Deadly Weapons

Trotz zahlreicher Medienberichte ist ausgesprochen fraglich, ob die Idee von Selbstmordattentäterinnen mit Sprengstoff in Brustimplantaten schon in die Realität umgesetzt wurde

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Das, was die Daily Mail am 30. Januar berichtete, war auch aufmerksamkeitsökonomisch gesehen explosiv: Agenten des britischen Geheimdienstes MI5, so das Blatt, hätten bei der Beobachtung arabischer Websites festgestellt, dass Islamisten auf die Pläne zum Einsatz von Nacktscannern mit Diskussionen über die Unterbringung von Sprengstoff im und nicht am Körper reagieren.

Dabei zitierte die Zeitung eine nicht namentlich genannte "wichtige Quelle" mit der Auffassung, dass Männer sich den Sprengstoff für solche Zwecke in den Bauch oder in die Hinterbacken einnähen lassen müssten, während Frauen ihn sich wie ein Brustimplantat einpflanzen lassen könnten. Inwieweit sich eine Unterbringung in den Hinterbacken mit langem Sitzen in Flugzeugen oder unauffälligem Gehen an Kontrollpunkten verträgt, wurde von der Daily Mail nicht weiter problematisiert.

In Doris Wishmans Film "Deadly Weapons" tötet Chesty Morgan mit ihren Brüsten

Joseph Farahs World Net Daily (WND) griff die Daily-Mail-Meldung nicht nur auf, sondern reicherte sie mit zusätzlichen Behauptungen an: Danach wendete al-Qaida die Brustimplantatmethode bereits an. In welchen Fällen dies konkret der Fall gewesen sein soll, ließ das Blatt zwar offen, illustrierte die Meldung aber mit einem Foto der palästinensischen Selbstmordattentäterin Iat Alacharas, die sich in einem Supermarkt in Kiryat Yovel in die Luft sprengte. Allerdings trug Alacharas den Sprengstoff nicht in ihrem Busen, sondern in ihrer Handtasche versteckt.

Darüber hinaus informierte World Net Daily, dass in englischen Kliniken ausgebildete Ärzte aus fremden Ländern darauf warten würden, neuen Terroristen Sprengstoff einzupflanzen. Bauch und Hinterbacken, so WND, eignen sich dafür angeblich deshalb ganz besonders, weil sich Diabetiker hierhin Insulin spritzen, weshalb das Zünden des Unterhosenbombersprengstoffs Nitropenta durch eine Spritze mit Acetonperoxid nicht weiter auffällt. Weiter wollte die Zeitung erfahren haben, dass der MI5-Chef Jonathan Evans eine Sonderarbeitsgruppe eingerichtet hat, welche die aus solchen Methoden resultierende Bedrohung untersuchen soll.

Obwohl World Net Daily unter anderem Jerome Corsi beschäftigt, der sich durch mehrere spektakuläre Falschmeldungen einen Namen machte, übernahmen nicht nur die Bild-Zeitung, sondern zahlreiche andere Medien die Meldung in ihrer erweiterten WND-Variante. Ein von Bild Online unter die Behauptung, dass die Methode bereits eingesetzt wurde, gesetzter Link führt lediglich auf eine Übersicht zu Terroranschlägen. Bei keinem davon gibt es Hinweise darauf, dass Sprengstoff in einem Busen deponiert worden sein könnte.

Allerdings gab es im letzten Jahr in Dschidda ein Attentat auf den saudischen Prinzen Mohammed Bin Naif, vor dem sich der Selbstmordislamist wahrscheinlich ein Pfund Sprengstoff über den Anus in den Dickdarm einführen ließ. Der Anschlag verlief jedoch nicht wie geplant: Die Explosion riss zwar den Attentäter entzwei und ein Loch in den Boden, verletzte den Prinzen aber nur leicht.

Bei britischen Behörden reagierte man bisher nicht auf Bestätigungsbitten. Dabei ist nicht nur an der WND-Variante der Meldung einiges merkwürdig: Etwa, dass sich nicht der eigentlich für das Ausland zuständige MI6, sondern der Inlandsgeheimdienst MI5 um die Sache kümmern soll. Auch die Frage, anhand welcher Kriterien man bei den beiden Diensten zwischen konkreten Plänen und zotigen Scherzen unterscheidet, blieb trotz großzügiger Fristsetzung unbeantwortet.