Debatte unerwünscht

Die Energie- und Klimawochenschau: Lafontaine fällt in die 1970er Jahre zurück, wissenschaftliche Suchmaschine hat noch nie von Evolution gehört und Bundesregierung liest nicht die Stellungnahmen ihrer Sachverständigen

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An einigen Linken und Gewerkschaftern sind die letzten drei Jahrzehnte offenbar vollkommen spurlos vorüber gegangen. In Greifswald ist kürzlich der DGB-Sekretär Thomas Möller geschasst worden, weil er sich gegen den Bau eines Kohlekraftwerks (Kohlekraftwerk im Touristenparadies) in der Nähe des Ostseestädtchens ausgesprochen hatte. Trotz eines erstinstanzlichen Urteils hält der DGB an einer Zwangsversetzung nach Hamburg fest und lässt sich darin bisher auch nicht von Basisprotest beirren.

Aber die Gewerkschaftsbewegung ist offensichtlich eine vielschichtige Angelegenheit. Auf der einen Seite hat die Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU) bzw. deren Vorläuferorganisationen schon in den 1980er Jahren Bündnisse mit Umweltgruppen geschlossen, andererseits beheimatet die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di unter ihrem Dach auch eine mächtige Energielobby, die sich eisern gegen jede Kritik an Kohlekraftwerken stemmt. Immerhin bleibt das ver.di-intern nicht mehr unwidersprochen.

Ähnlich gespalten offenbart sich auch die Linkspartei. Am Wochenende hatte ihre Linksfraktion im Bundestag zu einer umweltpolitischen Konferenz nach Berlin eingeladen, auf der unter dem Motto "ökosozial statt marktradikal" über linke Energie- und Klimaschutzpolitik diskutiert wurde. Allerdings blieben die Umweltpolitiker der Partei mal wieder weitgehend unter sich. Ihre Genossen aus Fraktion und Parteivorstand ließen sich auch nicht durch so prominente Gäste wie Wolfgang Sachs vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie anlocken.

Auch in der Partei, so das Resümee von Wolfgang Methling, Vorstandsmitglied und ehemaliger Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, habe man offensichtlich noch viel zu tun. Das hatte sich kürzlich in einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den umweltpolitisch engagierten Mitgliedern des Parteivorstands und ihrem Ko-Parteichef Oskar Lafontaine offenbart, der darauf beharrte, im Saarland neue Kohlekraftwerke genehmigen zu wollen, sollte er dort im Herbst zum Ministerpräsidenten gekürt werden. Die Chance für letzteres sind allerdings denkbar schlecht, nach dem nun auch die Saar-Grünen definitiv eine Unterstützung Lafontaines ausgeschlossen haben.

Evolution? Wat'n das?

Man kommt ja dieser Tage kaum daran vorbei, dass die Internetwelt mit einer neuen Suchmaschine, für Manche gar ein "Google-Killer", beglückt worden ist. WolframAlpha heißt das Ding (WolframAlpha). Also machen wir ein mal den Test. Es soll ja vor allem mit seinen Rechenleistungen und Datenbergen glänzen. Fragen wir halt, wie es um die weltweiten Kohlendioxidemissionen bestellt ist. Carbon dioxide emissions Wir bekommen ein paar Zahlenkolonnen und eine Grafik ausgespuckt.

Ein Blick und die erste Enttäuschung: Keine Datenquelle, kein Link auf das Original. (Zwischenzeitlich hat ein Leser darauf hingewiesen, dass sehr wohl eine Datenquelle angegeben sei. Tatsächlich findet sich am Ende der Seite eine "Source information". Klickt der geneigte Surfer darauf, so erhält er eine lange Liste, deren Zusammenhang mit den Daten sich nicht in jedem Fall erschließt. Wichtigste Quelle scheint das CIA-Factbook zu sein, die wissenschaftlich relevanten Quellen, wie das Sekretariat der UN-Klimaschutrzrahmenkonvention oder das Carbon Dioxide Information and Analysis Center fehlen.) Aber: Es ist immerhin von CO2-Äquivalenten die Rede. Die Autoren haben also davon gehört, dass es mehrere aus menschlichen Aktivitäten emittierte Treibhausgase gibt und dass diese für gewöhnlich in CO2-Äquivalenten angegeben werden.

Deutschland soll davon, meint Wolfram|Alpha, 2005 873 Millionen Tonnen emittiert haben. Das ist jedoch definitiv falsch. Bei dem Wert handelt es sich um die reinen CO2-Emissionen. Insgesamt betrugen 2005 die deutschen Treibhausgasemissionen, wie aus den an das Sekretariat der Klimarahmenkonvention übermittelten Zahlen zu entnehmen ist, 1,005 Milliarden Tonnen in CO2-Äquivalenten. Fazit: Lieber die Originalquellen mittels Google suchen. Das Fehlen von Quellenangaben bedeutet zudem, dass die Ergebnisse noch weniger zitierfähig sind als Wikipedia-Angaben.

Auch sonst lässt die vielgepriesene Suchmaschine für Schlaumeier und solche, die es gerne werden wollen, noch manches zu wünschen übrig. Bei der Eingabe des Suchbegriffs Evolution erfährt der geneigte Leser, dass es offenbar einen Film diesen Titels gegeben hat, und bekommt die Liste der Schauspieler, und was man sonst noch so Weltbewegendes über das Werk wissen muss, mitgeteilt. Wird man ein bisschen genauer und gibt dem Apparat die Zusatzinformation "Darwin" so bekommt man auf die Frage "Evolution Darwin" die Antwort: "/Wolfram|Alpha isn't sure what to do with your input./"

CCS-Technik. Bild: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Es sieht fast so aus, als bereiten die Stromkonzerne gerade ihr nächstes Imagedesaster vor. Während sich die Bundesregierung abmüht, ein Gesetz zur Regelung von Abscheidung, Transport und dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (CCS-Gesetz, CCS steht für Carbondioxide Captures and Storage) im Schweinsgalopp durch Bundestag und Bundesrat zu bringen, formiert sich bei den potenziell betroffenen Bürgern im Land der Widerstand. Eurosolar hat, wie berichtet, dieser Tage eine Karte veröffentlicht, aus der abzulesen ist, welche Landkreise in den "Genuss" von CO2-Pipelines und -Lagerstätten kommen könnten. Diese liegen zumeist in wirtschaftlich schwachbrüstigen und dünn besiedelten Küstenregionen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins. Dort rumort es bereits heftig. Aber auch in Brandenburg, wo Vattenfall ähnliches plant, regt sich der Unmut der Bürger.

Im Nordfriesland wird am 11. Juni der Kreistag eine Anhörung organisieren, allerdings zur Mittagszeit, was an einem Werktag nicht besonders bürgerfreundlich ist. Bei der Partei der dänischen Minderheit, dem Südschleswigschen Wählerverbund (SSW), erwägt man daher, eine eigene Anhörung zu organisieren, um der Bevölkerung eine Teilnahme zu ermöglichen. Im Landtag hatte der SSW Anfang des Monats beantragt, die Genehmigung für die geologischen Erkundungen zu verweigern. Eigentlich gab es dafür eine knappe Mehrheit von Grünen, SSW und SPD. Schleswig-Holstein dürfe nicht zur "CO2-Müllkippe" werden, meinte im Namen der Sozialdemokraten vollmundig der Landtagsabgeordnete Olaf Schulze, um dann doch dem Verweis in den Umweltausschuss zuzustimmen, den die CDU beantragt hatte. Das Land zwischen den Meeren wird nämlich von einer großen Koalition regiert, deren gemeinsamer Nenner für gewöhnlich nur mit Hilfe eines Vergrößerungsglases zu finden ist.

Auch im südlichen Brandenburg, wo Vattenfall seit dem Herbst letzten Jahres eine Versuchsanlage betreibt, beschäftigen sich bereits Kreistage und Bürgerversammlungen mit dem Thema. Dort, in den Landkreisen Märkisch Oderland und Oder Spree, will Vattenfall CO2 einlagern. Betroffen sind unter anderem auch ein Naturschutzgebiet. In der Lausitz hat sich vor kurzem ein Verein CO2-Endlager stoppen gegründet. Rund 100 Menschen waren zur Gründungsversammlung nach einem Bericht auf wir-klimaretter.de gekommen. Inzwischen wurde auch eine Online-Petition gegen das CCS-Gesetz gestartet.

Unterdessen ist besagtes Gesetz noch lange nicht in trockenen Tüchern. Im Bundesrat ist am Freitag ein Antrag Brandenburgs und der Küstenländer vorerst gescheitert, die eine Abgabe auf das eingelagerte CO2 in Höhe von fünf Euro pro Tonne erheben wollten. Die anderen Länder, die weitgehend leer ausgehen würden, aber vermutlich auch keine Lagerstätten zu beherbergen hätten, haben ihre Zustimmung verweigert. Nächster Schritt ist nun eine öffentliche Anhörung im Bundestag am kommenden Montag und die Beratung in den zuständigen Bundestagsausschüssen am 17. Juni.

Wenn das Gesetz tatsächlich noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden soll, wie es die Bundesregierung und vor allem die Konzern-Lobby gerne hätte, müssen sich die Parlamentarier dann schon richtig sputen: vom 1. bis zum 3. Juli ist die letzte Sitzungswoche dieser Legislaturperiode, in der das Gesetzt in zweiter und dritter Lesung beraten werden müsste. Dann fehlt nur noch die Zustimmung des Bundesrates, der am 10. Juli tagt. Zeit für eine öffentliche Diskussion ist offensichtlich nicht vorgesehen. Angesichts dessen, dass das Gesetz für eine Technik gedacht ist, die sich noch nicht einmal richtig in der Erprobung befindet und erst ab 2020, wenn es nach den optimistischen Einschätzungen der beteiligten Industrie geht, im größeren Umfang zum Einsatz kommen wird, ist das doch eine überaus verdächtige Eile.

Noch Ende April hatte der Sachverständigenrat für Umweltfragen, eines der offiziellen Beratungsgremien der Bundesregierung, in einer ausführlichen Stellungnahme gefordert, zunächst eine gründliche öffentliche Debatte zu führen. Neben den diversen technischen Fragen, die im Zusammenhang mit Abtrennung, Transport und Einlagerung noch offen sind, seien auch wichtige Grundsatzfragen bisher unbeantwortet: Wie weit, werfen die Sachverständigen ein, könnte es durch direkte und indirekte Subventionen der CCS-Technologie zu Wettbewerbsverzerrungen mit den erneuerbaren Energieträgern kommen? Außerdem machen sie darauf aufmerksam, dass die Zahl der verfügbaren Speicher begrenzt ist. Es werde fast unweigerlich zu Nutzungskonflikten kommen, und zwar einerseits mit Geothermie und Druckluftspeichern, andererseits auch mit CO2-Einlagerung, die ab 2050 notwendig werden könnte, um der Atmosphäre das Treibhausgas dauerhaft zu entziehen. Schade nur, dass in den Fraktionen der großen Koalition bisher noch keiner Zeit gefunden hat, einen Blick in diese Stellungnahme zu werfen.