Der Bundestag und das Geldsystem

Seite 2: Der Abgeordnete, das ferne Wesen

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Doch schon die simple Kontaktaufnahme mit den Abgeordneten gestaltete sich schwierig. 27 Parlamentarier reagierten überhaupt nicht, weitere 6 lehnten eine Beantwortung höflich ab, meist mit Verweis auf Zeitmangel. Fast schien es, als habe man als Journalist den Eindruck erweckt, auf der Suche nach einem risikobereiten Whistleblower à la Ed Snowden zu sein, und nicht lediglich einige fachliche Fragen an die zuständigen Politiker gesandt.

Nur drei waren am Ende willens, sich zu äußern: Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Dr. Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Linken, und, mit Einschränkung, Dr. Thomas Gambke, Mittelstandsbeauftragter der Grünen.

Als skurriler Sonderfall entpuppte sich Philipp Graf Lerchenfeld von der CSU. Lerchenfeld, ehemals Wirtschaftsprüfer bei der KPMG und derzeit derjenige Bundestagsabgeordnete mit den höchsten Nebeneinkünften, reagierte als Erster auf die Anfrage und offerierte freundlich, dass er "gern antworten" wolle. Die Email schloss mit einem jovialen: "Ihr Graf Lerchenfeld". Doch dann, ohne weitere Erklärung, blieb auch der vermögende Graf stumm und ließ weitere Nachfragen, wann man denn mit einer Antwort rechnen könne, unbeantwortet.

Manchen Abgeordneten hatte womöglich auch irritiert, dass zunächst kein Statement des jeweiligen Fraktionssprechers gewünscht worden war, sondern, ganz unhierarchisch, tatsächlich die persönliche Einschätzung jedes einzelnen Mitglieds des Finanzausschusses. Das war wohl zu idealistisch gedacht. Eigenständige Auffassungen gegenüber den Medien äußern, unabgesprochen mit der Fraktionsführung - anscheinend keine gute Idee. Am Ende lief es dann doch auf jeweils eine Stellungnahme pro Fraktion hinaus.

Die SPD bleibt stumm

Nur die Sozialdemokraten zierten sich komplett. Ein Mitarbeiter von Lothar Binding, dem finanzpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, führte Zeitmangel an. Das Angebot, einen späteren Termin zu vereinbaren, blieb unbeantwortet.

Bei einem anschließenden Telefonat mit der Vorsitzenden des Finanzausschusses, Ingrid Arndt-Brauer, ebenfalls SPD, sicherte diese zu, Herrn Binding noch einmal auf die Anfrage anzusprechen. Sie selbst könne in ihrer Funktion als Ausschussvorsitzende nicht für die Partei, sondern nur für den gesamten Ausschuss sprechen. Doch weder dieses Gespräch, noch ein weiteres Telefonat mit dem Büro von SPD-Mann Binding führte zu einem Ergebnis. Sämtliche zehn anderen angefragten SPD-Mitglieder des Finanzausschusses blieben ebenfalls stumm.

Die Grünen versuchten zunächst in ähnlicher Weise, die Anfrage abzuwehren. Sprecher Gerhard Schick hatte nach eigenen Worten keine Zeit, das Angebot eines späteren Termins blieb unbeantwortet. Auch die Büroleiterin des grünen Mittelstandsbeauftragten Thomas Gambke sprach von "vielfältigen anderen Verpflichtungen" des Abgeordneten, zumal, so die Mitarbeiterin, "die Geldpolitik nicht in seine fachliche Zuständigkeit" falle. Auf die verwunderte Nachfrage, ob Geldpolitik tatsächlich nicht ins Ressort eines Mitglieds des Finanzausschusses gehöre, wurde ein wenig zurückgerudert. Dann übermittelte das Büro doch noch einige Antworten, allerdings im Telegrammstil, teilweise nur als hingeworfene Begriffe ohne Erklärung und versehen mit der Einschränkung: "Diese Aussagen dürfen nicht ohne Rücksprache zitiert werden."

Unkomplizierter agierten die finanzpolitischen Sprecher der CDU und der Linken, die beide gründlich und argumentativ auf die Fragen eingingen. Hier die Ergebnisse.

Linke wollen Banken aufspalten

Auf die Frage, welche Reformen im Finanzsektor ihrer Ansicht nach noch nötig seien, antwortete die CDU, dass man schon viel erreicht habe, aber etwa bei der Regulierung von Wertpapiergeschäften und Schattenbanken noch Handlungsbedarf sehe.

Die Linke drängt, wenig überraschend, auf umfassendere Reformen. Die Banken seien immer noch viel zu groß, einer etwaigen Krise einer europäischen Großbank stehe man "nach wie vor ziemlich hilflos gegenüber". Die Großbanken müssten daher in kleinere Einheiten aufgespalten werden. Am wichtigsten sei es aber, die Ungleichverteilung der Vermögen zu verringern, da viele Milliarden in den Händen Weniger schon vom Prinzip her "mangels rentabler Investitionsaussichten statt in der Realwirtschaft lieber auf den Finanzmärkten" angelegt würden.

Staatsschulden "dauerhaft tragbar", Zinsempfänger nicht so wichtig

Der nächsten Frage, ob man die Höhe der Staatsschulden für dauerhaft tragbar halte, wich die CDU aus und meinte, dass das im Haushaltsausschuss beraten würde, man aber Finanzminister Schäuble dabei unterstütze, zumindest ohne neue Schulden auszukommen. Für die Linke meinte Axel Troost, die Staatsschulden seien "dauerhaft tragbar", auch wegen der niedrigen Zinsen.

Befragt, ob man es begrüße, wenn öffentlich gemacht würde, wer die vom Bund zu zahlenden Zinsen denn im Einzelnen erhält - immerhin Jahr für Jahr zwischen 20 und 30 Milliarden Euro -, oder ob diese Zahlungen weiterhin anonym abgewickelt werden sollten, verwies die CDU wiederum pauschal auf den Haushaltsausschuss und ließ die Frage damit unbeantwortet.

Axel Troost von der Linken meinte, man müsse nicht "den Namen jedes einzelnen Gläubigers kennen", bräuchte aber im Großen und Ganzen mehr Transparenz: "Wir müssten mindestens klarer wissen, wie sich die Staatsschuldtitel zwischen den Kleinsparern und Wohlhabenden verteilen und wie stark die Normalverdiener über private und betriebliche Alterssicherung sowie ihre Versichertenverträge von Staatsanleihen abhängig sind."

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