Das Universum ist vielleicht viel älter als 15 Milliarden Jahre

Wissenschaftler-Team hat außergewöhnlich große Mengen von Eisen in einem Quasar entdeckt

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Die Quasistellare Radioquelle APM08279+5255 leuchtet mit einer Kraft, die mehr als eine Billiarde Mal der Energie unserer Sonne entspricht. In seiner Mitte verbirgt sich ein gigantisches schwarzes Loch, das von seinem Rand intensive Röntgenstrahlung aussendet. Damit ist der weit entfernte Quasar eines der leuchtkräftigsten Objekte im Universum und das Bild, das wir - verstärkt von einer Gravitationslinse - von ihm empfangen, stammt aus der Zeit, als das All erst 1,5 Milliarden Jahre alt war.

Der Quasar APM08279+5255 unterhalb einer gigantischen Gaswolke, die so schwer ist wie eine normale Galaxis. Bild: Anglo-Australian Observatory, Sydney/Geraint Lewis

Davon wurde jedenfalls seit seiner Entdeckung im Jahr 1998 ausgegangen. Jetzt aber berichten Günther Hasinger und Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und Norbert Schartel von der Europäischen Raumfahrtagentur in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters über ihre Spektralbeobachtungen von APM08279+5255 mit dem Röntgenobservatorium XMM-Newton. Sie fanden ungewöhnlich hohe Werte für den Eisengehalt.

Wenn die Analysen stimmen, enthält der Quasar drei Mal mehr Eisen, als heute in unserem Sonnensystem vorhanden sind. Das ist ein höchst erstaunliches Ergebnis, denn bislang geht die Astrophysik davon aus, dass Metalle im Inneren von massereichen Sternen durch nukleares Brennen erbrütet werden und dann nach deren Supernova-Explosion in den stellaren Raum geschleudert werden, wo sie sich mit der Materie vermischen, aus der wiederum neue Sterne entstehen (Vgl. Die Entstehung der Elemente). Nach den gängigen Theorien sollte der sehr junge Quasar sehr viel weniger Eisen enthalten, als unser Sonnensystem, denn die Sonne ist ungefähr neun Milliarden Jahre alt. Die Spektralanalyse von APM08279+5255 ergab, dass der Quasar viel Eisen, aber kaum Sauerstoff enthält, das Eisen/Sauerstoff-Verhältnis ist etwa drei- bis fünfmal so hoch wie in unserem Sonnensystem.

Links ein XMM-Newton-Röntgenbild des Quasars, rechts die Analyse der Strahlung. Die "Delle" im Spektrum des Quasars APM 08279+5255 (XMM-Newton-Foto links) stammt von dem Element Eisen. Ähnlich wie Mediziner mittels Röntgenstrahlen unsere Knochen darstellen können, weil sie für Röntgenstrahlung undurchlässig sind und daher dunkel erscheinen, sind die ausströmenden Eisenwolken von APM 08279+5255 undurchlässig für die Röntgenstrahlen, die im Zentrum des Quasars entstehen: Bei der für Eisen charakteristischen "Absorptionsenergie'' (Pfeil) fehlt ein Teil des Röntgenlichtes. Bild: ESA/MPE

Massereiche Sterne, die ihr Lebens in gigantischen Explosionen aushauchen, leben sehr lange - bisher wurde von mindestens einer Milliarde Jahre ausgegangen. Sie sind die Eisenproduzenten im All. Im Zentrum von APM08279+5255 muss es ein wahres Feuerwerk an Supernovae geben, seine hohe Leuchtkraft erklärt sich aus der extremen Gier seines schwarzen Loches, das jährlich viele Sonnenmassen in Form von Sternenstaub verschlingt. Dennoch reicht das nicht aus, um den Eisengehalt zu erklären, denn dazu ist die Lebensspanne eisenproduzierender Sterne eigentlich zu lang.

Hasinger und Kollegen zweifeln deshalb folglich das Alter des Universums an:

Entweder gibt es eine effizientere Art, Eisen zu erzeugen - quasi eine Art kosmische ’Eisenfabrik' -, oder das Universum ist bei einer Rotverschiebung von z = 4, wie sie der Quasar besitzt, bereits viel älter als bisher angenommen. Was bedeutet dieses "z"? Das Licht, das die Astronomen von weit entfernten Objekten empfangen, war lange Zeit unterwegs. Daher ist ein Blick in große Entfernungen auch immer ein Blick in die Vergangenheit des Universums - Teleskope ähneln Zeitmaschinen. Der Vorstoß in die größten Distanzen ermöglicht einzigartige Einblicke in die Frühphase des Weltalls. Während der Zeit, in der das Licht einer fernen Galaxie den weiten Weg zur Erde durchläuft, expandiert der gesamte Raum - und damit wächst auch der Abstand zwischen Wellentälern und -bergen des Lichts. Diese "Dehnung" führt zu größeren Wellenlängen, also zu einer Rotverschiebung (z) des Lichts, und gilt als Maß für die Entfernung einer Galaxie oder eines Quasars und damit für deren Alter: Je höher der "z"-Wert eines Objekts, desto größer sein Abstand und desto geringer sein Alter. In der Entfernung des Quasars APM 08279+5255 (z = 3,91) hatte das Weltall gerade einmal etwa ein Zehntel seines jetzigen Alters von rund 15 Milliarden Jahren; das Quasarlicht stammt also aus der Kinderstube des Kosmos.

Weitere Forschungen werden notwenig sein, um die Bedeutung der Rotverschiebung für das tatsächliche Alter weit entfernter Objekte zu überprüfen und damit eine präzisere Bestimmung des Zeitpunkts des Urknalls und der Sternenentstehung zu erreichen. Die Astrophysiker hoffen mit dem neuen europäischen Röntgenobservatorium XEUS in Zukunft schwächer leuchtende Objekte zu untersuchen und jetzt noch offenen Fragen beantworten zu können.