Der Plot Chevrolet - nur eine Mitfahrgelegenheit für einen Loser?

USA: Die Anklage gegen Iran stützt sich auf Akteure mit beschränkter Glaubwürdigkeit: Noch steht der Beweis für die Verbindung der Anschlagsplaner zur iranischen Führung aus

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Nicht nur die Socken, die Mansour J. Arbabsiar im College getragen hat, passen nicht zueinander. Die Geschichte vom Anschlagsplan gegen den saudischen Botschafter in Washington (Amerikanischer Frühling) hat, was die Anklage betrifft, Schwachstellen, "die den Speichelfluss eines jeden Strafverteidigers erhöhen würde."

Heute morgen tönte es aus dem Radio: Der amerikanische Präsident würde doch nicht das Risiko eingehen, sich hinter Vorwürfe zu stellen, wenn sie nicht gut begründet sind, hieb- und stichfest.Und auch Hillary Clinton, die Außenministerin, müsse doch von der Faktenlage überzeugt sein, wenn sie eine solche Anklage gegen Iran erhebe. Ein Fehleinschätzung wäre eine ungeheure Peinlichkeit. Das machte heute ein Kommentar des Bayerischen Rundfunks geltend, wahrscheinlich nicht als einziger, das wurde auch anderswo in Diskussion über die "Räuberpistole" geltend gemacht, trotz der Skepsis, die sie auslöst. In einigen Kommentaren halten sich Gewissheit vortäuschende Formulierungen "wenig Zweifel" mit Konjunktiven Händchen, so etwa in der FAZ:

Es gibt wenig Zweifel daran, dass Teheran in Terroranschläge verwickelt ist, deren Ziel diplomatische Vertretungen anderer Staaten im Ausland waren oder sind. Sollte es den amerikanischen Sicherheitsbehörden dieses Mal gelungen sein, die Vorbereitungen für einen solchen Terrorakt hieb- und stichfest nachzuweisen, Iran also eines flagranten Verstoßes gegen internationales Recht zu überführen, so träten die Spannungen mit dem Mullah-Regime in ein neues Stadium der Eskalation. Denn es wäre damit nachgewiesen, dass sich Iran selbst aus der internationalen Gemeinschaft ausschließt.

Obama ist im Wahlkampf und es sieht nicht allzu rosig für ihn aus. Manche, wie FBI-Chef Robert Mueller, denken bei dem Skript des Chevrolet-Plots an Hollywood - und vielen kommt anlässlich des Wahlkampfs die Filmsatire "Wag the Dog" in den Sinn.

Nach dem, was gestern über die Vorgänge weiter bekannt wurde, gibt es drei Schwachpunkte, die bei auch diesem vermeintlichen "strong case" der Anklage einen doch sehr dünnen und brüchigen Boden sichtbar machen. Die Öffentlichkeit hat im Sommer beim Fall Dominique Strauss-Kahn gelernt, vorsichtig mit Anklagen, die zunächst als stark begründet dargestellt werden, umzugehen.

Drei Schwachstellen

Im Fall des Anschlagsplans stellen sich Fragen zur Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen Mansour J. Arbabsiar, dem im Komplott eine zentrale Rolle zugewiesen wird. Er war es, der die Idee vom Anschlag weitergab. Zweitens stellen sich Fragen zur Rolle und Person des V-Manns, Agent "CS-1", der als Informant für die amerikanische Drogenbekämpfungsbehörde DEA fungierte.

Und drittens stellen sich Fragen zur politischen Dimension, zur vorgeworfenen Verbindung des Anschlagsplans zu Iran, zum Cousin des Festgenommenen, Gholam Shakuri, zu dessen Mitgliedschaft und Funktion in der al-Quds-Brigade, zu Verbindungen zur Führung der Revolutionären Garden und schließlich als letztes Glied der Kette zur Rolle der iranischen Regierung bei dem Anschlagsplan. Was wusste die iranische Regierung von den Anschlagsplänen? Gibt es Machtfilialen, die selbstständig agieren? Oder wusste die iranische Regierung doch gar nichts davon?

Arbabsiar

Die Beweislage der US-Ermittler bezieht sich stark auf die Person Arbabsiar, auf dessen Handlungen und Verbindungen, auf abgehörte Telefonate und seine Geständnisse. Nach dem Bild, das die Berichterstattung von ihm vermittelt, ist er nicht gerade der Muster-Typ, der für einen Coup mit weltpolitischen Folgen in Frage käme, eher die Besetzung für ein Remake der Geheimdienstkomödie "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh".

Als besonders gläubiger Muslim ist Arabsiar nicht aufgefallen: Ein Whiskey-Trinker, Spitzname "Jack" (Daniels), der Handy, Brieftaschen, Papiere und Schlüssel vergißt, schusselig ist, verschiedene Socken trägt, Autogeschäfte vermasselt, Haschisch raucht, zu Prostituierten geht, völlig unorganisiert ist, der auch seine zweite Frau verloren hat - ein Loser mit Schulden in den USA und geerbtem Vermögen in Iran. "Worthless", wie dies aus Porträts der Washington Post und der New York Times hervorgeht.

Auch gegenüber Aussagen von Freunden, Nachbarn, College-Kollegen, Geschäftspartnern, die sich zu diesem Bild fügen, ist natürlich Skepis angebracht. Zumal wenn pikanterweise als belastend vorgebracht wird, was als Muster auch von iranischer Seite gerne genommen wird, um missliebige Kritiker oder Oppositionelle als Staatsfeinde dargestellt werden: Verbindungen zu Prostituierten, Alkohol-und Drogenkonsum. Aber das Bild geht doch eindeutig in eine andere Richtung als das eines Mannes, der mit Deckung der iranischen Regierung eine zentrale Rolle bei einem Anschlag mit großen politischen Konsequenzen spielt.

Doch bleibt, dass Arbabsiar in den USA Geld brauchte und in Iran angeblich ein Vermögen im Wert von 2 Millionen Dollar hatte. Seine Geständnisse, die er 12 Tage lang ohne Recht auf Auskunftsverweigerung nicht gegenüber der texanischen Polizei, sondern wohlweislich, um die Auskunftsverweigerung zu umgehen, Bundesbehörden gegenüber machte, sind vor Gericht anfechtbar, wie dies der Experte für juristische Fragen bei CNN in Einzelheiten ausführt.

"CS-1"

In dem eben genannten Artikel erfährt man auch, dass der V(erbindungsmann)-Mann, Codename "CS-1", der als Informant für die Drogenbekämpfungsbehörde arbeitete, den Arbabsiar für ein Mitglied des mexikanischen Drogenkartells hielt, früher auf der anderen Seite des Drogenhandels stand, als Drogendealer. Die Vorwürfe gegen ihn wurde als Gegenleistung für seine Mitarbeit bei Strafverfolgungsbehörden fallen gelassen:

Previously, CS-1 was charged in connection with a narcotics offense by authorities of a certain U.S. state. In exchange for CS-1's cooperation in various narcotics investigations, the State charges were dismissed.

"CS-1" ist nicht der erste Drogendealer, der von Ermittlungsbehörden rekrutiert wird, und möglicherweise ist er auch nicht der erste Undercovermann, der Geschäfte anbahnt, die zur Anklage führen. In der Vergangeheit tauchten immer wieder Geschichten auf, in denen FBI-Mitarbeitern bei sogenannten vereitelten Anschlägen derartig die Intitiative übernahmen, dass Gerichte die Angeklagten wieder freisprachen.

Die Rolle des V-Manns ist auch in diesem Fall etwas obskur, hat er doch von sich aus den Preis für den geplanten Anschlag laut offizieller Anklageschrift vorgeschlagen

And even according to the complaint, it was CS-1 (not Arbabsiar) who came up with the much-ballyhooed figure of $1.5 million as the price to the Iranians for the killing.

Das könnte der Geschichte vor Gericht einen anderen Anstrich, als sie bisher dargestellt, geben. Arabsiar soll laut Anklageschrift, wie der CNN-Journalist zu Bedenken gibt, enthusiastisch bei der Sache "mitgemacht" haben. Und zugestimmt haben, die Summe an CS-1 zu zahlen, wenn dieser den Botschafter tötet:

again according to the complaint, Arbabsiar "confirmed that he agreed to pay CS-1 to kill the ambassador."

Der Fall könnte vor Gericht kompliziert und langwierig werden, so das Resumé von Jeffrey Toobin.

Gholam Shakuri

Die dritte Schlüsselfigur ist der Cousin Arbabsiars, Gholam Shakuri, der laut Justizministerium nicht auffindbar ist. Er ist das Verbindungsglied zu den Revolutionären Garden, worüber dann letztlich die Verbindung zur iranischen Führung hergestellt wird. Doch weiß man kaum etwas über ihn, außer durch Aussagen von Arbabsiar. Abgehörte Telefonate bestätigen, dass er mit ihm Spiel war. Bislang haben die US-Behörden aber noch nichts Stichhaltiges darüber vorgelegt, das die Behauptung beweist, dass Shakuri eine führende Rolle bei den al-Quds-Brigaden innehat.

Die Konzeption und Durchführungs des Planes lässt Experten daran zweifeln, ob die al-Quds-Brigaden, denen man eine hochprofessionelle Arbeitsweise unterstellt, hinter der Planung stecken.

Unklar ist auch, ob Shakuri in Eigenregie gehandelt hat oder mit dem Einverständnis der Führung der Revolutionären Garden. An der Klärung des letzten Punktes liegt viel, wenn es um die internationalen Dimensionen des Falls Chevrolet geht (You Should Hope the Crazy Iranian Bomb Plot Is True). Das Ganze wirkt sehr aufgeblasen.