Der Euro fällt und fällt und fällt …

Energiekrise, Spannungen mit Russland, Abkehr von China: Wie weit können die Konflikte noch zugespitzt werden?

Mit aller Kraft versuchen Bundesregierung und EU derzeit, ein Wirtschaftsdesaster durch eine Energieversorgungskrise in Folge von Ukraine-Krieg und Russland-Sanktionen zu verhindern. Die Märkte scheinen keine große Hoffnung in diese Initiativen zu haben. Der Euro verliert ständig weiter an Wert, Experten gehen schon jetzt von einer Euro-Dollar-Parität im kommenden Quartal aus.

Die britische Großbank HSBC hat ihre Prognose für den Euro bereits Ende vergangener Woche dramatisch gesenkt. Nach Ansicht ihrer Marktanalytiker wird der Euro voraussichtlich bis zum vierten Quartal dieses Jahres auf den Wert des US-Dollars fallen. HSBC ist die erste international tätige Großbank, die mit einer solchen Vorhersage an die Öffentlichkeit gegangen ist. Inzwischen haben sich auch andere Marktexperten der Einschätzung angeschlossen.

"Der Euro ist bereits stärker unter Abwertungsdruck geraten, als wir erwartet haben", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters die HSBC-Analyseabteilung: Es falle schwer, für den Euro derzeit einen Silberstreifen am Horizont zu sehen.

Grund für die Krise des Euro ist vorrangig der anhaltende Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Energieunsicherheit. Das betrifft vor allem auch Deutschland mit seiner großen Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland.

Zwar war der Verbrauch hierzulande laut des Statistik- und Datenportals Statista im Jahr 2020 gesunken. Im Vorjahr hatte Deutschlands Erdölverbrauch 96,2 Millionen Tonnen betragen. Im Vergleich dazu: 2019 waren es noch 106,6 Millionen Tonnen.

Das ist allerdings keine gute Nachricht, denn der Rückgang hängt in erster Linie mit dem Wirtschaftseinbruch durch die Coronapandemie zusammen. Just zu einem Zeitpunkt, zu dem der Wiederaufbau von Binnen- und Exportwirtschaft hätte beginnen können, kam der Krieg mit der Ukraine und die selbstauferlegte Abkehr von russischer Energie.

Problematischer noch als beim Öl ist die Abhängigkeit von russischem Gas. Im Jahr 2020 lag der Anteil russischer Gaslieferungen in Deutschland bei 55 Prozent, laut Wirtschaftsministerium konnte diese Quote auf bei 35 Prozent gesenkt werden. Die Gasspeicher sind allerdings nur zu gut einem Drittel gefüllt und die Flüssiggasimporte alles andere als stabil.

Gewichtigere Rolle für China

Zur Unsicherheit in der Eurozone trägt auch die Frage bei, in welchem Maße sich die chinesische Pandemiepolitik auf die europäische Wirtschaft auswirkt. Positiv wird das auf keinen Fall sein. Angesichts verschärfter Lockdowns in der Volksrepublik im April droht es erneut zu Lücken in den Lieferketten zu kommen. Das dürfte die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone weiter bremsen.

Und wieder ist Deutschland unter den Sorgenkindern: Eine kürzlich durchgeführte Umfrage des Münchener ifo-Instituts ergab, dass 46 Prozent der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes erhebliche Vorleistungen aus China erhalten. "Von diesen Unternehmen plant fast jedes Zweite, diese Importe aus China in Zukunft zu verringern", hieß es vom ifo-Institut an der Universität München.

Nach Ansicht von Lisandra Flach, Leiterin des ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, nimmt China als Zulieferer und Absatzmarkt für Deutschland "eine wichtige, aber keinesfalls beherrschende Rolle ein". Das zeige sich, wenn man direkte und indirekte Wertschöpfungsverflechtungen berücksichtige, schreibt Flach in einem Aufsatz im ifo Schnelldienst.

"Allerdings ist Deutschland bei mehreren spezifischen Industriegütern und Rohstoffen abhängig von China". Das ifo plädiert dafür, die Bezugsquellen zu diversifizieren, um die Abhängigkeit von China zu mindern.

Wenig verwunderlich also, dass Chinas Präsident Xi Jinping am Montag in einer von deutscher Seite nur knapp behandelten Videokonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "die stabilisierende, konstruktive und lenkende Rolle" der deutsch-chinesischen Beziehungen betonte.

Xi habe auf die "komplexen Veränderungen im internationalen Panorama sowie die deutliche Zunahme der Schwierigkeiten und Herausforderungen für die globale Sicherheit und Entwicklung" verwiesen, hieß es im englischsprachigen Dienst der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua.

Notwendig seien daher "mehr Stabilität und Sicherheit in ein Zeitalter der Instabilität und Transformation".

Es war eine Reaktion auf anstehende Veränderungen auch in diesen Beziehungen. SPD-Chef Lars Klingbeil hat bereits auch eine neue China-Politik angekündigt.