Das Tote Meer trocknet aus

Rettung soll eine 220 km lange Pipeline bringen, ein Gemeinschaftsprojekt von Jordanien und Israel

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Wer kennt nicht die Bilder vom Toten Meer, mit den Badenden, die im Wasser liegen, ein Buch, die Zeitung lesen oder sogar ein kleines Nickerchen machen. Wo sich heute die Touristen tummeln, holte sich schon Cleopatra ihre medizinischen und kosmetischen Rohstoffe. Was für Jahrtausende als eine Selbstverständlichkeit der Natur galt, ist nun gefährdet. Die Moderne macht auch vor dem Toten Meer nicht Halt. Massentourismus und Industriebetriebe sind dafür hauptsächlich verantwortlich, dass der Wasserstand am tiefsten Punkt der Erde jedes Jahr etwa einen Meter sinkt.

Vor 40 Jahren lag das Tote Meer 392 Meter unter dem Meeresspiegel. Heute sind bereits 412 Meter. Geht es zehn Jahre so weiter, wird der Umfang des Salzmeeres im Vergleich zu 1960 um ein Drittel abgenommen haben. Von rund 1.000 qkm sind dann nur mehr 650 qkm übrig - und im Jahr 2050 wird das Tote Meer ganz verschwunden sein.

Aus diesem Grund haben sich die zuständigen Behörden aus Jordanien und Israel zusammengetan, um das drohende Ende des Toten Meers zu verhindern. Man will eine Pipeline vom Roten zum Toten Meer bauen, um die Wasserzufuhr für das Salzmeer konstant zu halten. Jährlich sollen etwa 450 Mio. Kubikmeter Wasser über diese rund 220 Kilometer lange Pipeline ins Tote Meer fließen. Kostenpunkt dieses Großprojektes liegt zwischen 850 Mio. und 1 Milliarde Dollar.

Das Tote Meer. Satellitenaufnahme vom 28.5.2002. Bild: Nasa

Die Hauptverantwortlichen, die diese Pipeline zum ersten Mal auf dem UN-Weltgipfel 2002 in Südafrika zu Sprache brachten, sind Bassem Awadallah, der jordanische Planungsminister, und Roni Milo, der damalige israelische Minister für regionale Kooperation. Beide bekamen für ihre Idee den Friedenspreis der Internationalen Friedensorganisation durch Tourismus im Februar diesen Jahres.

Seit fast einem Jahr arbeitet ein Team von der "Israelischen Geologischen Institut" und der "Fakultät für Geologie" der Universität Amman an einer Studie, ob die Mischung von unterschiedlichem Meerwasser, mit unterschiedlichen Salzgehalten mögliche negative ökologische Folgen haben kann. Bisher wurde aber nichts festgestellt, was gegen einen Zufluss aus dem Roten Meer sprechen könnte.

Finanziert wird die Pipeline, die zu Zweidrittel durch Jordanien verläuft, zum größten Teil durch die Weltbank. "Jordanien ist der Schlüssel für eine Unterstützung durch die Weltbank", sagte Roni Milo. "Wenn die Pipeline auf israelischem Gebiet gebaut würde, wäre es unmöglich eine Finanzierung zu bekommen."

Abgesehen von der Rettung des Toten Meers gibt es noch einen wichtigen Nebeneffekt dieser Pipeline, der sie wirtschaftlich rentabler macht. Bevor das Wasser in das Tote Meer fließt, legt es einen Höhenunterschied von 126 Meter über dem Meeresspiegel auf 412 Meter unter dem Meeresspiegel zurück. Eine ideale Gelegenheit also, Elektrizität zu gewinnen. Außerdem plant man auf jordanischer Seite von dem aus dem Roten Meer abgepumpten Wasser, einen Teil zu entsalzen und in den Wasserhaushalt von Amman und Umgebung einzuspeisen. Wasser ist im Mittleren Ost ein äußerst kostbares Gut. Entsalzung ist ein Mittel dem Mangel an natürlichen Süßwasserressourcen zu begegnen. Alleine Saudi-Arabien produziert jedes Jahr 1 Milliarde Kubikmeter entsalztes Wasser, wobei sie keine Kosten und Mühen scheuen. Die Produktionskosten für einen Kubikmeter Wasser liegen zwischen einem und zwei Dollar. Die Saudis benützen das teure "multiple flash system".

Die Israelis, deren Entsalzungsmethode("reverse osmosis") um die Hälfte billiger ist, haben an der Wassergewinnung aus dem Pipeline-Projekt allerdings kaum Interesse. An der Mittelmeerküste haben sie bereits zwei große Entsalzungsanlagen. Eilat, die ganz im Süden Israels gelegne Stadt, wird komplett mit entsalztem Wasser aus dem Roten Meer versorgt. "Man sollte nicht vergessen", sagt Roni Milo, "der Hauptzweck des Unternehmens ist, das Wasser im Toten Meer aufzufüllen. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind sekundär".

In fünf Jahren soll es spätestens soweit sein, bis das erste Wasser aus dem Roten ins Tote Meer fließt. Die Touristen, aber vor allem aber die zahlreichen Touristenunternehmen der Region werden sich freuen. Auch in ferner Zukunft wird man im Wasser gemütlich ein Buch oder die Zeitung lesen können. Vorausgesetzt natürlich, dass nichts dazwischen kommt. Fünf Jahre ist im Nahen Osten eine verdammt lange Zeit. In dieser Region voller Konflikte weiß man nie, was noch alles passieren wird.