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Die RIAA verklagt Aimster und Launch.com

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Die Recording Industry Association of America (RIAA) hat gestern Klage gegen die Napster-ähnliche Tauschbörse Aimster und den Online-Radiosender Launch.com wegen angeblicher Copyright-Verstöße eingereicht. Droht nun auch anderen Online-Musikanbietern eine Prozesslawine?

Noch vor wenigen Tagen hatte RIAA-Präsidentin Hillary Rosen erklärt, der Gang vor Gericht sei für ihre Organisation keine Business-Strategie, sondern lediglich ein Tool. Nun hat der Zusammenschluss der großen amerikanischen Plattenfirmen mal wieder von dem Tool Gebrauch gemacht: Gestern reichte die RIAA in New York Klage gegen die Musiktauschbörse Aimster und den Online-Radiosender Launch.com ein. Außerdem wurde angekündigt, dass die Motion Picture Association of America heute eine eigene Klage gegen Aimster einreichen werde. RIAA-Anwalt Matt Oppenheim erklärte dazu:

"Aimster ist wie Napster. Der große Unterschied zwischen den beiden ist, dass Aimster auch den Zugriff auf Filme, Software und Bilder erlaubt."

Aimster: Klagen und Gegenklagen

Nach Ansicht des Aimster-Firmengründers Johnny Deep gibt es zwischen Aimster und Napster jedoch grundsätzliche Unterschiede. Um diese auch gerichtlich klären zu lassen, hatte er seinerseits bereits Ende April die RIAA verklagt - vorbeugend sozusagen. Außerdem hat er sich in den letzten Monaten von Napster-Anwalt David Boies dabei unterstützen lassen, sein Tauschbörsen Modell juristisch abzusichern.

Aimster setzt auf AOLs Instant Messaging-System AIM auf und erlaubt es dessen Usern, auch Dateien untereinander auszutauschen. Anders als bei Napster ermöglicht diese Konstruktion, dass man seine MP3s nur mit einem engen, vorher festgelegten Kreis von Freunden austauscht. Wahlweise hat man aber auch die Möglichkeit, kurzerhand alle Aimster-User zu seinen Freunden zu erklären und den Zugriff nicht zu beschränken.

Zudem arbeitet Aimster mit Verschlüsselung, so dass die Betreiber nach eigenen Aussagen nicht nachvollziehen können, wer mit wem welche Datei tauscht. Zuguterletzt hat David Boies der Tauschbörse zu einem Enduser License Agreement verholfen, das selbst für Experten schwer verständlich ist. Schließlich ist Firmengründer Johnny Deep der Überzeugung, dass eine Überwachung des Firmennetzwerks - etwa durch entsprechende Anti-Piracy-Tools der IFPI - gegen den Digital Millennium Copyright Act verstößt, da sie die verschlüsselte, private Kommunikation der Aimster-Mitglieder unterminiere.

Stille Kooperation zwischen Tauschbörsen und RIAA

Die jetzige Klage der RIAA gegen Aimster könnte dazu beitragen, die rechtlichen Möglichkeiten und Beschränkungen für Tauschbörsen-Betreiber noch genauer zu definieren. Hintergrund der Klage zu diesem Zeitpunkt ist aber die Weigerung Deeps, mit der RIAA zu kooperieren. Offenbar hatte die RIAA in den letzten Wochen von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt an verschiedene Tauschbörsen-Anbieter und ISPs CD-ROMs mit Listen von zu sperrenden Songs verschickt, wie sie auch Napster zuvor erhalten hatte. Einige Anbieter wie Audiogalaxy.com reagierten darauf, indem sie selber Filter installierten. Aimster jedoch weigerte sich und ging statt dessen in die gerichtliche Offensive.

Allerdings steht es derzeit nicht gerade gut für den aufmüpfigen Napster-Rivalen. Erst vor wenigen Tagen hatte das National Arbitration Forum geurteilt, dass Aimster mit seiner Domain das Markenrecht von AOL verletze. AIM ist eine geläufige Abkürzung für den Instant Messaging-Dienst des Onlinedienstes. Aimster-Gründer Johnny Deep will gegen dieses Urteil in Berufung eingehen. Er erklärte, der zweite Vorname seiner Tochter sei Aimster. Mit AOL habe dies nichts zu tun. Deeps Tochter geriet bereits in die Schlagzeilen, weil die Firma sie als Aimster-Maskottchen vermarktet und auf der Website im Badeanzug posen lässt.

Lauch: Die Grenzen der Interaktivität

Besonders einschneidend könnte sich ein mögliches Urteil gegen Launch.com auf den Online-Musikmarkt auswirken. Launch betreibt einen Online-Radiosender, der es seinen Hörern bis zu einem gewissen Maße gestattet, das Programm mitzubestimmen. Nach dem Digital Millennium Copyright Act muss aber jeder interaktive Internet-Radiosender die Rechte für die auszustrahlenden Songs einzeln mit den Plattenfirmen verhandeln. Nur wer nicht-interaktiv sendet, darf sich auf eine - noch nicht im Detail ausgehandelte - Pauschallizenz berufen.

Die DMCA-Maßstäbe für Interaktivität sind jedoch dehnbar. Zahlreiche Websites bieten ihren Besuchern nicht immer ganz transparente Möglichkeiten, indirekt auf das gehörte Programm Einfluss zu nehmen. So können beim Launchcast-Angebot beispielsweise Songs bewertet und somit aus der eigenen Playlist geschmissen werden. Eine direkte On Demand-Auswahl eines Songs bietet Launch jedoch nicht an. Sollte die RIAA mit ihrer Klage gegen Launch.com Erfolg haben, so könnte dies einschneidende Folgen auch für Angebote wie Radio Sonicnet oder Echo.com haben, die nach ähnlichen Prinzipien arbeiten.

Durch die Bertelsmann-Beteiligung an Napster und zuletzt den Kauf von MP3.com durch Vivendi gerieten die Plattenfirmen immer wieder in den Verdacht, die Konkurrenz zu ihren eigenen Online-Angeboten erst durch Klagen systematisch finanziell in Bedrängnis zu bringen, um sie dann billig aufzukaufen. Zumindest im Falle von Launch.com kann dies jedoch nicht bestätigt werden: Die Warner Music Group, Sony Music und die EMI besitzen bereits Anteile an dem nun von ihnen verklagten Unternehmen.