Das Wiedererstarken der Religion und der Aufstieg der Neuen Rechten

Der christliche Fundamentalismus und der Begriff des Jüdisch-Christlichen dominieren den politischen und religiösen Diskurs in Ungarn

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Nachdem die Kommunisten in den später 80er und frühen 90er Jahren in Osteuropa schnell ihre Macht verloren, sind in der Region Religion und Politik wieder aufgelebt. Beide wurden mit unterschiedlicher Härte in den einzelnen Ländern unterdrückt. Ungarn gehörte nicht zu den schlimmsten Ländern, zumindest im Hinblick auf die Religion. Es gab es ein gewisses Maß an Religionsfreiheit, besonders gegen Ende der kommunistischen Herrschaft.

Mit dem Zerfall des Eisernen Vorhangs wurden die bestehenden Restriktionen aufgehoben. In der Folge machten politischer Parteien ihren Auftritt oder tauchten aus dem Verborgenen auf. Dazu gehörten eine Reihe von "traditionellen" Parteien wie die Christdemokraten und die Bauernpartei, die es bereits vor der kommunistischen Machtergreifung in den späten 1940er Jahren gegeben hat.

Zehn Jahre später lässt sich in Ungarn sehen, wie die Religion und die Politik auf der Seite der Rechten durch eine neokonservative (neocon) Variante zusammen geführt worden ist, die Vorstellungen des christlichen Fundamentalismus in Religion und Politik einführen will. Im Zentrum von allem steht dabei der Begriff des Jüdisch-Christlichen.

Dieser Begriff sucht eine enge Verbindung zwischen dem Judaismus und dem Christentum herzustellen. Aber diese Verbindung gibt es in Wirklichkeit nicht, sondern sie ist eine vage Vorstellung, die geschickt von christlichen Fundamentalisten und der extremen Rechten geschmiedet wurde, um einem größeren politischen Programm zu dienen. Sie wird besonders als Mittel benutzt, um einem Staat stillschweigend Unterstützung zu verschaffen, der häufig Akten des Terrorismus begeht: dem gegenwärtigen Staat Israel (Der Nahost-Konflikt und die Koalition aus konservativen Christen und Juden in den USA)

Gottes CNN

Es gibt starke und weiter wachsende Verndinungen zwischen rechten christlichen Fundamentalisten und rechten israelischen Expansionisten. Viele christliche Fundamentalisten betrachten sich selbst als christliche Zionisten. Der christliche Zionismus wird durch Genesis 12:3 inspieriert:

Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen.

Nach Don Wagner, einem Religionsprofessor und Direktor des Center for Middle Eastern Studies an der North Park University in Chicago haben christliche Zionisten diese Bibelstelle so interpretiert, dass Menschen und Staaten, die den Staat Israel unterstützen, von Gott gesegnet werden: "Es erlangte die Bedeutung einer politischen, wirtschaftlichen und moralischen Unterstützung, die oft unkritisch dem Staat Israel zukommt."

Die meisten fundamentalistischen Christen sind folglich fanatisch pro-israelisch, wie bei "Stand Up for Israel" der Fall ist, einer Gruppe in den USA, die entstanden ist, um "Christen und andere Menschen des Glaubens für die Unterstützung des Staats Israel zu mobilisieren". US-Präsident Bush selbst hat überdies sehr enge Verbindungen mit christlichen Fundamentalisten, vor allem mit Franklin Graham. In den USA ist Graham nicht nur als Sohn des legendären Priesters Billy Graham bekannt, sondern auch dafür, den Islam "eine sehr böse und gottlose Religion" zu bezeichnen.

Der christliche Fundamentalismus gibt sich nicht zufrieden, zu den Konvertierten in Nordamerika zu predigen. Sein Einfluss hat sich weltweit ausgebreitet, bis hin in abgelegene Regionen wie die Mongolei (Mongolia's New God. Russell Mokhiber und Robert Weissman erläutern in einem Artikel mit dem Titel Grace News, wie eine Organisation, die sich Grace News Network nennt, die Massenmedien als "einzigartiges Werkzeug im Plan des Herrn für die Welt" verwendet. "Grace News Network wird die aktuellen weltlichen Nachrichten berichten, zusammen mit aggressiven Kommentaren, die 'die Nachrichten verändern', um das Königreich Gottes und seine Zwecke zu reflektieren", sagt GNN.

Mokhiber und Weissman weisen darauf hin, dass GNN auch einen Dokumentarfilm mit dem Titel: "Israel: Divine Destiny" produziert hat, der im September 2002 auf dem National Press Club gezeigt wurde. Der Film geht über das Schicksal Israels und die Rolle, die die USA dabei spielen.

Vorwärts christliche Soldaten

Es ist kein Zufall, dass der Begriff des Jüdisch-Christlichen, der im ehemaligen Ostblock früher nicht verwendet wurde, den Aufstieg des christlichen Fundamenbtalismus in den osteuropäischen Ländern begleitet hat. In Ungarn lässt sich dies an der zunehmenden Zahl von religiösen Predigern, die auf öffentlichen Plätzen und im Fernsehen ihr Dogma verkünden, und den überall in Budapest gesprühten "Jesus liebt dich"-Graffitis sehen.

Die hinter dem Begriff des Jüdisch-Christlichen liegenden Vorstellungen haben langsam Eingang in den traditionellen religiösen Diskurs und in die Politik gefunden. Das wiederum hat den Weg für die neue Rechte geebnet. Diese sucht nicht nur durch die "traditionellen" Werte, die um Familie, Religion und Moral kreisen, auszubeuten, sondern auch ihren Raum im politischen Spektrum durch ein kompliziertes Netzwerk von Allianzen und Verbindungen zu kontrollieren. Wer nicht mitspielt, wird an den Rand gedrängt und politisch kalt gestellt. Das Ende der Bauernpartei war ein klassisches Beispiel. Die Partei konnte im postkommunistischen Ungarn ein Jahrzehnt lang mit einer soliden Wählerschaft von 10 Prozent rechnen. Nach den Machenschaften konnte sie gerade noch ein Prozent in den Wahlen 2002 zusammen kratzen.

Die politische Landschaft in Ungarn und der gesamten Region geht von einer pluralistischen Demokratie mit vielen Parteien in ein Zwei-Parteien-System über, das in eine wirtschaftlich Linke und Rechte aufgeteilt ist. Da ist eine politische Szene, die für die meisten Demokratien der westlichen Industriegesellschaften zur Grundlage wurde. Sie dient auch zur Definition der Außenpolitik nach den Grundzügen, die Huntington als "Kampf der Kulturen" betrachtet hat. Überdies verschafft sie Israel eine unkritische Unterstützung bei der gegen die Palästinenser gerichteten Politik.