Das Schlamassel der Geldpolitik

Die EZB weigert sich, Zielkonflikte zwischen Leitzinsen und Inflation anzuerkennen. Sie ist geldpolitisch in einem Dilemma. Was zu beachten ist. Ein Gastbeitrag.

Vom kürzlichen Bankenbeben, bei dem mehrere mittlere US-Banken sowie die Credit Suisse kollabierten und anschließend die Kurse europäischer Bankaktien abstürzten, gab sich die EZB reichlich unbeeindruckt.

Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde ging sogar in die Offensive. Den aufkommenden Zweifeln an der Inflationsbekämpfung in Anbetracht steigender Instabilität an den Finanzmärkten hielt sie entgegen, dass es "keinen Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und Finanzstabilität" gebe. Eine "Separation" dieser beiden divergierenden Ziele sei möglich, denn die EZB habe "genügend Instrumente, um das Finanzsystem bei Bedarf mit Liquidität zu versorgen", und könne daher einen Crash verhindern.

Unabhängig davon gelinge es "die reibungslose Übertragung der Geldpolitik zu gewährleisten", also preisstabilisierende Zinssteigerungen durchzusetzen. Bisher ist diese Aussage noch keinem Test unterzogen worden, denn die Zentralbanken sind diesem Zielkonflikt seit dem Beginn der Inflation vor mehr als zwei Jahren konsequent ausgewichen.

Die Geldpolitik der EZB, so Bundesbankpräsident Joachim Nagel, ist noch immer nicht im "restriktiven Bereich" angelangt, wirkt also nicht inflationsdämpfend. In der Eurozone wachsen sowohl Geldmenge als auch Kreditvolumen und das Realzinsniveau ist gegenüber der Vor-Inflationszeit gesunken.

Das offenbart, dass die Zentralbanken längst Opfer des Zielkonflikts sind, dessen Existenz Lagarde abstreitet. Die Probleme liegen sogar noch viel tiefer. Eine straffere Geldpolitik hätte, anders als von Lagarde behauptet, nicht nur Auswirkungen auf das Finanzsystem. Weit gravierender und für die Stabilität des gesamten wirtschaftlichen Gefüges letztlich entscheidend, wären die Auswirkungen auf die Realwirtschaft.

Seit der Finanzkrise 2008 stecken die entwickelten Volkswirtschaften in einer wirtschaftlichen Depression. Trotz immer umfangreicherer geldpolitischer und fiskalischer Stimulierung gelingt nur noch ein minimales und zudem fragiles Wachstum. Die Wirtschaft droht dennoch immer wieder in Rezessionen abzugleiten und phasenweise stagniert die Wirtschaftsleistung.

Arbeitsproduktivität und Reallöhne steigen seit Jahrzehnten kaum noch und im Verhältnis zur ihrer Wertschöpfung sacken die Investitionen der Unternehmen immer weiter ab. Das Wirtschaftswachstum hängt fast komplett vom privaten Konsum ab.