"Der IS wird künftig auf Autobomben in Europa setzen"

Polizeifahrzeuge am Bataclan-Theater nach den Terroranschlägen in Paris, November 2015. Foto: Maya-Anaïs Yataghène/CC BY 2.0

Einschätzungen des französischen Geheimdienst-Chefs Calvar und "Hirngespinste" im Fall der Anschlagsplanungen auf die Düsseldorfer Altstadt

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Prognosen von Geheimdienst-Chefs sind auch von Lärmwänden bestimmt, die sie umgeben: Von der Medienöffentlichkeit, wo Unzulänglichkeiten oder Versagen der Dienste im Zusammenhang mit Terror-Anschläge angeprangert werden und dann noch vom Rauschen der angezapften Kommunikation Verdächtiger. Warnungen der Anti-Terror-Spezialisten sind nicht leicht einzuschätzen.

Ob sie übertreiben, um damit mehr Überwachungs-Kompetenzen zu erhalten, um Kontrollinstrumente auszubauen oder ob sie eine nüchterne Gefahrenanalyse betreiben, ist von außen nicht zu überprüfen. Komplizierter wird es dann noch, wenn Geheimdienst-Mitarbeiter auf obskure Weise im Hintergrund verwickelt sind.

Düsseldorfer Attentatsplanungen: "erhebliche Zweifel"

Zuletzt wurde in Deutschland bekannt, dass die Sensationsmeldung der Verhaftung von Verdächtigen, die angeblich IS-Pläne zu einem Anschlag auf die Düsseldorfer Anstalt verfolgten (IS-Terrorgefahr in Deutschland: Drei Festnahmen und offene Fragen), auf "Hirngespinste" basierte.

Bislang wurde "noch bei keinem der Täter ein hinreichender Tatverdacht festgestellt", teilte Ende Juni eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft rp-online mit. Am vergangenen Sonntag berichtete die Welt, dass es bei den Sicherheitsbehörden und auch in der Justiz inzwischen "erhebliche Zweifel an den angeblichen Anschlagsplänen" gebe.

Erwähnt werden als Verdachtsmomente familiäre Kontakte nach Syrien und Irak, "Chatprotokolle, in denen die Verdächtigen über den Dschihad reden, sowie ein "konspiratives Verhalten" (falsche Identitäten, Verwendung mehrerer Facebook-Accounts). Als Merkwürdigkeit wird ergänzt, dass die Hauptquelle, die zur Festnahme der drei Verdächtigen in Deutschland geführt hat, Saleh A. (Geplante Terroranschläge in Düsseldorf: Die seltsame Geschichte des Saleh A.), zuvor schon Kontaktperson - Informant - einer "BND-Quelle" war. Nun stellt sich laut Welt die Frage, wie nah der BND an den Verdächtigen dran war.

Patrick Calvar warnt vor neuen IS-Anschlagsmethoden

In Frankreich, das 2015 zwei Mal durch mehrere Anschläge erschüttert wurde, macht der Chef des Geheimdienstes DGSI auf eine "abstraktere" Gefahr aufmerksam. Patrick Calvar sagte vor einem parlamentarischen Ausschuss, er sei davon überzeugt, dass der IS Anschläge mit Autos voller Sprengstoff plane. Seiner Auffassung nach werde der IS künftig mehr Wert darauf legen, dass Leben von IS-Zellenmitgliedern zu schonen und sich mehr darum bemühen, Kommandos aufzubauen, die in der Lage sind, Autobomben oder Sprengstoffe zu basteln, die keine - oder auch weniger - Selbstmordattentäter verlangen.

Ob sich Calvar dabei auf Quellen stützt oder lediglich eine Expertise aufgrund von "Hintergrundrauschen" abgibt, ist öffentlich nicht bekannt. Zeitungsberichte über seine Aussagen geben ein Protokoll der Sitzung des Ausschusses vom 24.Mai wieder, das der größeren Öffentlichkeit unzugänglich ist.

Klar zu erkennen ist bei den Aussagen Calvars, die nun über Medien verbreitet werden, dass ihm daran liegt die Kompetenzen der Geheimdienste weiter auszubauen. Er will weniger juristische Hürden. So beklagt er, dass der Überwachung von Verdächtigen enge Grenzen gesetzt sei, wenn sich diese in einem laufenden Verfahren befinden. Die Verteidigung habe hier zu große Einspruchsbefugnisse.

Zum anderen drängt auch er wie die amerikanische Regierung und Behörden darauf, dass Geheimdienste von Herstellern Zugänge für verschlüsselte Geräte bekommen (vgl. Für US-Regierung ist der Zugriff auf verschlüsselte Daten und Geräte "nationale Priorität"). Man werde einem "Armdrücken" mit den Herstellern von Programmen und Geräten nicht umhin kommen, wird Calvar zitiert.

Calvar ist ambitioniert; er schließt den russischen Betreiber des Dienstes Telegram mit ein. Telegram gehöre zusammen mit WhatsApp, Viber und iMessage zu den augenblicklich beliebtesten Kommunikationsmittel von IS-Mitgliedern. Zu erwähnen bleibt, dass Calvar auch für den systematischen Einbau biometrischer Elemente in Identitätsausweise plädiert. Die bisherigen Identitätskontrollen hätten überhaupt keinen Sinn mehr.

Der Leiter des französischen Inlandgeheimdienstes hatte Ende Juni für Aufhorchen gesorgt, als er von der Gefahr eines Bürgerkriegs in Frankreich sprach, infolge der Radikalisierung ultrarechter Gruppen, die mit "Selbstverteidigung" auf IS-Anschläge reagieren könnten (Geheimdienst-Chef: "Frankreich steht am Rande eines Bürgerkriegs").