Der Dobbs-Effekt: Wie die Republikaner sich tot gesiegt haben

New York, 24. Juni 2022: Proteste gegen die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Bild: "Eden, Janine and Jim from New York City" / CC BY 2.0

Die Gegenreaktion auf das Abtreibungsverbot verheißt nichts Gutes für die Partei, die die Biden-Regierung ablösen will. Die Anti-Abtreibungs-Haltung wird von einflussreichen Konservativen infrage gestellt.

Die Entscheidung des konservativen Supreme Courts im Jahr 2022, das Recht auf Abtreibung grundlegend zu verändern (Hintergrund siehe: Dobbs kills Roe), die sogenannte Dobbs-Decision, scheint sich langfristig deutlich negativ auf die Beliebtheit der Republikanischen Partei auszuwirken.

Nach den unterdurchschnittlichen Leistungen in den Zwischenwahlen letzten November waren viele Republikaner gewillt, Trump die Schuld an dem Debakel in die Schuhe zu schieben. Da sie aber nicht in der Lage sind, die ziemlich starke Bindung zwischen der Basis der Republikaner und ihrem "glorreichen Anführer" zu trennen, müssen sie sich mit der Idee abfinden, einen weiteren Wahldurchgang unter Trump zu bestreiten, ob sie wollen oder nicht.

So schwer verträglich allein schon diese Wahrheit sein mag, noch schlimmer wäre es für viele oben in der Hierarchie der Republikanischen Partei, sich zur Einsicht durchzuringen, dass die politischen Rückschläge der letzten Zeit nicht auf Donald Trumps Person zurückzuführen sind – sondern auf die konservative politische Strategie der letzten dreißig Jahre.

Politischer Pyrrhussieg

Das beste Beispiel für einen politischen Pyrrhussieg der Konservativen ist der politische Backlash, den das Kippen von "Roe vs. Wade" in den USA ausgelöst hat.

Die jüngste Niederlage des Kandidaten Dan Kelly, der der Republikanischen Partei (GOP) nahesteht, bei den Wahlen zum Obersten Gerichtshof in Wisconsin, hat einflussreiche Konservative veranlasst, die Anti-Abtreibungs-Haltung der GOP infrage zu stellen.

Laut New York Times wären die Republikaner gut beraten, ihre Haltung zur Abtreibung mit ihrer Wählerschaft abzustimmen. Immerhin ist eine überwältigende Mehrheit der US-amerikanischen Bevölkerung überzeugt, dass Abtreibung in den meisten Fällen legal sein sollte, auch wenn 63 Prozent der Republikaner anderer Meinung sind.

Kein Ausweg

Diese Meinungsdiversität in den eigenen Reihen wird von der unversöhnlichen Republikanischen Politik in Bezug auf Abtreibungsrechte nicht gespiegelt und das kostet Wahlstimmen. Doch die GOP hat die Kriminalisierung der Abtreibung jahrzehntelang zu einem zentralen Bestandteil ihres politischen Projekts gemacht und sieht daher keinen klaren Ausweg aus ihrer misslichen Lage.

Auch unterstützen viele Republikaner ein vollständiges Abtreibungsverbot, was sich weiter negativ auf Umfrage und Wahlergebnisse auswirkt. Wenn die Republikanische Partei diesen politischen Trend aufhalten möchte, muss sie einen Weg finden, die diverse, ja teils schizophrene Einstellung ihrer Wählerschaft zu Abtreibungsrechten gerecht zu werden.

Weg von der Realität der Wähler der Republikaner

Eigentlich hätten die Konservativen den Backlash kommen sehen können. Doch der Selbstbetrug reaktionärer Presse-Stimmen wie Ann Coulter, die sich vorerst einzureden versuchten, die politischen Folgen von Roe vs. Wade würden übersehbar ausfallen, zeigt, wie weit sich die Republikanische Partei von den tatsächlichen Sorgen und Nöten der Wählerschaft der Republikaner entfernt hat.

Das ist ein Problem, denn im Gegensatz zu den Demokraten sind die Republikaner für ihr politisches Überleben auf den Rückhalt durch ihre Wählerschaft angewiesen.

Zeit also für einen Kurswechsel, doch die Parteiführer beharren darauf, dass ihre Niederlage auf ein rein kommunikatives Problem zurückzuführen und dementsprechend leicht behebbar ist. Dies könnte sich allerdings aufgrund der neuen Antiabtreibungsgesetzgebungen schwierig gestalten.

Denn spätestens jetzt nehmen die Anhänger der GOP deren Anti-Abtreibungs-Haltung ernst. Vielleicht hätten sich die Dinge anders entwickeln können, hätten die Republikaner in den konservativ regierten Bundesstaaten dem Drang, die "Dobbs Desicion" auch durchzusetzen oder noch zu verschärfen, widerstehen können.

Damit wäre es vielleicht bei einem eher symbolischen Sieg über die Progressiven geblieben, doch die realen Folgen können nun von der Wählerschaft kaum noch ignoriert werden.

Ann Coulter: "... oder es wird keine Republikaner mehr geben"

Ironischerweise sind es die gleichen konservativen Eliten, die erst die Abschaffung von Abtreibungsrechten gefordert hatten und später den politischen Effekt der "Dobbs Desicion" kleinredeten, die jetzt Republikanischen Gesetzgebern raten, sich etwas zurückzuhalten.

Ann Coulter twitterte: "Die Forderung nach Anti-Abtreibungsgesetzen hat die Republikaner gerade ein weiteres entscheidendes Rennen gekostet", und fügte hinzu: "Bitte hören Sie auf, strenge Grenzen für die Abtreibung zu fordern, oder es wird keine Republikaner mehr geben."

Jon Schweppe, politischer Direktor des sozialkonservativen American Principles Project, beklagt:

"Wir werden von unabhängigen Wählern abgesetzt, die denken, dass wir vollständige Verbote ohne Ausnahmen unterstützen."

Der Unwillen der Republikaner, sich mit dieser politischen Zwickmühle ernsthaft zu befassen, rührt von dem Unglauben darüber, dass ihnen der Kulturkampf, den sie jahrzehntelang ausgefochten haben, im Moment des Sieges um wichtige Wählerstimmen bringen könnte.