Der Feind im eigenen Land?

Sind US-amerikanische Neonazis in die Attentate in den USA verwickelt?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die ganze westliche Welt scheint seit dem Anschlag auf das WTC und das Pentagon nur einen Feind zu kennen - Usama bin Ladin und sein Terrornetzwerk Al-Qaida, als Sinnbild des nahöstlichen Terrorismus. Noch nie seit den Zeiten des deutschen Nationalsozialismus wurde ein Feindbild so einmütig in den Medien der ganzen Welt verdammt wie der islamistische Terrorismus in den letzten zwei Wochen. Die bislang veröffentlichten Indizien sind eindeutig: Selbstmordattentate gegen zentrale Einrichtungen der USA und gleichzeitig weltweit verschwundene Anhänger des radikalen Islamismus. Ihre Namen tauchen auf den Passagierlisten der abgestürzten Maschinen auf, mit Sitzplätzen nahe dem Cockpit. Einige von ihnen waren Piloten. Ein Koran, Flugpläne auf arabisch in einem abgestellten Mietauto. Gerüchte, die erst nach den Attentaten bekannt werden, wonach Usama bin Ladin einen "noch nie da gewesenen Anschlag auf amerikanischem Boden" ankündigte ....

Und auch als der Terror mit Hilfe der Milzbranderreger fortgesetzt wurde, schien niemand ernsthaft zu bezweifeln, dass auch diesmal Bin Ladins Organisation dafür verantwortlich war. Möglicherweise eine Fehleinschätzung, wie wohl jetzt deutlich wird, nachdem selbst Bush amerikanische Terroristen als Urheber der Anschläge nicht mehr ausschließen kann.

Auch wenn man in den Medien selten davon hört, so kommt es doch gerade in den USA immer wieder zu Terroranschlägen auf einzelne Einrichtungen oder auch auf Personen. Viele dieser Anschläge haben einen rechtsextremistischen oder besser rassistischen Hintergrund. Und das Feindbild der extremen Rechten in den USA sind noch vor den Angehörigen von Minderheiten, wie beispielsweise Andersfarbige oder Schwule, die amerikanischen Medien und die amerikanische Regierung als Teil der "jüdischen Weltverschwörung".

Im Nazijargon wird das ganze erstmals in den "Thule-Romanen" des verstorbenen österreichischen SS-Mann und Neonazis Wilhelm Landig symbolisch unter Ostküste zusammengefasst und fand bereits in Hitlers "Mein Kampf" Erwähnung: "Juden sind die Regenten der Börsenkräfte der amerikanischen Union."

Als Kopf der rechten Szene in den USA kommt gegenwärtig wohl nur William Pierce in Frage (Ein amerikanischer Nazi und Rassist auf der Bestsellerliste). Der ehemalige Physikprofessor ist Führer der National Alliance, die von der amerikanischen Anti-Defamation League als "single most dangerous organized hate group in the United States" bezeichnet wird und auch schon mit zahlreichen Gewaltverbrechen inklusive Mord, Bombenanschlägen und Raub - entweder durch einzelne Mitglieder oder durch Propaganda - in Verbindung gebracht wird. Pierce, der sein Geld mit Immobiliengeschäften, Vertrieb seiner Bücher und rechtsradikaler Lieder sowie Aktienhandel verdient, ist außerdem der Verfasser der Turner Tagebücher, die als Blaupause für viele terroristische Anschläge verwendet und wohl auch zu diesem Zweck von ihm geschrieben wurden.

1980 gründete das National Alliance Mitglied Bob Mathews zusammen mit anderen Rassisten eine Untergrundgruppe namens "The Order" - ebenfalls in Anlehnung an die Turner Tagebücher. Diese durch Schwüre einander verpflichtete Gemeinschaft versuchte den dort beschriebenen Untergrundkampf zu leben und als großes Ziel, die Regierung der Vereinigten Staaten zu stürzen.

Obwohl Mathews schon nach kurzer Zeit vom FBI erschossen wurde, gehen mehrere Morde, Attentate und Raubüberfälle auf das Konto der Gruppe, die bis zu ihrer gewaltsamen Auflösung immerhin 4 Millionen Dollar erbeutete. Ein Teil dieses Geldes - etwa 750.000 Dollar - soll auch an William L. Pierce und andere rechtsextreme Gruppen geflossen sein.

Es wäre wohl eine Illusion anzunehmen, die Untergrundgruppe, die ehemals von Mathews geführt wurde, wäre nach dessen Tod nicht wieder neu gegründet worden, ist letzterer doch nun einer der größten Märtyrer der amerikanischen Neonaziszene und für viele ihr größtes Vorbild. So kam es denn auch am 19 April 1995 zum Oklahoma-Attentat.

Nachdem man anfänglich auch islamische Terroristen verdächtigte, dafür verantwortlich zu sein, fand man dann doch recht schnell heraus, dass der Anschlag von Timothy McVeigh, einem ehemaligem Soldaten verübt wurde. Er soll zusammen mit Terry Lynn Nichols, einem damals 42jährigen Farmer, das Attentat begangen haben. Als Grund für seine Tat nannte McVeigh Hass auf die Regierung und besonders das FBI. Auch hier dienten die Turner Tagebücher als Blaupause und zwar nicht nur ideologisch als Vorlage: "Sie haben eine Fallstudie über die FBI-Zentrale in der Stadtmitte gemacht. Unserer Einheit wurde die Aufgabe zugewiesen, sie hochzujagen!" (Die Turner Tagebücher, Kapitel 4).

Auch technisch waren sie wohl mehr als hilfreich, indem die Oklahoma-Bombe exakt nach der Anleitung in Pierces Buch gebaut wurde: "Mein gestriger Arbeitstag fing kurz vor 5 Uhr damit an, daß ich Ed Sanders dabei half, in der Garage von Einheit 8 Ammoniak-Nitrat-Kunstdünger mit Heizöl zu mischen." (Die Turner Tagebücher, Kapitel 6) Aus genau demselben Materialien wurde auch die Oklahoma-Bombe gebaut. Der direkte Zusammenhang mit Pierce und der National Alliance ist hier - einmal abgesehen von den Turner Tagebüchern - allerdings nur mit ein wenig Detailsuche zu finden.

Dass möglicherweise das Oklahoma-Attentat nicht nur von McVeigh und Nichols begangen wurde, sondern Teil einer Verschwörung war, legt die Aussage des Mechanikers Charles Farley nahe, der eidesstattlich aussagte, dass er am Vorabend des Attentats beobachtete, wie insgesamt 5 Männer das Auto mit der Bombe beluden. Möglicherweise, so wird vermutet, handelte es sich dabei um einige Bewohner von Elohim-City, einem Hüttendorf, das an der Staatsgrenze Oklahomas zu Arkansas liegt. Dessen Einwohner bilden eine Art Sekte und halten sich für die rechtmäßigen Nachfahren der verlorenen Stämme Israels, und in diesem Zusammenhang für die rechtmäßigen Herrscher der Welt. Sie gehören ebenfalls zu den amerikanischen Rechtsextremisten.

Nahrung erhält die Theorie von der Verwicklung der Elohim-City-Bewohner durch die Tatsache, dass Richard Wayne Snell, ein Mitglied dieser Sekte, der aufgrund eines Doppelmordes mit rassistischem Hintergrund zum Tode verurteilt war, kurz vor seiner Hinrichtung am 19.April 1995 - zwei Stunden vor dem Attentat - zu seinen Henkern sagte: "Schaut über Eure Schultern, die Gerechtigkeit ist im Anmarsch". Dieser Wayne Snell liegt nun auf dem Gelände von Elohim-City begraben, wo auch beispielsweise Tom Metzger, ein ehemaliges Ku-Klux-Klan Mitglied schon Unterschlupf fand. Dieser Tom Metzger, Führer der "White Aryan Resistance", ließ seine Frau neben Robert Mathews (dem Führer von "The Order") beerdigen. Und damit wären wir dann auch wieder bei Pierce, der in allen wichtigen rechten Bewegungen der USA seine Leute hat.

Die Milzbrandbriefe

Über Tom Brokaw, Chefreporter des US-Fernsehsenders NBC und Ziel der ersten Milzbrand-Attacke von New York hat sich William Pierce unzählige Male geäußert. Brokaw ist für Pierce einer der wichtigsten Agitatoren der jüdischen Weltverschwörung, die ihren Hauptsitz in Amerika hat. Als Teil des Fernsehsenders NBC, der wie alle wichtigen Medien in den USA - wie Pierce meint - in der Hand von Juden ist, stellt Brokaw ein ideales Ziel dar, denn er steht als Symbol für die meisten Feindbilder der rechtsextremen Szene Amerikas.

Auch das Attentat auf die "American Media Corporation" würde gut in dieses Schema passen, symbolisiert doch der Name (und bisher ging es ja eigentlich nur um Symbole) eben dieses Feindbild, das als Ziel für Anschläge gleich nach der Regierung der Vereinigten Staaten selbst kommt. Diese Regierung wiederum wird mit dem Anschlag auf Thomas Daschle erreicht, der Mehrheitsführer im Senat ist und wohl der nächste Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden wird. Senator Daschle fiel außerdem in letzter Zeit besonders dadurch auf, dass er eine von Bush geforderte Amnestie für illegal eingewanderte Migranten mexikanischer Herkunft befürwortete. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und verlangte, dass diese Amnestie auch illegale Einwanderer anderer Nationalitäten einschließen sollte. Ein rotes Tuch für jeden Rechtsextremisten.

Als Ideologievorlage dienen wohl auch hier die Turner Tagebücher, werden doch hier mehrere Anschläge auf Journalisten und Zeitungen geschildert. Folgende Zitate stammen aus eben diesen: "Eines Tages werden wir eine wahre amerikanische Presse haben, aber vielen Zeitungsherausgebern müssen vorher erst die Hälse durchgeschnitten werden." (Die Turner Tagebücher, Kapitel 6). "Letzten Montag Abend haben Henry, George und ich die Washington Post überfallen." (Die Turner Tagebücher, Kapitel 7).

Pierce könnte auch über die Voraussetzungen verfügen, um die verschickten Mikroben selbst zu züchten, schließlich war er Universitätsprofessor (wenn auch im Bereich Physik) und rekrutierte die Mitglieder seiner Organisation seit Beginn der neunziger Jahre verstärkt unter Studenten, Akademikern und Soldaten. Auch verfügt er über größeren abgelegenen Grundbesitz in Virginia auf dem auch noch Platz für ein paar Labors wäre.

Die Attentate auf WTC und Pentagon

Die Denkmöglichkeiten könnten allerdings noch weiter gehen. Möglicherweise nutzen US-Rechtsextremisten nicht nur die Attentate aus, um in deren Schlagschatten Briefe zu versenden. Folgende Zitate findet man in den Turner Tagebüchern: "(...) warum, frage ich mich, zerstört man statt dessen nicht das Stadtgebiet von New York, mit seinen zweieinhalb Millionen Superjuden?" (Die Turner Tagebücher, Kapitel 25)

"Wir sind alle Möglichkeiten, an die wir denken konnten, durchgegangen, aber wir kamen zu keinem wirklichen überzeugenden Plan, außer vielleicht einem, nämlich eine Bombe mit dem Flugzeug in das Pentagon zu befördern." (Die Turner Tagebücher, Kapitel 27)

Pierce schrieb die Turner Tagebücher 1975 und doch könnten diese Zitate auch aus abgehörten Gesprächen der Hintermänner der Attentate vom 11. September stammen. Wie weiter oben beschrieben, hat es die "Ostküste" als Feindbild auch den Rechtsextremen besonders angetan - möglicherweise wollten sie auch nicht nur Zuschauer sein. Zumindest setzte Pierce selbst aber 1999 offiziell erst einmal auf Bin Ladin, als er schrieb:

"(...)other men who care about morality are: men like Usama bin Ladin, for example. And the fact that men like Bin Ladin can look at America and see that it no longer has a soul, makes them infinitely more dangerous as our moral instructors. Bin Ladin knows that the next time he blows something up a great many people will applaud him, both around the world and in America ...

The people you see on the television screen won't be applauding, of course. (...) The cameras will focus on the bodies being pulled from the rubble, and the TV commentators will be very serious and will have the couch potatoes everywhere feeling indignant toward Bin Ladin and regarding him as a bloodthirsty terrorist who kills people without reason. But there will be tens of thousands of Americans who understand the situation and who will applaud Bin Ladin in the privacy of their living rooms, and there will be tens of millions of people around the world who will applaud." (William Pierce)

Natürlich konnte jeder solche Voraussagen ins Blaue hinein einfach treffen und Pierce muss bei diesen Aussagen nicht unbedingt diese auch mitgeplant haben, aber es soll zeigen, dass entgegen der eigentlichen Logik rechtsextremistischer Kreise hier eine Art "Band der Sympathie" auf Seiten der rechten Szene für islamistische Fundamentalisten existiert. Auch die Turner Tagebücher bestätigen dies, wie man an folgendem Zitat erkennt: "Tel Aviv war in der alten Zeit während der jüdischen Besetzung die größte Stadt in dem leidgeprüften Land Palästina." (Die Turner Tagebücher, Kapitel 19)

Die mittelfristig fast identischen Ziele (Sturz der amerikanischen Regierung, Vernichtung der Juden) sind es wohl, die Al-Qaida und die National Alliance sich gegenseitig so sympathisch machen. Wäre es denn dann nicht auch ein logischer Schritt für Al-Qaida, sich in dem Land einen Verbündeten zu suchen, dessen Regierung man bekämpfen will? Einen Verbündeten, der viel mehr Know-how hat, sich viel unauffälliger bewegen kann und wohl auch besser an Informationen heran kommt? Könnte Al-Qaida die Attentate auf WTC und Pentagon gemeinsam mit einer fanatischen rechtsextremistischen Untergrundorganisation aus den USA selbst begangen haben?