Der Kissenroboter

Um eine intimime Kommunikation aus der Ferne für alten Menschen zu ermöglichen, haben Designer ein Kissen zur Fernumarmung entwickelt

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Die westliche Gesellschaft vergreist, zumindest werden vermutlich die Alten immer mehr und immer älter, wenn sich der Trend nicht durch bislang unberücksichtigt gebliebene Gründe verändert. Mit der Vergreisung werden die Alten auch ein zunehmend interessanterer Markt, vor allem auch für IT-Produkte, um deren Anpassung an die graue Generation sich die Branche bislang wenig gekümmert hat (Das abgespeckte Handy). Auf der Suche nach neuen Produkten für den verheißungsvollen Markt entstehen gelegentlich auch bizarre Ideen.

"The Hug", ein Robotprojekt für intime Kommunikation von der Carnegie Mellon University

Wie die Designerin Jodi Forlizzi von der Carnegie Mellon University anmerkt, steigt mit der Zahl der Alten natürlich gleichzeitig die derjenigen, die auf körperliche und kognitive Hilfe und damit auch auf Technik angewiesen sind. Das ist besonders dann der Fall, wenn sie alleine leben müssen oder wollen. Ein von Forlizzi geleitete Forschungsprojekt richtet sich auf Robotik zur Altenhilfe aus, die allerdings an die sozialen und emotionalen Erwartungen angepasst werden müsse. Roboter sollten also leicht zu bedienen und die Interaktion mit ihnen zwanglos oder gar ein Vergnügen sein.

Aus naheliegenden Gründen werden so bereits viele Roboter entwickelt, die im Rahmen der Altenbetreuung diese überwachen, Telepräsenz für und Kommunikation mit den Betreuern sowie mit dem Roboter selbst als Menschenersatz und die Ausübung anderer Aktivitäten ermöglichen, beispielsweise Hilfe bei Verrichtungen wie Essen, Besorgungen etc. oder Erinnerung an die Medikamenteneinnahme etc. Diese Roboter sehen dann in aller Regel wie Menschen oder Tiere aus, weil man davon ausgeht, dass die Menschen in der Begegnung mit dem Bekannten und Ähnlichem größeres Vertrauen entwickeln. Eine andere Variante ist, gleich ein ganzes fürsorgliches Haus zu entwickeln, das stets weiß, wo sich die Bewohner befinden, das deren Vorlieben und Verpflichtungen kennt und Telepräsenz von anderen sowie vielfältige Kommunikation mit anderen ermöglicht, aber nicht als handelndes Wesen hervortritt, auch wenn man das durchaus dann so empfinden kann.

Von Forlizzi wurde im Rahmen des Project on People and Robots zusammen mit Francine Gemperle und Carl DiSalvo in einem anderen Ansatz der "Hug" entwickelt als Möglichkeit für eine intime Kommunikation und Interaktion aus der Ferne. Dabei handelt es sich um ein weiches Kissen in Form eines Oberkörpers mit zwei Armstummeln, das man - die Alten sind einsam! - anstelle einer wirklichen Person umarmen kann. Vielleicht weil die Alten auch wieder ein wenig kindlich werden, kann das Umarmungskissen vibrieren und sich erwärmen (körperliche Nähe!). Und es sendet Licht- und Tonsignale aus, um einen Kontaktwunsch, d.h. einen Anruf, anzunehmen. Der oder das "Hug" (von umarmen) dient primär als Telefon und erinnert natürlich auch an andere mögliche Formen der Tele-Intimität. Eine harmlose Art hat eine japanische Firma für Frauen entwickelt, das Kissen mit dem Arm des Freundes (The Boyfriend's Arm Pillow). Der Kopf liegt beispielsweise auf der "Brust", der Kopfkissenarm hält die Ruhende/Schlafend fest.

In our contemporary culture extended families (i.e., grandparents and their children and grandchildren) often do not live together, reducing the opportunity and ability to regularly engage in intimate communication. Communication products such as the phone and email are used regularly, but tend not to support intimate communication because intimate communication is generally rich, involving physical interaction and multiple senses. Intimate communication is not only pleasurable, it is also profoundly important for maintaining mental, emotional, and physical health.

Carl DiSalvo, Francine Gemperle, Jodi Forlizzi, Elliott Montgomery
Nähe trotz Entfernung

Die Vorstellung ist, dass der alte, körperlich und geistig schon ein wenig unbewegliche Mensch mit Familienangehörigen telefoniert und dabei offenbar das Gefühle erhalten soll, deren Nähe körperlich spüren zu können. Man hört also die vertraute Stimme und kuschelt sich ans vibrierende, brummende und warme Kissen und alles ist gut. Dabei müssen allerdings beide Telefonierenden ein "Hug" besitzen. Drückt man den linken Arm und spricht den Namen des Anzurufenden, so sendet man über eine drahtlose Verbindung eine Umarmung an diese Person aus. Über Stimmerkennung wird der Name mit einer eingegebenen Telfonnummer verknüpft. Der angerufene "Hug" leuchtet dann in der Brustgegend auf, gibt bestimmte Melodien von sich und erwärmt sich. Angenommen wird die Telefonumarmung, indem wiederum der linke Arm gedrückt wird und man beispielsweise Hallo sagt. Gespräch und Umarmung werden beendet, wenn der rechte Arm gedrückt wird.

Wenn der Gesprächs- und Umarmungspartner nicht da ist, kann man eine verbale und eine Umarmungsbotschaft abspeichern, die dann abgespielt werden. So gibt es also auch zeitversetzte Nähe. Die anthropomorphe Gestalt soll nicht nur die Bedienung bzw. die Interaktion erleichtern, sondern mit den ausgestreckten Armen zur Umarmung auffordern, aber gleichzeitig ein selbstverständlicher Einrichtungsgegenstand als Kissen sein. Fragt sich allerdings, was man macht, wenn der Wunsch auf Nähe zur Person, mit der man spricht, nicht besonders groß ist. Dann sollte man vielleicht auf eisig beim Gegenüber schalten und das Vibrieren so verstärken können, dass es Distanz schafft. Aber das ist offenbar nicht in der Designer-Intimität vorgesehen, in der alle immer nett und freundlich sind.