Der Unterschied macht den Unterschied

Regionale Kommunikations-Diversität und der sozioökonomische Status von Gebieten im Großraum London im Vergleich - die Science-Studie zeigt, dass der eine Faktor einen Schlüsselindikator für den anderen darstellt (Bild: Rob Claxton, BT Group)

Menschen sind umso erfolgreicher, je unterschiedlicher ihre Freunde sind

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Es ist ein altes Klischee: Die Reichen bleiben in ihren Golfclubs und Elite-Internaten unter sich, die Armen in ihren Kneipen oder Wohnzimmern. Dass das in keinem Fall die richtige Strategie für mehr Erfolg ist, weiß die Wissenschaft schon länger - jedenfalls auf dem Niveau des Individuums. Menschen, die sich in eng verknüpften sozialen Netzen bewegen, ohne Kontakt zur Außenwelt, verpassen wichtige Impulse, die nur von eben dort kommen können - und gehen im Ernstfall zusammen mit ihrer Gruppe unter. Die Geschichte kennt genügend Fälle, in denen sozialer Abschluss schließlich zum ökonomischen Niedergang geführt hat.

Die Wissenschaft hingegen hat gezeigt, dass Menschen mit verschiedenartigen Verbindungen zur Außenwelt ökonomisch profitieren. Sie haben Zugriff auf mehr und bessere Arbeitsplätze, sie fahren höhere Löhne ein, sie beweisen in Verhandlungen mehr Macht und ergreifen mehr Möglichkeiten zum Unternehmertum. Der Mann aus dem Volke, der dem Kaiser sagt, was er zu tun hat, ist mehr als ein Märchenklischee, er ist erwiesenermaßen ein Erfolgsfaktor.

Nachzuweisen war das bisher allerdings nur für Individuen, nicht für die Gesellschaft insgesamt. Dafür standen die nötigen Daten nicht bereit - dachte man jedenfalls. Tatsächlich existieren über unser Sozialverhalten Myriaden von Daten: vor allem die Telefon- und Handy-Verbindungsdaten sagen viel über die Verknüpfungen, die zwischen den Menschen bestehen. Im Wissenschaftsmagazin Science analysieren nun britische Forscher Telekommunikationsdaten aus Großbritannien aus dem Monat August 2005.

Der Datensatz enthält mehr als 90 Prozent der Handy- und über 99 Prozent der Festnetzanschlüsse auf der Insel. Daraus extrahierten die Forscher ein Netzwerk mit 65 Millionen Knoten, in dem 368 Millionen gegenseitige soziale Verbindungen auszumachen sind. Schon die Statistik ist interessant: Will man zwei beliebige Menschen darüber miteinander verknüpfen, braucht man im Mittel 9,4 Schritte. Jeder „Bewohner“ dieses sozialen Netzes hat rund 10 Nachbarn, und 99,5 Prozent aller Knoten besitzen irgendeine Art der Verbindung untereinander.

Diesen Datensatz setzten die Forscher in Relation zu einem 2004 von der britischen Regierung erhobenen Index, der für 32482 Communities im ganzen Land berechnet wurde. Er enthält unter anderem Daten zu Einkommen, Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Verbrechensraten, Wohnverhältnissen und der Umweltqualität der betreffenden Region und ist somit ein gutes Maß für den relativen Reichtum einer bestimmten Community. Aus der Kombination dieses Index mit den Telekommunikationsdaten entwickelten die Forscher den Faktor der sozialen Diversität - er misst im Prinzip, wieviel Telefonzeit ein Mensch mit einem anderen Menschen von unterschiedlichem sozioökonomischen Status verbrachte.

Zum Vergleich ermittelten die Wissenschaftler auch die räumliche Diversität und die Diversität in Bezug auf Anzahl der Kontakte und Gesprächsvolumen. Dabei zeigte sich zum einen: In ärmeren Regionen wird länger telefoniert. Die Einwohner von Stoke-on-Trent, einem der ärmsten Gebiete Großbritanniens, verbrachten zum Beispiel die meiste Zeit am Telefon. Eine leichte Korrelation gab es immerhin zwischen Reichtum und Anzahl der Gesprächspartner. Am stärksten jedoch war die soziale Diversität mit dem ökonomischen Status einer Region verknüpft.

Die Erkenntnis könnte, geschickt angewendet, sogar der Politik nützlich sein, meinen die Forscher. Um eine Community in ihrer Entwicklung zu fördern, müsste es demnach hilfreich sein, die soziale Vernetzung ihrer unterschiedlichen Mitglieder miteinander zu verbessern.