Der "Freedom Tower" knickt ein

Die hochtrabenden Pläne für die Ground Zero-Bebauung kommen nicht voran, Sicherheitsbedenken erzwingen nun einen neuen Entwurf für das symbolische Kernstück

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dreieinhalb Jahre nach "911" ist für die auf dem Ground Zero geplanten hochtrabenden Projekte wie den "Freedom Tower" noch immer kein substantieller Spatenstich getan worden. Wann es dazu kommen wird, und vor allem wie die Bauwerke aussehen werden, steht in den Sternen. Nun kommen auch noch Sicherheitsauflagen dazu, die gestern durch einen Bombenanschlag auf das britische Konsulat in New York verstärkt wurden.

Der geplante Freedom Tower. Bild: Studio Daniel Libeskind

Was vom "Freedom Tower" - mit 1776 Fuß Höhe, die an das Jahr der amerikanische Unabhängigkeit erinnern sollen – übrig bleiben wird, mochte diese Woche keiner der drei Verantwortlichen für die Ground-Zero-Überbauung genau sagen. New Yorks Gouverneur George Pataki, New York Citys Bürgermeister Michael Bloomberg und der Investor Larry Silverstein waren sich allenfalls darin einig, dass ein "Freedom Tower" gebaut und dass er grundsätzlich neu entworfen werden müsse.

Der Grund für die aufgeregten Erklärungen, mit denen die drei Herren am Mittwoch nach monatelanger Abwesenheit des Themas in den Medien vor die genervte Öffentlichkeit traten, war eine Beschwerde der New Yorker Polizei. Der war mehr als ein Jahr nach der Grundsteinlegung des projektierten höchsten Gebäudes der Welt aufgefallen, dass für seine und die Sicherheit der Besucher nur unzureichend gesorgt sei. Der von den Architekten David Childs und Daniel Libeskind vorgesehene Standort für den Turm befindet sich nur sieben Meter von der dicht befahreren "West Street" entfernt - eine Einladung für Auto- oder LKW-Bomben, wie befürchtet wird. Außerdem müssten die Mauern des gigantischen Turms dicker und seine Glasfronten verstärkt werden, um für den notwendig erachteten Schutz sorgen zu können.

Gouverneur Pataki, der sich mit dem "Freedom Tower" sein eigenes Erbe setzen will, ist der New York Times zufolge deshalb verärgert über die Polizei. Da die Neuentwürfe den Bau des Towers um bis zu einem weiteren Jahr hinauszögern, herrscht bei den ehrgeizigen Planern Kopfschütteln darüber, dass die Polizei erst jetzt Bedenken anmeldet.

Bürgermeister Bloomberg wiederum wird mangelnde Führungskraft vorgeworfen. Er habe sich statt auf Ground Zero zu sehr auf ein anderes lukratives Bauprojektk onzentriert: das "Jets"-Footballstadium im nördlichen Manhattan mit einem Kostenpunkt von 1,9 Milliarden Dollar.

Am Bau des Fundaments des "Freedom Tower" hätte bereits diesen Februar begonnen werden sollen, und seine Spitze 541 Meter über dem Erdboden hätte im Jahr 2009 angebracht werden sollen.

Die Sicherheitsexperten der Polizei bestehen darauf, dass der Turm nach Kriterien errichtet wird, die beispielsweise auch für das Pentagon und andere Bundesgebäude gelten: Sie müssten mindestens 100 Fuß, etwa 30 Meter, von der nächsten Straße entfernt sein. Über das vergangene Jahr hinweg wurden aus dem NYPD bereits Vorschläge eingebracht, die als "Provokation" und "unpraktisch" von den Verantwortlichen beiseite gewischt wurden: der Turm solle 75 Meter von der nächsten Straße entfernt gebaut oder an einer ganz anderen Stelle am Ground Zero errichtet werden.

Vor wenigen Wochen schockierten Vertreter der Investmentfirma Goldman Sachs Sicherheitsbeamte, Politiker und Investoren bei einer Präsentation, auf der sie die Sicherheitslage ihres eigenen Büroturms, der 40 Stockwerke hoch in unmittelbarer Nähe zum "Freedom Tower" gebaut werden soll, mit drastischen Bildern deutlich machten. In einem Film explodiert ein mit 5.000 Kilogramm Bombenmaterial beladenes Fahrzeug und reißt einen riesigen Krater - nicht nur am Boden und im Goldman-Sachs-Gebäude, sondern auch am "Freedom Tower". Die Firma legte ihre Pläne, sich am Ground Zero niederzulassen, deshalb zunächst auf Eis.

Freedom Tower mit dem geplanten Memorial "Reflecting Absence". Bild: LMDC

Doch nicht nur die Zukunft des Turms, sondern auch die der drei weiteren Standbeine der "Ground-Zero"-Überbauung ist ungeklärt. Ein Zentrum für darstellende Kunst, für dessen Design der Architekt Frank Gehry den Zuschlag bekommen hatte und das mindestens 400 Millionen Dollar kosten wird, findet bis auf Weiteres keine Finanzquellen. Das Joyce Theater und die Signature Theatre Company, die an dem Kulturzentrum mitwirken sollten, verlangten vor Kurzem von der Lower Manhattan Development Corporation (LMDC), die Zusicherung, dass das "Fundraising" ernsthaft vorangetrieben werden würde - was nicht der Fall ist. Denn Gehrys Projekt wurde aus den "Fundraising"-Bemühungen, für die die World Trade Center Memorial Foundation eingerichtet wurde, ausgeschlossen. Dasselbe gilt für das "Freedom Center", in das das in SoHo untergebrachte "Drawing Center" einziehen will. 500 Millionen Dollar sollen wenigstens für das Mahnmal des Architekten Michael Arad und das "Memorial Center", das ihr angeschlossen ist, aufgetrieben werden.

Dass die Bauten auf dem Ground Zero mit den salbungsvollen multimedialen Projektionen, mit der die Weltöffentlichkeit seit dreieinhalb Jahren bombardiert wird, wenig bis gar nichts mehr zu tun haben werden, bewies am Mittwoch die kleinlaut klingende Erklärung von Gouverneur Pataki. Die New York Times interviewte darüber hinaus Behördenvertreter, die offen aussprachen, der "Freedom Tower" werde weder eine Spiralform haben noch an den ausgestreckten Arm der Freiheitsstatue erinnern.

So wird das Projekt "Ground-Zero-Überbauung" bleiben, was es von Anfang an war: das Wunschprodukt von profilierungssüchtigen Politikern, die es allen Recht machen wollen, und ein Kompromissprodukt, dessen Aussehen auf der Verfügbarkeit beziehungsweise Abwesenheit von Geld beruht. Was dabei herauskommen wird: vermurkste Architektur, für die Stadt allerdings nichts Neues.