Der Film zum Spielzeug

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Heavy Metall: Versuch, Michael Bays "Transformers" zu verstehen

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Langsam füllen sich die Archive der Nuller-Jahre. Was zu Beginn des Jahrzehnts noch utopisch aufblitzte, hat sich seit zwei Jahren zur Tendenz verdichtet, beginnt sich nun zu konturieren: Irgendwann muss jede Maschine anfangen, auf eigenen Füßen zu stehen. Und auch Kino ist zunehmend ein rein technisches Produkt, kein psychisches mehr. Jeder Film, oder zumindest jeder Blockbuster, ist zwei, drei, vier, fünf Filme in einem, von den verschwitzten Anstrengungen des sich mehr und mehr verselbständigenden Marketingsegments gar nicht zu reden. Zugleich ist mit all dem verbunden nicht etwa eine Weiterentwicklung, sondern eine ungeheure Regression auf allen Ebenen. Ihr Repräsentant ist Michael Bay, der Neandertaler unter den Regisseuren und wahrscheinlich die repräsentativste Figur für den Weg, den das Industriekino zur Zeit nimmt. Kino als Kunst ist von alldem Lichtjahre entfernt. Das beweist mehr als jeder andere Film nun "Transformers 2 - Die Rache", die Fortsetzung von "Transformers" (2007). Mit diesen beiden Filmen hat Michael Bay seine Bestimmung gefunden. Es sind Filme, mit denen ein Regisseur mehr denn je auch moralisch in das Lager der Objekte desertiert, in das der Kapitalismus ihn seit langem hingestellt hat.

…und zuweilen vergaß er sich bei dem anhaltenden Betrachten desselben so sehr, daß er wirklich glaubte, auf einen Augenblick die Art des Daseyns eines solchen Wesens empfunden zu haben. - Kurz, wie ihm seyn würde, wenn er z.B. ein Hund, der unter Menschen lebt, oder ein anderes Thier wäre - das beschäftigte von Kindheit auf schon oft seine Gedanken.

Karl Philipp Moritz: "Anton Reiser"

Der Witz ist bekannt: Ein Vater kauft seinem Sohn eine Märklin-Eisenbahn. Wer spielt damit? Der Vater. Aber die Geschichte geht noch weiter. Der Sohn stellt nämlich Soldaten in die Wagons und spielt damit Krieg. Etwas später lässt er den Zug entgleisen. Dann zündet er unter den Modellhäusern ein paar Sylvesterkracher, die er auf der Straße gesammelt hat. Der Enkel spielt dann "Transformers".

Vielleicht ist Michael Bay ja auch nur ein Name für den ersten Roboter, der in Hollywood Regie führt. Schon seine bisherigen Werke - "The Rock" (1996), "Armageddon" (1998) oder "Pearl Harbor" (2001), "Transformers" (2007) - machten den Eindruck, es handle sich um Film gewordenes Schwermetall. Auch in "Transformers 2" macht es andauernd "Krach!", "Kloink!" und "Rumms!".

In den Bildern des unfreiwilligen Situationisten Michael Bay löst sich fast alles auf. In diesem Film entfalten sich rätselhaft computeranimierte Szenarien aus einer geheimnisvollen Maschinenwelt. Losgelöst und hektisch überhitzt schweben Strukturen, Raumelemente, Energiechiffren und roboterähnliche Protagonisten umher, füllen Räume aus Metallviolett, Stahlblau, Schwefelorange, Braun und Schimmelgrün mit ihrer leeren Geschäftigkeit.

Humanoide Formen wie Schädel, Arme und Hände lassen sich ahnen, schälen sich immer wieder heraus, um sich wieder zu zurückzuziehen, und es stellt sich ein gewaltiges Gefühl der Entfremdung ein, ist die noch verspielte freundliche Distanz der Chaplin-Moderne zum Maschinenzeitalter in bedrohliche Stimmung gekippt. Hier droht ein gewaltsames Ende der Menschheit, ein katastrophaler Knall, kein einfacher Übergang in eine neue Konstellation. Irgendwie ist die Welt bei Michael Bay immer wahnsinnig bedroht durch Gangster, Meteoriten und japanische Faschisten, aber vor allem ging es darum ein paar Feuerwerke auf einmal anzubrennen und dem Publikum möglichst keine ruhige Minute zu gönnen - "endlose Erosion des Außen" (Foucault).

Riesige Metalltresore

Es atmet, wärmt, ißt. Es scheißt, es fickt. Das Es… Überall sind es Maschinen…

Deleuze/Guattari

Dieser Film gehört wie schon sein Vorgänger "Transformers" zu jenem neuen, sehr merkwürdigen Typus Film, der weder eine originelle, eigens erdachte Geschichte auf die Leinwand bringt, noch einen woanders vorhandenen Stoff - und sei es ein Comic - verfilmt, sondern dies ist die Verfilmung von Gegenständen, in diesem Fall: die Verfilmung von Spielzeugen. Ausgerechnet seit dem Orwell-Jahr 1984 gibt es jene "Transformers" genannten Spielzeugfiguren für die Zielgruppe 4-12, deren Besonderheit in ihrer Fähigkeit liegt, sich vom menschenähnlichen Antlitz in eine Maschine - ein Flugzeug, ein Auto - zu verwandeln.

Das tun sie in den "Transformers"-Filmen in außerirdischem Auftrag. Alles reicht zurück in die Vorzeit des Jahres 17 000 vor Christus, als - Dänicken hatte eben doch recht - Aliens auf der Erde landeten. Heute sind sie längst unter uns, halten sich als Autos, Toaster oder anderes getarnt auf der Erde auf, und ihre guten (die Autobots) und schlechten (die Decepticons) Roboter-Arten bekriegen sich. Dafür "transformieren" sie sich zu riesigen Metalltresoren, die manchmal Menschen helfen, sie manchmal aber auch tödlich bedrohen.

Stellungswechsel wie in einem Pornofilm

Und... und... und...

Deleuze/Guattari

Auch hier passiert allerlei und gar nichts, Materialschlachten dominieren und am Schluss landet man dann wieder bei den Pyramiden, um allem eine irgendwie mythische Weihe zu geben. Insgesamt aber ist dies doch ein Film ohne Geschichte und ohne Zentrum, ein netzhaftes Konstrukt, wie man es in der Postmoderne mal "Rhizom" genannt hat, und das man logisch am ehesten mit der Chaostheorie erklären könnte - oder mit den Ideenwelten des "Anti-Ödipus" der französischen Philosophen Gilles Deleuze und Felix Guattari. Sie stellten sich das Subjekt als aufgelöst in eine "Organisation von heterogenen Fragmenten" vor, die mit anderen mehr oder minder funktionstüchtigen Systemen wie Politik, Wirtschaft und vor allem Technik interagieren. Wir Menschen sind Wunsch-Maschinen, nicht die Hauptdarsteller unserer persönlichen Geschichte.

Die Ordnung der Dinge folgt der Vorstellung, dass es in Gedanken- und Verhaltensgebäuden kein Zentrum gibt, keine Totalität und daher auch keine Geschichte mehr. Diese Theorie scheint nirgends einleuchtender präsent als in diesem Film: Jede Szene könnte wie in einem Pornofilm im Prinzip auch an anderer Stelle des Films eingesetzt sein, und keinen würde das wirklich stören, was sich verändert, ist nur die Anordnung der Objekte, sind nur Stellungswechsel - ein Machwerk ohne Sinn und Verstand, vom Geschmack mal ganz zu schweigen.

"Transformers 2" ist für all jene Zuschauer, die sich nicht bereits selbst auf Schwundstufen der Evolution befinden, dadurch interessant, dass er zeigt, welche Folgen übertriebene Technikfixierung haben kann, was dabei herauskommt, wenn man diverse Blockbuster miteinander kreuzt, weil man dem einen allein nicht über den Weg traut, und vor allem, wie ein Film aussieht, wenn sich ein Regisseur nicht für Menschen interessiert.

Schauspieler werden hier zur Kulisse für Computertricks, was bei den Hauptdarstellern Shia LaBoef und Megan Fox als Sam Witwicky und Mikaela Banes tatsächlich schade ist. Alles also ein im Wortsinne unmenschlicher Film. Dies ist anders gesagt, der größte Unsinn seit Erfindung des Poststrukturalismus.