Demo von Auto-Sicherheitssystem ging daneben

Händler wollte ein Fußgängererkennungssystem mit Notfallbremsung testen, mit dem sein Volvo aber nicht ausgestattet war

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Kürzlich machte eine Meldung die Runde, dass es bei den Testfahrten von autonomen Fahrzeugen zu Pannen gekommen ist . Die waren allerdings geringfügig, zudem sollen die KI-Systeme der autonomen Fahrzeuge nicht die Ursache gewesen sein, sondern entweder die Fahrer oder andere, von Menschen gelenkte Fahrzeuge (Google: "Bei keinem Unfall war das autonome Fahrzeug die Ursache"). Das Argument, dass autonome Fahrzeuge weitaus sicherer fahren als von Menschen gelenkte Autos, ist weiterhin richtig, auch wenn ein schwerer Unfall, der durch einen Fehler oder einer Panne des autonomen Fahrzeugs verursacht wird, sicher ein schwerer Schlag für die Durchsetzung wäre, für die es rechtlich noch keine Regeln gibt.

Allerdings können auch bei schon vorhandenen Sicherheitsystemen Unfälle passieren, wie gerade ein Fall mit einem Volvo XC60 in der Dominikanischen Republik gezeigt hat. Ob der Wagen überhaupt mit dem automatischen Einparksystem geparkt werden sollte, ist fraglich, wie es in dem Blog heißt, der das Video verbreitete. Das Video zeigt lediglich, wie das Fahrzeug während einer Vorführung des Kfz-Händlers erst rückwärts fährt und wartet, um dann flott vorwärts fahrend und zu spät bremsend auf zwei Menschen aufzuprallen. Es ist alles noch gut abgegangen, bis auf ein paar Kratzer ist offenbar nichts passiert. Ein wenig unheimlich ist es aber schon, sollte das Sicherheitssystem versagt haben.

Das Fahrzeug fährt munter weiter. Bild aus dem YouTube-Video

Die Frage ist nun, wie das schieflaufen konnte. Der Volvo-Sprecher Johan Larsson vermutet, dass das Einparksystem nicht mit dem Erkennungssystem für Fußgänger von Mobileye ausgestattet war. Das müsse man noch extra dazu kaufen. Überdies sagte er, dass es nicht um einen Einparkversuch gegangen sei, sondern dass vermutlich die Fußgängererkennungsfunktion mit der automatischen Notfallbremsung getestet werden sollte.

Weil zwar der XC60 serienmäßig mit dem Einparksystem mit dem radargestützten City Safety System ausgestattet ist, das bis Tempo 30 km/h aktiv ist und zur Vermeidung von Auffahrunfällen bei Annäherung an ein vorausfahrendes Auto abbremst, aber eben nicht mit dem System zur Erkennung von Fußgängern und neuerdings auch von Fahrradfahrern, könnte der Besitzer fatalerweise geglaubt haben, dass sein Fahrzeug, weil es das Einparksystem besitzt, wohl auch über die Fußgängererkennung verfügt.

Das heißt also, dass das City Safety System zwar andere Fahrzeuge erkennt und automatisch stoppt, um auf diese nicht zu fahren, nicht aber notwendigerweise auch Menschen. Volvo weist auch stets darauf hin, dass letztlich der Fahrer für sein Fahrzeug verantwortlich bleibt. Larsson fügt denn noch hinzu, dass selbst dann, wenn das Fahrzeug mit einer Fußgängererkennung ausgerüstet gewesen wäre, diese vom Fahrer ausgeschaltet worden wäre, weil er aktiv und zu schnell beschleunigt habe.

Das System, das nur bei Tageslicht funktioniert, warnt den Fahrer zunächst, dass ein Mensch sich in Fahrtrichtung befindet, und macht eine Notfallbremsung, wenn der Fahrer nicht rechtzeitig reagiert. Das Mobileye Fußgänger-Kollisionswarnung (PCW) ist nur aktiv bei einer Geschwindigkeit bis 50 km/h. Larsson warnt auch ganz allgemein davor, Tests mit Menschen zu veranstalten.

In beiden Versionen wäre also der Mensch schuldig gewesen, der von falschen Voraussetzungen ausgegangen war. Interessant dabei ist, dass menschliche Irrtümer auch aufgrund von automatischen Sicherheitssystemen eintreten können, die gar nicht vorhanden sind. Solange Fahrer bei solchen Systemen oder bei autonomen Fahrzeugen weiterhin eingreifen können, kann die Technik nicht vor Unfällen schützen. Möglicherweise ist die Technik Fahrern auch zu sicher, d.h. zu vorsichtig. So berichtet die Washington Post, dass die automatische Bremsfunktion früher einen so großen Sicherheitsabstand zu dem vorausfahren Fahrzeug wahrte, dass dies die Fahrer ärgerte und sie diese deswegen ausgeschaltet haben. Jetzt fährt das Auto viel dichter auf, damit nach einem Volvo-Sprecher die Fahrer nicht den Wunsch verspüren, das System auszuschalten.

Volvo will bis 2020 so viele Sicherheitssysteme in seine Fahrzeuge einbauen, dass kein Mensch mehr verletzt oder getötet wird. Der neue Volvo-SUV XC90 hat nicht nur einen 9,2 Zoll großen Touchscreen zur Steuerung der Funktionen, sondern ist ein halbautonomes Fahrzeug mit etwa 50 Sicherheitssystemen, u.a. Abbiegelicht, Abstandswarner,Blind Spot Information, Cross Traffic Alert, Driver Alert System, Einpark-Assistent, Einparkhilfe, Fernlicht-Assistent, Parkkamera mit 360 Grad Surround View, Reifendruck-Kontrollsystem, Spurhalte-Assistent, Spurverlassenswarner, Stau-Assistent, Verkehrszeichen-Erkennung, City Safety ("Erkennt andere Fahrzeuge, Radfahrer und Fußgänger vor dem Fahrzeug, bei Tag und bei Nacht, warnt den Fahrer und/oder leitet automatisch eine Bremsung ein. Jüngste Weltneuheit im neuen Volvo XC90 ist ein Kreuzungs-Bremsassistent, der Unfälle beim Abbiegen in Kreuzungsbereichen verhindert."), Heckkollisionswarnung u.a.

Da kann man schon mal durcheinander kommen, welches Sicherheitssystem der Wagen nun hat oder nicht, welches System man ganz ausschaltet oder überschreibt, weil es einen gerade nervt. Und bei all der Sicherheit dürften manche auch schon mal dazu verführt werden, riskanter zu fahren, zumal die panzerartigen SUV sowieso dazu zu verleiten scheinen. Ein echtes Übergangsphänomen bis zu den wirklichen autonomen Fahrzeugen, die einlösen, was das Automobil schon immer versprach.