Der Kreml will weiter Militärparaden abhalten

Auf dem Roten Platz marschierten zum 66. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland doppelt so viele Soldaten wie vor einem Jahr. Bei Gedenkveranstaltungen in der Westukraine kam es zu Zwischenfällen

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Es werden immer weniger. Doch auch am diesjährigen 9. Mai, der in Russland ein arbeitsfreier Feiertag ist, standen die Kriegs-Veteranen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie wurden beglückwünscht, sie wurden mit Blumen beschenkt und während der Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau saßen die ordensgeschmückten über 80-Jährigen, mit auf der Ehrentribüne.

Präsident Medwedew begrüßt Kriegs-Veteranen. Bild: Presidential Press and Information Office

In seiner Rede von der Tribüne am Roten Platz erklärte Präsident Dmitri Medwedew, "je weiter die Heldentat zurückliegt, desto größer ist ihre Bedeutung". Tatsache ist jedoch, dass heute viele der Kriegsveteranen in Armut leben.

"Erinnerung lebendig halten"

Bei einem Treffen mit Kriegsveteranen am Vortag hatte der Präsident erklärt, er habe darüber nachgedacht, ob es nicht besser sei, das Geld für die alljährliche Siegesparade auf dem Roten Platz den Veteranen zu geben. Von diesem Gedanken sei er aber wieder abgekommen. Die Parade habe einen wichtigen erzieherischen Charakter, sie sei ein Symbol, "dass wir ein starkes Land mit Streitkräften sind".

Medwedew hatte bei dem Treffen mit den Kriegsveteranen eingestanden, dass die Vorstellungen über die heroischen Leistungen im Zweiten Weltkrieg zum Teil einen "etwas formalen und vielleicht sogar abstrakten Charakter" haben. Wichtig sei es deshalb, der Jugend mit neuen Filmen, Büchern und militär-sportlichen Veranstaltungen die Bedeutung des Zweiten Weltkrieges näher zu bringen. Aber anti-westliche oder deutschfeindliche Stimmungen sollen damit ausdrücklich nicht gefördert werden.

Bild: Presidential Press and Information Office

Den Zweiten Weltkrieg haben nach Meinung der Russen Hitler und die Nazi-Partei verschuldet. Deutschland wird von den Russen heute wegen seiner Leistungen auf technischem und wirtschaftlichem Gebiet regelrecht bewundert. Man wünscht sich Deutschland als Partner.

Militärparade im Zeichen der Armeereform

Die diesjährige Militärparade auf dem Roten Platz unterschied sich deutlich von der Parade im Vorjahr. Auf eine Flugshow mit Langstreckenbombern und Auftankflugzeugen über dem Roten Platz hatte man verzichtet. Auch wurden weniger Panzer und Atom-Raketen vorgeführt. Stattdessen wurde die Zahl der Soldaten, die im Marschschritt an der zentralen Tribüne vorbeizogen, auf die Rekordzahl von 20.000 verdoppelt.

Bei den Soldaten handelte es sich um Elitesoldaten verschiedener Waffengattungen. Die Soldaten trugen nicht mehr die altmodischen sowjetischen Tellermützen, sondern moderne Barett-Mützen und Tarnanzüge in grün und sandbraun, wie sie auch in der Nato üblich sind. Historische Uniformen aus dem Zweiten Weltkrieg gab es diesmal nicht.

Mit dem modernen Outfit wollte der Kreml offenbar zeigen, dass es mit der Armeereform weiter vorangeht (Russlands Generäle hungrig auf westliche Waffen). Die Militärführung geht nicht mehr von großen militärischen Konflikten aus. Bei regionalen Konflikten will man kleine mobile Einheiten - ausgerüstet mit moderner Elektronik - einsetzen. Auf einer Festveranstaltung im Kreml bezeichnete Dmitri Medwedew den internationalen Terrorismus als aktuelle Hauptbedrohung. Dieses Problem könne "die Menschheit nur in gemeinsamer Anstrengung" bekämpfen.

Bild: Presidential Press and Information Office

Rauchgranaten in Lviv

Auf der Militärparade in der ukrainischen Hauptstadt Kiew kam auf Anweisung von Präsident Viktor Janukowitsch die rote Fahne wieder zum Einsatz. Dies stieß auf Protest von ukrainischen Nationalisten, die meinen, Janukowitsch wolle die Ukraine wieder an Russland ausliefern.

In der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk sperrten ukrainische Nationalisten eine Straße, um gegen eine Gedenkfeier mit roten Fahnen zu demonstrieren. Sie riefen "Hammer und Sichel - Tod und Hunger! Kommunisten an den Ast!" In der westukrainischen Stadt Lviv kam es zu Zusammenstößen zwischen ukrainischen Nationalisten auf der einen und Kriegsveteranen und deren Angehörigen auf der anderen Seite. Hunderte von Nationalisten versuchten zu verhindern, dass die Kriegsveteranen Blumen auf einem Gedenkfriedhof niederlegen. Die Nationalisten setzten Rauchgranaten ein und rissen einigen Personen, die zu der Gedenkveranstaltung wollten, das St.- Georgs-Band ab. Das gelb-schwarz gestreifte Bändchen erinnert an den Sieg über Hitler-Deutschland.

In der Westukraine wird der Führer der Ukrainischen Aufstandsarmee (UPA), Stepan Bandera, bis heute verehrt. Bandera arbeitete bei der Besetzung der Ukraine mit der Wehrmacht zusammen. UPA-Mitglieder beteiligten sich an Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung. Von 1945 bis 1953 kämpften die ukrainischen Nationalisten weiter im Untergrund gegen das Sowjetregime.

Auch aus Tbilissi kamen scharfe Töne an die Adresse Moskaus. Der russische Präsident hatte zum Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland nämlich nicht dem Präsidenten Michail Saakaschwili, sondern dem "georgischen Volk" gratuliert. Glückwunschschreiben aus dem Kreml bekamen auch die Präsidenten der abgespaltenen georgischen Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien. Der georgische Außenminister Grigol Waschadse verurteilte diese Art der Glückwünsche als "Clownerei". Georgien habe das Kriegsende "wie die ganze zivilisierte Welt" bereits am 8. Mai gefeiert.