Der Motor des Quantencowboys

Eine stille Revolution im Verständnis von Energie und Bewegung

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Marlan Scully, auch liebevoll der Quantencowboy genannt, stellt einen Motor vor, der Wärme verlustfrei in Bewegung umsetzt.Kein Perpetuum mobile der zweiten Art, sondern eine Lösung vom Typ des Nachbrenners, dennoch wirksamer als die "Carnot engine": Atome sind die Kohle, und die Strahlung der Dampf, um den Kolben zu bewegen. Dazu kombiniert Marlan Scully in dem Bericht seiner Arbeitsgruppe in Science seinen Liebling, den Laser mit Spiegeln und dem Konzept der "quantum coherence".

Marlan Scully geht vom typischen Otto-Motor aus, in dem das Gas im Zylinder expandiert, den Kolben bewegt, Wärme an die Umgebung abgibt, komprimiert und erneut gezündet wird. Seine Neuerung sind zwei zusätzliche Schritte. Nach dem Abkühlen wird das Gas bei konstanter Temperatur durch eine Mikrolaser Hohlraum geführt und setzt dort Energie frei. Dieser Hohlraum wird beim nächsten Verbrennungszyklus erneut auf eine konstante Temperatur erhitzt. Statt die kinetische Energie der Gasatome zu erhöhen, wird jedoch der Energiezustand der Atome erhöht, so dass sie Photonen erzeugen. Weil die hinzu gewonnene Energie größer ist als die erzeugte Kraft, folgt das Prinzip den Gesetzen der Thermodynamik.

Das Arbeitsprinzip des perfekten Motors. Hohlraum Th dient dazu, die abgekühlten Atome wieder aufzuheizen und bis zum nächsten Zyklus vorzuhalten.

Was in wenigen Worten einfach erscheint, ist tatsächlich eine stille Revolution im Verständnis von Energie und Bewegung. Albert Einstein erkannte als Erster, dass kleine Partikel durch zufällige Stöße regellos hin- und herzittern. Warum, so einige Physiker, sollte die Brownsche Bewegung nicht gerichtet werden? Und so waren die "Brownschen Motoren" geboren: statt ziellos umherirrender Teilchen das Bahnen in eine Richtung. Das erfordert äußere Energie, um zu verhindern, dass sich ein thermisches Gleichgewicht einstellt. Dennoch sind die Brownschen Motoren in unserem bisherigen Verständnis etwas Ungewöhnliches. Für die gerichtete Bewegung sind weder eine Nettokraft, noch ein chemisches Konzentrationsgefälle, oder ein Temperaturgradient erforderlich.

Die Funktionsweise wurde vor mehr als 30 Jahren von Richard Feynman als Gedankenexperiment vorgestellt. Man nehme ein Flügelrad, das sich wegen eines Sperrhakens nur in einer Richtung drehen kann. Falls nun ein Partikel auf einen Flügel auftritt, erfährt das Rad einen Kraftstoß, der bei entsprechender Stärke das Rad vorwärts bewegt. Dennoch bleibt es beim Stillstand, weil der Sperrhaken ebenfalls Partikel abbekommt und folglich nicht widerstandsfrei geöffnet werden kann. Auf der Suche nach praktischen Anwendungen erkannten die Physiker allerdings, dass der Sperrhaken durch Asymmetrien ersetzt werden kann. Das sind beispielsweise sägezahnartige Dächer mit unterschiedlicher Steigung, in der die Teilchen in Mulden aufgefangen werden. Wird das thermische Rauschen durch regelmäßige Schüttelbewegungen gestört, dann findet überraschenderweise eine Separierung statt. Peter Hänggi läßt Teilchen entlang eines sägezahnförmigen Potentials wandern, dessen Energiezufuhr ein- und ausgeschaltet wird. Die in einem Minimum des Potentials liegenden Partikel breiten sich während der Aus-Phase regellos in alle Richtungen aus. Mit dem Einschalten des asymmetrischen Potentials gehen die Teilchen allerdings gerichtet den Weg des geringsten Widerstandes. Makromoleküle und Zellen, so die Hoffnung, könnten durch den Lauf über eine Strecke ganz ohne Chemie voneinander getrennt werden.

Auch für Biologen haben Brownschen Motoren etwas Faszinierendes. Wie wird aus chemischer Energie eine gerichtete Bewegung? Das bekannteste Beispiel ist die Muskelkontraktion. Tausende von Aktin-Myosin-Motoren sind bei jedem unserer Schritte im Einsatz, weil sich die Myosinfasern an den Aktinfasern entlang hangeln. Die Energie für den molekularen Motor schafft Adenosintriphosphat (ATP). Aus der neuen Sicht wird vieles im molekularen Ablauf greifbarer. Selbst die Gegner der Idee von den Brownschen Motoren, die den Muskel als eine Art Gummiband verstehen, brauchen einen Mechanismus, der zum Spannen führt.

Marlan Scully ist ein solider Theoretiker. Mit bisher über 400 Publikationen hat er viele Entwicklungen angestoßen: von der Quantum Theorie der Laser (zusammen mit Willis Lamb) bis zur Überlegung, dass der Informationsverlust in einem Teil des Universums die Art verändert, wie wir an anderer Stelle damit umgehen. Noch ist sein Motor kein knatternder Prototyp. Gleichwohl wird die Idee, das Prinzip der Brownschen Motoren mit den Fähigkeiten des Lasers zu kombinieren, Techniker und Wissenschaftler begeistern.