscheidung auf dem Schlachtfeld vorziehen – prominent angeführt von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, Heribert Prantl oder auch Jürgen Habermas.

Doch auch auf internationaler Bühne wird das Narrativ von einem endgültigen Sieg der Ukraine zunehmend in Zweifel gezogen. Das bezeugt unter anderem Brasiliens Desinteresse an weiteren Waffenlieferungen.

Konzeptpapier adressiert vor allem USA

Wie von Telepolis berichtet, traf Pistorius auf der MSC auch mit dem ehemaligen Außenminister und obersten Diplomaten der Volksrepublik, Wang Yi, auf einen Wider-Redner.

Bei der Vorlage des neuen Konzeptpapiers zur Globalen Sicherheitsinitiative (GSI), welches Präsident Xi Jinping bereits im April angekündigt hatte, meldete sich am Dienstag nun auch der amtierende Außenminister Qin Gang zu Wort:

China ist tief besorgt, dass der Konflikt eskaliert und sogar außer Kontrolle geraten könnte.

Qin Gang

Daran, dass vor allem die USA der ungenannte Adressat des Konzeptpapiers sind, ließ er wenig Zweifel:

Gleichzeitig drängen wir betreffende Länder, sofort damit aufzuhören, das Feuer anzufachen, damit aufzuhören, China zu beschuldigen, und damit aufzuhören, lautstark zu tönen: "Ukraine heute, Taiwan morgen".

Qin Gang

Dieser Tenor findet sich auch im vorgelegten Papier wieder. Dessen "Kernkonzepte" lesen sich analog zu denjenigen der transpazifischen China Trade Policy Working Group – über die Telepolis bereits im vergangenen November berichtete – und lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Fokus auf einer "nachhaltigen" und "gemeinschaftlichen", globalen Sicherheitsarchitektur
  2. Achtung der nationalen Souveränität und territorialen Integrität
  3. Festhalten an den Prinzipien und Zielen der UN-Charta
  4. Achtung der "legitimen Sicherheitsbedenken" anderer Länder
  5. Friedliche und diplomatische Lösung von Konflikten
  6. Aufrechterhaltung Sicherheitsstandards im traditionellen und neuartigen (digitalen) Bereich

Anschließend gibt die VR konkrete Ratschläge, wie die genannten Ziele zu erreichen sind. Unter Berufung auf die Common Agenda der Vereinten Nationen empfiehlt Peking unter anderem, am Atomwaffensperrvertrag festzuhalten (dessen Aussetzen Wladimir Putin bei seiner Rede zur Lage der Nation ebenfalls als Konfliktgrund anführte), die internationale Kooperation in Bezug auf Biowaffen und -forschung zu stärken sowie Angelegenheiten in "regionalen Hotspots" auf "politischem", also: diplomatischem Wege zu klären.

Weiterhin wird im Namen der Kommunistischen Partei für eine ungehinderte Kooperation der ASEAN-Staaten sowie eine Stabilisierung und Unterstützung der Länder des Mittleren Ostens, Afrikas sowie Lateinamerikas und der Karibik beim Aufbau von Frieden und Sicherheit plädiert.

Außerdem benennt das Papier ganz konkret die Shanghai Cooperation Organization (SCO) und die BRICS-Staaten als eigenständige Entitäten, mit denen es künftig zusammenzuarbeiten gelte.

Westliche Beobachter misstrauen der Friedensinitiative

Am Dienstag berichtete der chinesische Staatssender CGTN, dass China zusammen mit Ungarn über eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts berät.

Ungarns Präsident Viktor Orbán hat seinerseits früh für Verhandlungen plädiert und zugleich durch seine tendenziell russlandfreundliche Haltung und das ominöse Tragen eines Fußball-Schals mit den trans-ukrainischen Grenzen des ehemaligen Ungarn für Irritationen gesorgt.

In der Berichterstattung westlicher Medien werden Chinas Friedensbemühungen derweil mit Skepsis bis Unglaubwürdigkeit bedacht. So zitiert die Tagesschau eine Sprecherin des transatlantischen German Marshall Funds of the United States (GMF) mit der Aussage, dass Zweifel an der Rolle Chinas als neutraler Vermittler angebracht seien.

Gegenüber dem britischen Guardian kritisierte die taiwanische Universitätsprofessorin Zsuzsa Anna Ferencz, dass China die eingeforderte Achtung territorialer Grenzen im Falle der Ukraine selbst nicht respektiere.

Der chinesische Friedensplan lässt sich allzu leicht als Signal an den "Hegemon" USA verstehen, sich einer multipolaren Weltordnung zu beugen und insbesondere nicht mit den chinesischen Interessen zu interferieren.

Das legen auch Berichte der chinesischen Staatsmedien nahe, die das Papier als Kampfansage gegen den US-"Hegemonismus" präsentieren. Der Rekurs auf die UN als völkerrechtliche Institution scheint dem chinesischen Ansinnen Glaubwürdigkeit zu verleihen, selbst wenn man an deren Integrität zweifeln kann.