Der freie Informationsfluss - reloaded

Die US-Regierung fördert ein wenig die Umgehung von Internetzensur und -verfolgung in autoritären Regimen, aber will sie wirklich Anonymität garantieren und Überwachung verhindern?

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Michael Horowitz, unter Ronald Reagan beim Office of Management tätig und heute Mitbegründer der Twenty First Century Initiative, die wie auch im Kalten Krieg für den freien Informationsfluss (Free Flow of Information), aber nun im Internet, eintritt, sieht sich ganz in der Tradition: "Wir leben in einer Welt, in der die elektronischen Mauern zunehmend die aus Steinen und Stacheldraht als Kontrollmittel der Diktaturen ersetzen."

Auch früher ging man davon aus, als man etwa mit dem Radio Free Europe die Länder des Ostblocks beglückte, dass der Kommunismus fällt, wenn die richtigen Informationen aus der freien Welt des Westens zirkulieren können, auch wenn man nicht nur im lateinamerikanischen Hinterhof selbst Diktaturen unterstützte, wenn sie nur der Feind des Feindes waren.

Auch angesichts des Arabischen Frühlings erwachte dieser Geist wieder in der Obama-Regierung. Hillary Clinton griff eine eher von Republikanern gegen China, aber auch gegen en Iran eingeleitete Initiative auf und propagierte den freien Informationsfluss im Internet. Um Oppositionellen gegen Zensur und Verfolgung im Internet zu helfen, die arabische und andere Diktaturen und autoritäre Systeme, sofern sie über die Mittel verfügen, gerne mit der Technik aus den USA und anderen westlichen Ländern realisieren, stellte man ein bisschen Geld zur Verfügung, um Programme zu entwickeln und zu verbreiten, mit denen Zensur und Verfolgung ausgetrickst werden können.

Ähnlich agieren die großen Konzerne wie Google und Co. , die einerseits die Internetfreiheit propagieren, aber sich auch den Anforderungen von autoritären Systemen anpassen, wenn es um das Geschäft gehen. Daher verwundert auch nicht, dass Clinton bei Vorstellung des Programms Anfang 2011 vehement für ein freies und offenes Internet eintrat, aber gleichzeitig versicherte, dass man eben auch für Sicherheit sorgen und Terroristen online beobachten und verfolgen müsse. Und auch die Offenheit, für die Wikileaks sorgte, passt nicht in die Interessen der Regierung (Wiederentdeckung der Menschenrechte).

So groß die Worte waren, so wenig wurde für die Internetfreiheit investiert. Bis 2011 waren es gerade mal 20 Millionen US-Dollar, jetzt sollen jährlich 30 Millionen sein, eigentlich waren aber für 2011 20 Millionen und für 2012 25 Millionen bewilligt worden. Aber man müsste sich doch sehr wundern, wenn die US-Regierung wasserdichte Programme ohne alle Hintertüren fördern würde, die ja nicht nur Oppositionelle in anderen Ländern vor Verfolgung schützen und Zensurmaßnahmen blockieren würde, sondern auch den eigenen Feinden und Kriminellen (Förderung der Internetfreiheit mit Hintertüren?). Das ist freilich nur eine Vermutung, aber wohl eine ziemlich realistische.

Es wird wohl auch mit den anstehenden Wahlen zu tun haben, wenn nun die Washington Post berichtet, wie erfolgreich doch das Programm sein soll. Die Mittel, die die US-Regierung zur Verfügung stelle, würden in autoritären Regimen täglich von mehr als einer Million Menschen benutzt, um Zensur und Überwachung zu entgehen. Sie seien gar so attraktiv, dass die Menschen in China, Iran und anderswo sie oft nicht benutzen könnten, weil sie überlastet seien.

Wenn die Kapazitäten ausgebaut würden, würde es aber nur kurzzeitig besser werden, so André Mendes, Direktor des Office of Technology, Services and Innovation des Broadcasting Board of Governors (BBG), das mit den Geldern des Außenministeriums einige der Initiativen fördert. Also müsste mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. BBG, dem auch Voice of America (VOA) und Radio Free Asia (RFA), unterstehen, erhielt seit 2011 etwa 10 Millionen Dollar jährlich für das Programm zur Internetfreiheit. Manche fordern jetzt, dass 50 oder 100 Millionen notwendig seien.

Offenbar ist Ultrasurf eines der begehrtesten Programme, bei denen Seitenaufrufe über Proxy-Server geleitet werden. Schön ist, dass auch hier Websites blockiert werden, angeblich nur pornografische. Zwar können die Benutzer etwa in China oder Vietnam die Zensur umgehen, aber die Benutzer-Logs können vom Anbieter verfolgt werden. Zudem wird offenbar Google Analytics eingesetzt, was den Datenschutz weiter unterminiert. Oder es gibt den Anonymisierungsdienst Tor, der auch von Wikileaks benutzt wird und von der Darpa, der Forschungsbehörde des Pentagon, finanziert wurde. Tor würde auch dazu dienen, Drogenhandel, Kinderprostitution und andere kriminelle Aktivitäten auszuführen, sagen Projektmitarbeiter. Das müsse man aber hinnehmen. Inwieweit Tor tatsächlich Anonymität garantiert, ist umstritten.

Obama hat in der zweiten Fernsehdebatte schon mal die Überwachung der Menschen in China angeschnitten und Romney kritisiert, dass der Investmentfonds Bain Capital, den dieser gegründet hat, auch in Überwachungstechnik investiert hat. Zwar ist Romney schon 1999 aus dem Vorstand von Bain ausgestiegen, profitiert aber weiter von den Gewinnen - und von den dicken Wahlkampfspenden des Fonds. Bain hat die chinesische Firma Uniview gekauft, die Videoüberwachungssysteme für das Programm "Sichere Städte" liefert, mit dem bislang unvorstellbar dichte Überwachung der öffentlichen Räume von Städten realisiert wird. Romney warf hingegen Obama vor, nicht hart genug gegen autoritäre Staaten wie China oder Iran vorzugehen.