Der dunkle Zwilling

Mit dem Fury-Expansions-Pack erweitern Sony und das Liverpool-Studio WipeOut HD um einige markante Features

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das im vergangenen Jahr für die PlayStation 3 erschienene Rennspiel „WipeOut HD“ ist optisch immer noch das Flaggschiff unter den Konsolenspielen, weil es die volle HD-Auflösung von 1080 Zeilen mit einer Bildwiedergabefrequenz von 60 Hertz nutzt. Gerade Besitzer eines Full-HD-Equipments kommen bei dem Spiel also voll auf ihre vollen Kosten. Vor ein paar Tage hat Sony in seinem PlayStation-Network nun eine Erweiterung für knapp 10 Euro zur Verfügung gestellt, die das Spiel um einige Funktionen erweitert.

Die Vergangenheit des Zukunftsrennsports

Die „WipeOut“-Serie blickt auf eine fast 15-jährige Geschichte zurück. In Europa wurde 1995 Sonys erste PlayStation mit dem Ur-„WipeOut“ ausgeliefert, das schon damals Erstaunliches aus der 32-Bit-Konsole herausholte. Rasante Renngeschwindigkeit verbunden mit futuristischem Techno-Soundtrack (damals konnten Songs von den Chemical Brothers, Leftfield und anderen Mitte der 1990er bekannten Bands für die Spiel-Musik lizenziert werden) ließen „WipeOut“ schnell zu einem Titel für die etwas ältere Spieler-Generation werden. Dem Prinzip blieben auch die weiteren Teile des Spiels treu.

Auf insgesamt sechs Fortsetzungen hat es die Serie bis zum Erscheinen von „WipeOut HD“ vor etwa einem dreiviertel Jahr gebracht. Neben Versionen für Sonys Hardware (ab 2002 für die PS2, ab 2007 für die PSP) wurde das Spiel auch für Nintendos N64, PCs, Macs sowie andere Konsolen und Homecomputer adaptiert. Neben neuen Strecken, Renngleitern und zusätzlichen Features ist dabei immer auf einen passenden, zeitgemäßen Soundtrack Wert gelegt worden, um die futuristische Anmutung zu unterstreichen.

Virtuelle Rennen in Spiel und Film

Beeinflusst einerseits und einflussreich andererseits dürfte „WipeOut“ dabei jederzeit gewesen sein. Die Idee, normale Rennspiele in ein futuristisches Setting zu versetzen, eine Welt, in der die Geschwindigkeit ihre Entsprechung im Design findet und negative Folgen des Rennsports ausgeblendet werden, existiert sowohl im Videospiel als auch im Film schon seit einiger Zeit. Und immer war mit der Gestaltung in den jeweiligen Ambiente auch ein erhöhter Anspruch an Design und Beschleunigungsoptik verbunden. In den 1980ern haben etwa Spiele wie "Electra Glide" den Spieler für die Tape-Ladezeit von geschlagenen 60 Minuten (bei der Atari-Version) mit einem für die Zeit ungewöhnlichsten Rennen.

Ein frühes Future-Racing-Spiel im Film ließ sich in Steven Lisbergers „Tron“ von 1982 bewundern, dem natürlich gleiche und ähnliche Spiele auf dem Computer folgten. Zu nachhaltiger Bekanntheit ist das Rennen im Science-Fiction-Genre dann jedoch erst Ende des letzten Jahrtausends im vierten Star-Wars-Film „Episode 1“ gelangt, in dem der kleine Anakin Skywalker ein so genanntes Pod-Rennen gewinnt, welchem der Film einen beachtlichen Teil seiner Laufzeit widmet – und das in vielem dem Prinzip der „WipeOut“-Spiele ähnelt.

Zuletzt und wohl am furiosesten ist diese Art des Rennsports im aktuellen Film der Wachowski-Brothers zu bewundern gewesen: "Speed Racer" handelt von nichts anderem als futuristischen Rennen, die wohl einen neuen optischen Geschwindigkeitsrekord vorgelegt haben.

Speed kills (your brain)

Auch in „Speed Racer“ lassen sich durchaus Bezüge zu „WipeOut“ finden, wenn man sie denn suchen möchte. Neben der futuristischen Renntechnik, vor allem den „luftigen“ Strecken, ist es das „In-Fiction-Marketing“, das beide miteinander verbindet. Schon für das erste „WipeOut“ hatte man durch das Studio „Designers Republic“ eigene Hersteller-Logos für die Fahrzeuge entwerfen lassen, die dann auch ihren Weg aus dem Spiel heraus auf T-Shirts der Spieler finden sollten. Die Strecken im Spiel wurden mit Reklametafeln zu virtuellen Produkten und den Herstellern der Renngleiter versehen. „Speed Racer“ setzt auf ein ganz ähnliches Authentisierungsmittel, denn auch hier wird zunächst Identität durch die Definition bestimmter Rennställe und Fahrzeuge gestiftet.

Die Geschwindigkeit, mit der dieses Ambiente am Zuschauer – bzw. Spieler – vorüberzieht, lässt kaum erkennen, was es im Detail damit auf sich hat. Zudem liefert das knallbunte Design der Strecken selbst ebenfalls so viel „Abwechslung“ fürs Auge, dass man vor dem Bildschirm, sei's beim Spielen oder im Film, auf eine harte Aufmerksamkeitsprobe gestellt wird. Sony hat den Start von „WipeOut HD“ sogar verzögern müssen, weil das Spiel durch den Epilepsie-Test gefallen, dem sich jede Neuerscheinung unterwerfen muss, um eine Gefährdung der Spieler auszuschließen. Warnungen, es mit der Spieldauer nicht zu übertreiben und auf körperliche Symptome zu achten, enthalten alle „WipeOut“-Versionen.

Fury in the Racing House

Zu derartigen Verzögerungen scheint es bei der „Fury“-Extension von „WipeOut HD“ nicht gekommen zu sein. Vorletzte Woche gab es zunächst ein Update des ursprünglichen Spiels, bei dem vor allem verschiedene Menüführungen praktikabler gemacht wurden; seit Mittwoch ist nun die bereits im Januar auf der E3 Expo angekündigte Erweiterung für knapp 10 Euro nachladbar. Dabei handelt es sich nicht wie sonst um eine Veränderung des ursprünglichen Spiels durch neue Funktionen, sondern um eine Erweiterung im Wortsinne: Nach dem Programmstart (der nun merklich anders aussieht also zuvor) hat man die Wahl zwischen dem bekannten „HD“- und dem neuen „Fury“-Mode.

Letzterer wartet auf den ersten mit einer optischen Generalüberholung auf: Die Menüschirme sind jetzt in Schwarz und Rot gehalten – einige Schriften, wie etwa bei der Gleiter-Auswahl, sind dadurch nur noch schwer zu erkennen –, das ganze Design steht jetzt eher unter einem „düsteren Stern“, könnte man sagen: künstliches Störflimmern, Bilder, die in Pixel zerbersten und Rennrunden, die nicht mehr vornehmlich – wie in der „HD“-Variante – von „eitel Sonnenschein“ geprägt sind, sondern zumeist im Halbdunkel, bei bedecktem Himmel oder sogar nachts spielen.

Auch die seit „WipeOut Pure“ hinzugekommenen „Zone“-Modi, bei denen die Grafikdetails zugunsten eines noch stärkeren Eindrucks von Künstlichkeit und Virtualität stark reduziert sind, nehmen sich in „Fury“ dunkler und bedrohlicher aus. Wie in „HD“ sind in „Fury“ auch Mehrspieler- und Online-Features enthalten. Zudem kann man alle in „HD“ erwirtschafteten Gleiter auch in „Fury“ nutzen – und umgekehrt.

Arcade-Features

Zwölf neue Rennstrecken, 13 neue Schiffe und – das ist immer noch wichtig! – sechs neue Musiktracks sind bei „Fury“ hinzugekommen, verlautbart das Entwicklerstudio. Die zentrale Neuerung sind jedoch drei weitere Rennmodi: Eleminator, Zone Battle und Detonator. Deren Titel allein lässt schon ahnen, dass es sich hierbei um Abweichungen von der reinen Racing-Lehre zugunsten von Arcade-Funktionen handelt. Diese sind zwar auch schon seit dem ersten Teil integraler Bestandteil des Spiels (bei dem in regulären Rennen Mitbewerber um den ersten Platz durch eingesammelte Energiewaffen auf die Ränge verwiesen werden können), in den neuen drei Levels bekommt das Geballer jedoch eine erweiterte Bedeutung.

„Eleminator“ ist – wie der Name schon sagt – ein Modus, in dem andere Schiffe ausgeschaltet werden, wie es schon aus „WipeOut Pulse“ bekannt ist. Mithilfe von Waffen werden die gegnerischen Gleiter so lange bearbeitet, bis man möglichst nur noch selbst übrig ist oder so viele Punkte erreicht hat, dass es zur Goldmedaille reicht. „Zone Battle“ ist die eine von zwei neuen Zone-Features.

Hier fliegt man nicht mehr allein durch die Zonen und ist der automatischen Beschleunigung so lange unterworfen, bis man durch Randkollisionen die gesamte Schiffsenergie verloren hat: Jetzt versuchen mehrere in den Zonen zu überleben und die Gegner abzudrängen. Durch Überfliegen der Geschwindigkeitsfelder kann man dabei den Zonenfortschritt selbst beeinflussen und sich und die anderen per Tastendruck in die nächst schwierigere und schnellere Zone katapultieren.

Der dunkle Zwilling

„Detonator“ ist das zweite Zonen-Feature und die wohl deutlichste Hinwendung zum Arcade. Abermals fliegt man durch sich verändernde (und beschleunigende) Zonen, in denen nun jedoch Minen und Bomben auf dem Weg liegen, die man umfliegen oder mit einer sich nach und nach ladenden Kanone abschießen muss. Fliegt man über Beschleunigungsfelder, lässt sich hin und wieder eine ganze Anzahl von Hindernissen durch einen EMP-Stoß beseitigen. Beim Schuss auf eine der seltenen Bomben passiert etwas Ähnliches. Die „Detonator“-Runde ist von den neuen die schwierigste, weil sich die nicht abgeschossenen Hindernisse nach und nach sammeln und man nur bei sehr hohen Punktzahlen eine Medaille erwirbt.

Ließ sich „WipeOut HD“ noch vorwerfen, dass es lediglich eine auf Hoch(auflösungs)glanz polierte Mischung der Vorgänger „Pure“ und „Pulse“ war, so hat das Spiel durch die „Fury“-Erweiterung nun ein ganz eigenes Gesicht bekommen. Es stellt sich – schon im Auswahlmenü – als der dunkle Zwilling zur „HD“-Variante dar. Mit der neuen Optik und vor allem den neuen Rennmodi macht es aus dem PS3-Software-Flaggschiff wieder etwas ganz Unikales. Allein die Tatsache, dass das Spiel in recht kurzer Zeit um eine solche Erweiterung bereichert wurde, lässt hoffen, dass in Zukunft weitere Expansion-Packs nachladbar sein werden. Gerüchten zufolge soll „WipeOut HD“ ja auch einen Download-Client bekommen, mit dem man künftig dann auch jeweils einzelne Features ergänzen kann.